Erstellt am: 5. 3. 2011 - 07:14 Uhr
Für angehende Apokalyptiker
Zu Beginn tritt Bela B. einen Globus von einem Barhocker, kurz darauf knickt die Tischlampe über seinem Transkript ein. Auch der schwedische Einrichtungshersteller arbeite konsequent am Ende der Welt, kommentiert Bela B. und kündigt an, das Publikum an diesem Abend in Grund und Boden zu siezen.
Die Lage bedingt Ernsthaftigkeit. Bela B. tritt mit seiner Leseshow "Exit Mundi" an, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, in all seinen Wahrscheinlichkeiten zu erörtern. Die Apokalypse ruft er an einem Abend ein halbes Dutzend mal aus, um sie in den meisten Fällen zumindest weit hinter die Lebenszeit unserer ungeborenenen Urururur-undsoweiter-Enkel zu verschieben. Vorweg für alle "Die Ärzte"-FreundInnen: Ja, er hat eine Gitarre dabei, doch nein: bis zum Zugabenblock wird fleißig der Stoff durchgenommen. Den Vergleich mit dem Biologie- und Religionslehrer strebt der Sänger, Songwriter und Schauspieler wie so Vieles selbst an.
random house
Dem "Alien Paul" hat Bela B. kürzlich seine Stimme für die deutschsprachigen Kinos geliehen, Leopold von Sacher-Maschos „Venus im Pelz“ hat er vor einigen Jahren für ein Hörbuch gelesen. Ein Sachbuch über Superhelden hätte ihn für diese Leseshow gereizt, doch ein passendes Werk ließ sich nicht finden. Dann entdeckt er „Exit Mundi", das er zu den lustigsten und zugleich bittersten Büchern zählt, die er in letzter Zeit gelesen hat. Geschrieben hat es der niederländische Wissenschaftsjournalist Maarten Keulemans, der auf einer Website Weltuntergangsszenarien gesammelt und nach Stichwörten zusammengetragen hat. Meteoriten, schwarze Löcher, der Mond und die verglühende, sterbende Sonne sind Klassiker, doch gegenüber dem Tag, an dem die Schwerkraft durcheinander zugeraten und die Antarktis zum Äquator zu rutschen droht, sind Aliens geradezu ein grün leuchtendes Exit-Schild an apokalyptischer Prognose.
Neunzig Untergangsszenarien hat Keulemans beschrieben. Auch Bela
B. ist inzwischen ein Experte, wenn es um Enden geht, die populärwissenschaftliche Erklärungen von im Kern wissenschaftlichen Erkenntnissen ableiten. Für das gleichnamige Hörbuch hat er sich intensiv in die Causa eingearbeitet. Den Meteoriteneinschlag fordern Fans beinahe bei jeder Lesung ein. "Ein Supermeteorit kann uns jeden Moment treffen, und in dem Moment, wo wir ihn sehen, ist es vorbei mit der Erde", erklärt der Fachmann für angehende Apokalyptiker. Je absurder das Szenario, umso schöner der Schauer.
Kompetenz-Frank und Found Footage
Wenn Bela B. ausführt, wie Männern ihr Y-Chromosom in der fernen Zukunft abhanden kommen könnte und das Schicksal seltsamer Nagetierarten und des ersten Schmetterlings anführt, dessen Namen ich verdrängt habe, wird es für das Publikum schnell populärwissenschaftlich. Weil: ich würde mir das ja alles gerne merken, doch am Ende des Abends summiert sich das Gehörte zu Halbwissen. Ich bräuchte halt auch einen Kompetenz-Frank.
Kompetenz-Frank ist einer der beiden Gründe, warum sich Bela B. auf diese Leseshow-Chose eingelassen hat. Der freundliche, groß gewachsene Deutsche gibt während der Lesungen den Assistenten für Bela B., er managt nicht nur diese Reise, sondern auch Bands, und man versteht sich darüber hinaus auch privat. „Die besten Weltuntergänge“ präsentiert Bela B. auch, weil er mit Herrn Frank ein "Freundesding", ein gemeinsames Projekt, machen wollte. Da eignen sich ausschweifende Lesungen gut.
Hinter den Kulissen steht Kompetenz-Frank und auf Knopfdruck zugeschaltet wird Karlotta, die FM4 HörerInnen an die kluge Kinder-Arbeiterin Klara "Im Sumpf" erinnert. Es braucht nicht viel, um in den Charme von Bela B.s Leseshow einzuwilligen. Sich zurückzulehnen und - "Schürzen Sie nur Ihre Lippen und hängen Ihren Tag - oder mittlerweile schon Nachtträumen nach?! Wie es denn wäre, wären Sie alleine mit mir in diesem Saal?" Bela B. weiß um die Kürze von Aufmerksamkeitsspannen, und wie man Kritik vorbeugt. Indem man sie gleich selber anbringt. "Aber er sieht gut aus!“ meldet sich Karlotta aus dem Computer zu Wort. Kompetenz-Frank muss einen Zeitungsartikel holen, den Bela B. vormittags entdeckt und für lesenswert befunden hat. In kurzer Zeit werde es zu einem massenhaften Artensterben kommen, zitiert er, und beruhigt beiläufig: "Kurze Zeit, damit meinen Wissenschaftler die angeführten zwei Millionen Jahre". Apropos Zitat: Seitenhiebe hagelt es auf Karl-Theodor zu Guttenberg und Bela B. lugnert Richtung Opernball. Beides ist aufgelegt und anbiedernd, aber das weiß der Vorleser, und die Gags sind ein harmloser Spaß.
Mehr zu Zombies!
Weil sich Bela B. für Fußnoten interessiert, hat er herausgefunden, dass der Autor Keulemans nicht nur das Werk "Exit Mundi - Die besten Weltuntergänge" geschrieben, sondern seine Diplomarbeit über Zombies verfasst hat. Untote, die haben es Bela B. angetan, ob in Comics (seinen Verlag hat er vor einigen Jahren aufgelassen), Filmen oder Büchern. Wie und wann die Zombieapokalypse uns kriegt, wird in Graz beim ersten Tourstopp der Leseshow zu "Exit Mundi" allerdings nicht näher thematisiert. Um gerüstet zu sein, empfiehlt er herzlichst das Bilderbuch "How to speak Zombie", das mit einem Simultanübersetzungsknopf ausgestattet ist. Rrrrrrraaaah!
Apokalyptische Aussichten von und mit Bela B. kann man am 5. März in der Kulturwerkstatt in Kufstein sowie am 6. und 7. März im WUK in Wien erleben.
Beim Merchandise-Stand, "gleich neben dem Stand von Attac", lässt Bela B. sein Hörbuch "Exit Mundi" verkaufen. Den Attac-Stand gab es in Graz tatsächlich, Bela B. ist Mitglied bei der globalisierungskritischen Organisation. "Also zuerst zu Attac: Nieder mit dem Kapitalismus! Und danach Bela B. fünfzehn Euro in den kapitalistischen Rachen werfen!". Situationskomik liegt ihm am Besten. Und seine 'Found-Footage'-Filmchen, die sterbende Dinosaurier oder Angriffe auf den Eiffelturm mit Spielzeug dokumentieren, sind die Eintrittskarte wert. "Das ist ein Film eines jungen Experimentalfilmers namens Felsenheimer. Das ist kein Film, der Sie abholt - dieser Film möchte abgeholt werden!"