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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

7. 3. 2011 - 16:57

100 Jahre Frauentag

Zwischen Kampftag und Kommerzialisierung, Parteiaufmarsch und Pressekonferenz: Rückblick auf eine bewegte Geschichte.

Logo ausstellung feste Kämpfe

Volkskundemuseum

Feste.Kämpfe - 100 Jahre Frauentag
Österreichisches Museum für Volkskunde
4. März 2011 - 30. Juni 2011

Und der dazugehörige Blog mit aktuellen Infos:
100-jahre-frauentag.at

Am 19. März 1911 gingen in Österreich erstmals tausende Frauen und Männer auf die Straße, um für die Rechte von Frauen zu kämpfen. Seit damals gibt es in Österreich den Frauentag, er hat sich allerdings bezüglich seiner Inhalte, der Form und der AkteurInnen mehrmals gehörig gewandelt.

Drei Jahre lang hat sich ein Forschungsprojekt am Johanna-Dohnal-Archiv dem Frauentag in Österreich gewidmet: Maria Mesner, Heidi Niederkofler und Johanna Zechner durchforsteten Archive, Parteiaufzeichnungen und private Sammelstücke. Das Ergebnis ist jetzt in der Ausstellung „Feste.Kämpfe“ zu sehen, die die Geschichte des Frauentags in Bildern, Zeitungsausschnitten und Plakaten nachzeichnet.

Gleichstellung und Wahlrecht

Am 19. März wurde der erste Internationale Frauentag in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie Dänemark als politische Veranstaltung begangen. In Wien marschierten damals zwanzigtausend Frauen und Männer um den Ring. Der Tag selbst wurde ein Jahr zuvor auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz von Clara Zetkin vorgeschlagen, er sollte in erster Linie der Agitation für das Frauenwahlrecht dienen, das zu dieser Zeit den Frauen in den meisten europäischen Ländern verwehrt war. Getragen wurde dieser erste Frauentag daher hauptsächlich von sozialdemokratischen und kommunistischen Frauen, aber auch bürgerlich-liberale Frauen setzten sich für das Wahlrecht ein.

Der 8. März hat sich erst mit der Zeit als Datum für den Frauentag durchgesetzt. Johanna Zechner über den Gründungsmythos

Frauentagsdemonstration am 19. März 1911 in Wien

Kreisky Archiv

Die erste Frauentagsdemonstration, 19. März 1911 in Wien

Einige wenige Frauen hatten in Österreich aufgrund von Stand und Vermögen Ende des 19. Jahrhunderts das Wahlrecht bereits besessen: Als adelige Großgrundbesitzerinnen konnten sie in bestimmten Landtagen wählen. Mit der Abschaffung des Kurienwahlrechts und der Einführung des allgemeinen Männerwahlrechts 1907 verloren auch diese Frauen ihr Stimmrecht.

Nach dem ersten Weltkrieg, ab 1919, wurde in Österreich das allgemeine und gleiche Wahlrecht (auch für Frauen) eingeführt. Daher fanden einige Jahre keine Frauentage statt. Bereits Anfang der 1920er Jahre wurde diese Tradition aber wieder aufgenommen. Zentrale Forderungen schon damals: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit oder die Straffreiheit für den Schwangerschaftsabbruch. "Diese Forderungen sind in dem Zusammenhang zu sehen, dass mit dem Frauenwahlrecht eine neue Wählerinnenschicht erschlossen werden musste", erklärt Historikerin Maria Mesner, "vor allem die sozialdemokratische und die kommunistische Partei versuchten, potenzielle Wählerinnen mit dem Setzen dieser als frauenrelevant erachteten Themen zu erreichen."

Zwischen Mutter und Arbeiterin

Frau mit Fahne, Frauentag, Festschrift der SDAP zum Frauentag, 1933

Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung

Festschrift der SDAP zum Frauentag, 1933

Mit dem Verbot der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei im Austrofaschismus gab es - zumindest in der Öffentlichkeit - keine Frauentage mehr. Es gibt aber Gerüchte, dass der Frauentag, ähnlich wie der Erste Mai, im Untergrund gefeiert wurde.

In der öffentlichen Wahrnehmung trat an die Stelle des Frauentags der Muttertag. Dieser wurde allerdings nicht, wie immer wieder behauptet, von den Nationalsozialisten eingeführt: „Der Muttertag kam in den 1920ern aus den USA nach Europa und wurde vor allem von BlumenhändlerInnen propagiert“, sagt die Historikerin Heidi Niederkofler „In Österreich hat ihn Marianne Hainisch eingeführt, eine bürgerlich-liberale, frauenbewegte Frau.“

Der Muttertag wurde im Austrofaschismus und später im Nationalsozialismus dankbar aufgenommen und zu einer großen Feier stilisiert, inklusive Mütterehrungen für besonders kinderreiche Frauen. Das Frauenbild im Nationalsozialismus war aber durchaus ein ambivalentes: Auch wenn in der offiziellen Ideologie die Frau ausschließlich Gebärende und deutsche Mutter angesprochen wurde, wurden Frauen bei Bedarf in der (Rüstungs-)Industrie eingesetzt. "Die Frauen wurden vom Regime durchaus als Arbeiterinnen und leistungskräftigen deutsche Frauen angesprochen", sagt Niederkofler.

