Erstellt am: 4. 3. 2011 - 16:26 Uhr
Daedelus und Tokimonsta
Auch wenn ihr euch wahrscheinlich, so wie meine Freunde, am liebsten in künstlichen Tiefschlaf versetzten lassen wollt, bis es wieder 20 Grad plus gibt, gibt es diesen Samstag gleich zwei gute Gründe, das geheizte Kabäuschen zu verlassen und die eingerosteten Gelenke mächtigen, basslastigen Schallwellen auszusetzten: The Loud Minority hat Daedelus und Tokimonsta in die Pratersauna geladen.
lauren bachner
Daedelus
Ich verehre Daedelus nicht nur wegen des Sounds, sondern auch wegen der Ideenwelten, die er über uns hereinbrechen lässt. Daedelus baut Traumlandschaften, seine Musiken sind Theaterstücke, Soundtracks zu nicht existierenden Filmen, die einen in eine andere Welt verfrachten. Daedelus gibt uns auch immer Hinweise, wohin die Reise gehen soll.
Sein letztes auf Flying Lotus' Label "Brainfeeder" erschienenes Werk "Righteous Fists Of Harmony" war eine Art Konzeptalbum über den Boxeraufstand im China des 19. Jahrhunderts. Opium, Geisterheere und ein Abgesang auf eine zu Ende gehende Epoche waren die Ideenrahmen von "Righteous Fists Of Harmony". "Ich arbeite wie ein Schriftsteller, der in seinem Roman Seiten leer lässt, so dass die Hörer, wenn sie eine Geschichte im Kopf haben, diese ergänzen können", meint er im Interview. Seine Mission diesen Samstag wird aber vermutlich eine andere sein.
Für seine Live Sets verwendete der Herr, der sich nach Ikarus´ Vater, dem großen Erfinder der griechischen Mythologie, benannt hat und oft im victorianischen Gehrock anzutreffen ist, ein Gerät namens "Monome". Ein sehr nach Steampunk aussehender Holzkasten, komplett zugepackt mit leuchtenden Pads, eine Schnittstelle zum Rechner mit bis zu 256 mit Samples belegbare Tasten. Auf die Frage, wo er seine assoziationsbeladenen, ungewöhnlichen Samples findet, meint der große Erfinder:
"Trapped in my lasso, fished out of all seven seas, skinned alive at times, stacked endlessly and found haphazardly."
Nächstes Monat wird auf Ninja Tune ein neues Daedelus Album namens "Bespoke" erscheinen. Bespoke zu Deutsch "maßgeschneidert" bezieht sich auf die Liebe unseres Freundes Daedelus zu unkonventionellen musikalischen Entwürfen und zu victorianischer Kleidung. Eine Lebensperspektive und ein antikonsumistisches Statement, ala Fuck all Presets. Mehr davon hier, wenn es tatsächlich erschienen ist, und hoffentlich am Samstag in der Pratersauna.
Tokimonsta
Grund Nummer zwei am Samstag, meine Festung der Einsamkeit zu verlassen, ist Tokimonsta, eine junge Dame, die in LA im Brainfeeder Dunstkreis wirkt und mit elektronischem Instrumental Hip Hop im Geiste von Prefuse 73 groß geworden ist. Eine Spielart des Genres, die losgelöst ist von geographischen, sozialen und politischen Verortungen.
Wer Heinz Reich und mich kennt weiß, dass wir viel und gern zu, über und während Musik reden. Ist ja auch unser Job. Wir sind die Typen, die du im Club wahrscheinlich anmotzen würdest: "Seid doch ruhig und hört zu." Anders auf der La Boum de Luxe Dienstreise am Sonar 2010.
Früher Nachmittag, im Stundenrhythmus entführt uns ein anderer DJ oder Producer in sein Beatuniversum. Wir - bereits reizüberflutet und in Waldorf und Stettler Modus - beäugen die junge Dame die am Rand der Bühne steht und nervös hin und her wippt. "Schlechte Nerven", konstatiere ich. Tokimonsta hängt ihren Laptop an und beginnt ihre Mischung aus Live- und DJ-Set. Drei Minuten später sind wir aber sowas von ruhig, weil uns die Kinnlade vor Begeisterung offen steht. Tokimonsta spielt sich um die eigene Achse drehenden psychedelischen Hip Hop, der es schafft, die Antagonismen vom mächtigen, die Nackenhaare aufstellenden Bass und verspielte euphorische Leichtigkeit zu vereinen. Soul Samples, Piano Keys, Hip Hop Acapellas, wie Methodman und Redmans How High über Breakbeats, die sich hinaufschrauben und einbrechen. Dieses Set ist übrigens nachzuhören heute Nacht auf La Boum de Luxe. Mit großem Amüsement nahm ich an diesem Tag auch zur Kenntnis, dass Tokimonsta ein Remixalbum mit ihren Versionen von Hip Hop Klassikern gemacht hat und ihm den wunderbaren Namen "Attention Deficit" gegeben hat. Erlaubt mir Mädchenmusikmetaphern, ich musste nämlich während sie spielte an Kolibris oder sowas denken. Tokimonsta: Float Like a Butterfly punch like Tyranus Saurus Rex.