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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

3. 3. 2011 - 19:38

Fußball-Journal '11-14.

Der Pferdekutscher in der Dampflok - ratlos. Über das Engagement von Walter Schachner beim LASK. Eine kleine Taktik-Geschichte des jüngeren österreichischen Vereins-Fußballs.

Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und die Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.

Heute mit einer Nachlese/Analyse zum ersten Spiel von Walter Schachner als Trainer des LASK. Was automatisch zu einer Analyse der Rolle von Taktik/Systemen in der jüngeren heimischen Vereins-Geschichte nach sich zieht.

Ich bin völlig wahnsinnig, zugegeben, ja.
Es hätte Bayern - Schalke gegeben, live im ZDF (mit einer jetzt schon legendären Niederlage), dann wäre da der Schlager um die Tabellenführung gewesen (Austria - Sturm), oder ein Schweizer Cup-Viertelfinale zwischen YB und dem FCZ auf SRG-SF 2. Zeitgleich. Im Pay-TV wäre zusätzlich mit Ried - Innsbruck ein deutlich höherwertiges Spiel angestanden; und auch Kapfenberg - Salzburg, ein Spiel, das live nur 500, 700 oder 1.800 (die Angaben differieren) Menschen sehen wollten (kein Wunder, wer will sich schon eine lahme, uninspirierte und schleißig geführte Gastmannschaft wie Red Bull antun - nicht einmal daheim wollen das mehr viele, auch die mit Abos beschenkten Claqueure lassen zunehmend aus), war wohl deutlich höherwertig.
Ich, der Wahnsinnige, schau mir aber (via TV, live wäre die Auswahl ein wenig geringer gewesen) das eindeutig minderwertigste Spiel an, das im Angebot steht: LASK - Wr. Neustadt, das Duell der sportlich gegen die sportpolitisch schwächste Mannschaft.

Gut, ich habe einen guten Grund.
Es ist das erste Spiel des deutlichen Tabellenletzten LASK unter seinem neuen Trainer Walter Schachner. Die letzte Möglichkeit zu einer Aufholjagd zu blasen auf die de facto zehn Punkte Rückstand.

Die Vorgeschichte des LASK

Die Vorraussetzungen sind alles andere als günstig. Besser gesagt: ungünstiger geht es nicht.

Nach dem Gesamtaustausch des Teams im Sommer (fast zwanzig Abgänge und dreizehn Neuzugänge) kam der logische Absturz, weil es Trainer Kraft nicht gelingen konnte innerhalb kurzer Zeit eine völlig neue Mannschaft zu formen. Dazu kamen Grabenkämpfe innerhalb der Vereinsspitze, die mit dem Abgang der letzten Oppositionellen endete und die Alleinherrschaft von Präsident Peter Michael Reichel verfestigte. PML, aufgrund der zahllosen Fehlentscheidungen (nicht nur Krankl, Lindenberger oder Polster, sondern auch Personalien in anderen Bereichen, vor allem aber strukturelles Versagen in Bereichen wie der Sportmedizin oder der Kommunikation mit den Fans, um nur die alleroffensichtlichsten rauszugreifen) verhasst wie Mubarak am Tag des Zorns, holte einen neuen Coach, Georg Zellhofer, und schaffte es dem die Wintertransfers durch unsinnigste Einmischungen zu verderben - was einen Fehlstart ins Jahr 2011 zur Folge hatte.
Zellhofer, das ist bundesweit und sogar Menschen wie mir bekannt, ist ein Jammerer und Zweifler, der eine brauchbare Mannschaft dadurch besser machen kann (obwohl: bewiesen hat er das nur einmal, bei Pasching) aber ungeeignet für das Top-Level, in dem durchgeknallte Zirkuspferde selbstsichere Richtlinien brauchen, wo also mehr als nur gutes Coaching angebracht ist (und das war bei Rapid, letztlich auch bei der Austria, dem Komplettumfaller bei Ried, vor allem aber bei Altach der Fall).