Deutsche Trümmerfrau bei der Arbeit: Fängt Ziegelstein

Deutsche Fotothek, Rössing, Roger & Rössing, Renate

Trümmerfrau in Berlin

Vom Rand in die Mitte der Gesellschaft
Maria Mesner und Heidi Niederkofler im Interview mit ORF Science

In der Nachkriegszeit setzt sich diese Zuschreibung fort: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges herrschte in Österreich ein Machtvakuum: Viele Männer waren im Krieg gestorben oder befanden sich in Kriegsgefangenschaft. "Diese Situation wurde von den Frauen eher als Überforderung wahrgenommen", sagt Heidi Niederkofler. "Die Versorgungslage war katastrophal, die Männer, so sie zurückgekehrt waren, waren Fremde, der Staat kaum existent." Jedenfalls wurden die Frauen von der Politik in die Verantwortung genommen, das Land wieder aufzubauen. Denn sie hatten bereits im Krieg eine sehr aktive Rolle übernommen, die Familien versorgt und gearbeitet. "Aus dieser unmittelbaren Erfahrung war es klar, dass Frauen beim Wiederaufbau mithelfen", sagt Historikerin Johanna Zechner. "Andererseits gab es die Zuschreibung an die Frauen, die mit ihrer friedlichen Seele und ihrer mütterlichen Kraft das Land wieder aufbauen sollen. Wodurch im Endeffekt dieser Trümmerfrauen-Mythos entsteht." Heidi Niederkofler ergänzt: "Vielfach waren sie ja Nationalsozialistinnen und wurden zu den Aufbauarbeiten gezwungen."

Brüche und Widersprüche

Nach den kargen Nachkriegsjahren geht es in den 1950er Jahren langsam bergauf: Sie sind eine Zeit der großen Wirtschafts-Wachstumsraten, die Konsumgesellschaft hält in Österreich Einzug. Damit kommen bestimmte Güter in den Massenkonsum: Elektrogeräte für den Haushalt oder erstmals Autos und Mopeds in großer Zahl.

Frauentagsaufmarsch der KPÖ, 1949

Bildarchiv der KPÖ

Frauentagsaufmarsch der KPÖ, 1949

Ermöglicht wird das einerseits durch steigende Massenlöhne, andererseits dadurch, dass die Frauen in den Familien dazuverdienen. Sie gehen Teilzeitarbeiten nach, meist nicht gut bezahlten Jobs ohne jede Aufstiegsmöglichkeit, die genau jenes zusätzliche Einkommen in die Familien bringen, um sich die Konsumgüter leisten zu können. "Das ist der Widerspruch dieser Zeit", sagt Maria Mesner, "zum einen wird die Hausfrau, die sich um die Kinder kümmert und das Haus schön sauber hält, zum einzigen Frauenideal überhaupt erklärt. Gleichzeitig ist diese Hausfrau aber oft berufstätig." Diese Widersprüche werden in den fünfziger Jahren allerdings nicht öffentlich thematisiert. Frauentage gibt es zwar, diese sind aber große Parteiveranstaltungen mit Aufmärschen und Volksfestcharakter, ähnlich dem Ersten Mai, frauenpolitische Themen werden dort kaum verhandelt.

Das Private ist Politisch

Als Erste Frauenbewegung wird die Suffragetten-Bewegung und der Kampf um das Wahlrecht bezeichnet.

Entlang der Widersprüche in diesem Wiederaufbau-Arrangement formiert sich Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre die Zweite Frauenbewegung. "Es gibt sogar Theorien, dass die Aktivistinnen der Zweiten Feministischen Welle die Töchter dieser Wirtschaftswunder-Mütter sind, die die im privaten und in der Familie verhandelten Widersprüche nach draußen getragen haben und sie schlussendlich zu politischen gemacht haben", erzählt Maria Mesner.

Sexpuppe auf Kreuz genagelt, Aktion autonomer Frauen gegen die Sexualmoral der katholischen Kirche auf der Frauentagsdemonstration, 1980

Elisabeth Enigl

Aktion autonomer Frauen gegen die Sexualmoral der katholischen Kirche auf der Frauentagsdemonstration, 1980

"Das Private ist Politisch" ist einer der bekanntesten Slogans der Zweiten Frauenbewegung. Mit ihr wurde der Frauentag auch aus seiner kommunistischen und sozialdemokratischen Verankerung gehoben, und von autonomen Frauengruppen wieder abseits von den großen Parteiveranstaltungen auf die Straße geholt. Die Frauen treten auf den Demos lautstark und provokativ auf, oft mit einer gehörigen Portion Aktionismus.

Gemeinsam mit der SPÖ gelang es 1975 die Fristenlösung zu erwirken, die den Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten straffrei stellt.

Neben Forderungen nach Gleichstellung bei Beruf und Bildung und Verantwortung des Staates bei der Kinderbetreuung hat die Zweite Frauenbewegung vor allem die Abtreibungsfrage zu ihrem ganz zentralen Thema gemacht. Diese wurde als Recht auf den eigenen Körper verstanden und nicht mehr als etwas, das in Notlagen von irgendeiner Obrigkeit gewährt werden konnte.

Auch Gewalt gegen Frauen wird stark thematisiert. 1978 wird in Wien das erste Frauenhaus eröffnet, weitere Frauenräume folgen. "Es entstand eine Subkultur, mit Frauenbuchhandlungen, Frauencafés, etc. zu denen Männer keinen Zutritt hatten, die Frauen für sich haben wollten und dieses Recht auch verteidigten", erklärt Mesner, "das zeugt vom Selbstbewusstsein, als Frauen aufzutreten und das Recht einzufordern, Raum für sich zu haben. Dieses Spezifikum der Zweiten Frauenbewegung ist seitdem in die Geografien der Städte eingeschrieben."

Flugblatt der autonomen Frauen, 1983

Stichwort. Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, Wien

Gleichzeitig beginnt die Kategorie "Frau" aber schon wieder zu bröckeln, Differenzen aufgrund unterschiedlicher Lebenslagen werden immer offensichtlicher. Ethnische, Klassen- und Bildungsunterschiede werden diskutiert, weil sie zu Machtgefällen und Interessensgegensätzen zwischen Frauen führen. Anfang der Achtziger Jahre sind es vor allem lesbische Frauen, die sich Gehör verschaffen. Ganz konkret schlägt sich das in der Benennung des Tages nieder: Dieser wird vom Frauentag zum FrauenLesbentag und schließlich zum FrauenLesbenMädchenKampftag.

Vom Aktivismus in die Institution

Ab den 1990ern entdecken die anderen Parteien und die Medien den Frauentag für sich. Auf Frauentags-Pressekonferenzen werden aktuelle tagespolitische Fragen verhandelt; gleichzeitig wird der Frauentag immer mehr zum Event, an dem es Feste, Matineen oder Parties gibt, zu denen internationale Gäste geladen werden. Plötzlich kommt der Frauentag in Sendungen wie "Seitenblicke" vor. Auch Firmen entdecken den Frauentag für sich und bieten "Frauentags-Specials" an, besondere Aktionen für Frauen an diesem Tag. Es beginnt die Kommerzialisierung des Frauentags. Parallel zu diesen Entwicklungen kommt der Feminismus an den Unis an, die Bewegung institutionalisiert sich. Das wirft die Frage bzw. auch den Vorwurf auf, der Feminismus sei nun ein akademischer geworden und kein politischer mehr.

In den 2000er Jahren setzen sich die Trends zur Institutionalisierung fort, gleichzeitig werden immer mehr Brüche in der Kategorie Frau sichtbar: Während es politisch immer mehr um die Migrantin geht und sich anhand der Frage des Kopftuchs ideologische Gräben auftun, geht es beim Frauentag selbst um die Frage von Transgender-Personen, ob diese auf einer "Frauendemo" mitgehen dürfen oder nicht.

Button des Frauenstaatsekretariat, 1986

Stichwort. Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, Wien

Zwölf Tage volles Programm: Der 100. Frauentag auf FM4

Der Frauentag hat hundert Jahre überlebt, trotz vieler Bedeutungs-wandlungen wird er immer noch von Politik, Institutionen, aber auch auf der Straße begangen. Indem der Frauentag nun im Museum angekommen ist, konserviert und archiviert ist, stellt sich die Frage, ob er damit auch noch immer zeitgemäß ist, sagte Maria Mesner bei der Eröffnung der Ausstellung "Feste.Kämpfe". Sie sei noch nie so oft gefragt worden, ob der Frauentag denn überhaupt noch gebraucht werde. Ihre Antwort: "Der Frauentag generiert Öffentlichkeit für die verschiedenen gesellschaftlichen Benachteiligungen von Frauen und in dieser Form hat er eine Berechtigung. Man könnte sich jetzt wünschen, dass er diese Berechtigung nicht mehr lange hat, aber solange diese Diskriminierungen und Benachteiligungen bestehen, hat er Sinn, und solange wird es ihn auch geben."