Vor allem Altach hatte gezeigt, dass Zellhofer für den Abstiegskampf eher ungeeignet ist - trotzdem wurde er engagiert; wegen des guten Namens, und der Tatsache, dass Reichels Berater (die er tunlichst anonym hält) ihn empfohlen hatten. Dass es der vor allem auch politisch gut vernetzte Klaus Linderberger, der beim LASK sportlich auf das Furchterregendste herumpfuschte, ehe er sich selber in den arabischen Raum zum Kollegen Hickersberger entsorgte, war - nur ein Gerücht. Der als nützlicher Idiot für einen Versorger-Posten für Zellhofer missbrauchte PML hat nun am Montag wieder einmal die Notbremse gezogen - seit Reichels Amtsantritt im Februar 2000 ist Walter Schachner der (wenn man die Kurzzeit-Interimstrainer wegrechnet) 17. Coach des LASK, eine aberwitzige Bilanz der Inkontinuität, die zu sportlicher Inkontinenz führen muss.

Die Vorgeschichte von Walter Schachner

Für Schachner ist es, nach fast einem beschäftigungslosem Jahr, der erste Job seit dem Ende bei der Admira. Walter Schachner, 78er-Legende, der einzige Gerechte, der 82 die Schande von Gijon verhindern wollte, hat in Italien bei Cesena, Torino und Avellino gelernt, was ihn als Coach bei Kärnten, aber vor allem in seiner großen Zeit 2002 bis 2006 bei der Austria und dem GAK zu Geltung verholfen hat: eine internationale Ausrichtung - innerhalb der österreichischen Trainerzunft eine unerhörte Ausnahme.

Schachner verinnerlichte seine Erfahrungen aus dem Italien von Mitte/Ende der 80er - und orientierte sich am damals effektivsten und besten System, einem 4-4-2 mit zwei Ketten, also zwei zentrale Defensiven im Mittelfeld - das von Arrigo Sacchi mit der damals (gemeinsam mit der FC Sao Paulo) weltbesten Mannschaft, dem AC Milan Ende der 90er zur Perfektion gebracht wurde.

Nachdem Schachner damit in Österreich Eindruck gemacht hatte, kopierte ihn in den folgenden Jahren die damals jüngere Trainer-Generation. Das wirkt bis heute. Pacult greift auf dieses 4-4-2 zurück (wiewohl er doch das Zulassen des Hofmann-Lochs belegt, dass er es nicht verstanden hat), Daxbacher spielte es lange Zeit, ehe er sich im Vorjahr über anderes drübertraute (und erst damit zur technisch und spielerisch besten Mannschaft aufsteigen ließ), Franco Foda praktizierte lang ein verwandtes 4-4-1-1, und auch Georg Zellhofer tat nichts anderes.

Erst als ihm jüngst das Wasser bis zum Hals stand, probierte Zellhofer Varianten (eine Art 4-3-3 nach italienischen WM-Vorbild von 06, ein 4-5-1, zuletzt noch andere, sogar fast schon verrückte Dinge) aus - die aber aus den erwähnten Gründen des inexistenten Teamaufbaus nicht funktionieren konnten.

Wo das Schachner-System seinen Ursprung hat

Folgerichtig engagierte Reichel nun das Original, den Apogeten eines flachen und vorsichtigen 4-4-2, Walter Schachner.

Allerdings: die letzten Erfolge mit diesem System (aus den 80ern) liegen schon deutlich (über fünf Jahre) zurück, weshalb sich mittlerweile selbst im gegen taktische Fragen allergischen heimischen Journalismus kritische Fragen eingestellt haben. Zitat aus dem Kurier vom Dienstag: "Als stur, wenig flexibel gilt Schachners grundsätzliche taktische Idee. 'Das stimmt. Zum Teil. Denn, wenn eine Mannschaft mein 4-4-2- System beherrscht, ist es das flexibelste auf der Welt. Die Spieler müssen es nur wollen', meint der Steirer. Aber all dies sei das Produkt eines langen Trainingsprozesses."

Das hat wenig Klasse. Die Spieler müssen ein mittlerweile antiquiertes System nur wollen, denn was einmal bei Sacchi richtig war, muss immer richtig sein - das ist der Walter Schachner 2011. Ein Trainer, der sich in die von Huub Stevens völlig richtig in der Vorkriegs-Zeit verorteten Austro-Riege einordnet, neben Leuten wie Krankl oder Weber.

Mittwoch abend: LASK gegen Neustadt

Nun zur gestrigen LASK-Praxis.
Nicht der Fans, die entweder nicht im Stadion waren (knapp über 2000 zu einem Trainer-Debut? Das ist ein Irrsinn, die schlimmste Demütigung, die man seinen Funktionären antun kann) oder wenn doch, dort mit bedachter Stille (die nur für ein paar Reichel-Raus-Choräle ausgesetzt wurde) vorgingen.
Mehr aneinander vorbeileben als in Linz geht nicht.

Zum Match: man lief, wenig überraschend, in einem flachen 4-4-2 mit zwei zentralen Defensiven (Majabvi und Aufhauser) zwei Ketten und zwei Spitzen auf. Das Personal setzte dem Vernehmen nach Co-Trainer Michael Baur, ein klassisch wertkonservativer Paladin ohne großen strategischen Esprit. Dass Schachner auf die besten Kräfte für seine vorgezeichneten System-Positionen bestand, beweist der Einsatz von Florian Hart, der noch nicht völlig fitt mit Gesichtsmaske spielte. Die zweite Spitze hieß Lukas Kragl.

Und weil Fußball ein Sport der Folgerichtigkeit ist, entlarvte sich die taktische Untüchtigkeit dieses in die Jahre gekommenen Systems sofort von selber. Weil Schachner und Baur vier Leute in die Zentrale setzten, die dort heute nichts mehr zu suchen haben, zwei Innenverteidiger und zwei Zentral-Defensive, die Antreiber-, Ausputzer- und Wegschlager-Kompetenz haben, aber über keinerlei Aufbau-Qualität verfügen, weil die Außenverteidiger (wie in fast ganz Österreich) den heutigen Ansprüchen nicht einmal im Ansatz genügen, weil die beiden Spitzen durch dieses System komplett in der Luft hängen und somit der gesamte kreative Druck auf den offensiven Außenspielern liegt.

Die strategischen Fehler im System

An denen dokterte der System-Coach dann auch herum: Kaufmann und Atan kamen für die linke Seite statt Haris Bukva (der bei Sturm in einem deutlich gelungener installierten Misch-System gut spielte, in Linz aber nur scheitern kann). Als dann der offensive Duro für Majabvi eingewechselt wurde, blitzte kurz so etwas wie Hoffnung auf - dass Duro einen zentralen Spielmacher geben könnte, der den jetzt als hängende Spitze zweckentfremdeten Leo Kaufmann und den nunmehr als Stoßstürmer agierenden Tenesor (gemeinsam mit Hart auf der rechten und Atan an der linken Flanke) in Szene setzen könnte.
War aber nicht.
Duro musste neben Aufhauser in die hintere Zentrale, Kaufmann vor in die Spitze - das OM-Loch klaffte, wie immer, wenn das milanesische 4-4-2 von jemandem, der sich taktischer Weiterbildung verweigert, vergangenheitselig interpretiert wird.
Prompt erzielte Neustadt den Siegtreffer, konnte der LASK nach dem Duro-Wechsel keine einzige Torchance kreieren.

Am Tag nach dem Spiel redet sich Schachner, wie schon vor dem Spiel angedeutet, heraus, verwies auf Plattitüden wie Kampfbereitschaft und Leidenschaft, bezeichnete alle drei Gegentore als Zufallstreffer und Geschenke (ohne dabei auf seine beiden Tore, einen glücklichen Abstauber und einen geschenkten Elfmeter, zu referenzieren). Das groteske Zitat im Wortlaut: "Es waren drei Geschenke heute, das muss man analysieren. Da kommt mein System noch nicht zum Tragen."
Die vollmundigen Vorankündigungen: wertlos.

Vorkriegs-Bierkutscher und Dampflok-Rambos

Wird es auch den Rest der Saison nicht - weil ein überwuzelter Plan ncht einmal mehr im taktischen Niemandsland Österreich greifen wird. Daxbacher, Gludovatz, Foda, Kogler, Gregoritsch, natürlich auch der gestrige Gegner Schöttel und selbst der weinerliche Beißer Stevens sind wesentlich weiter im 21. Jahrhundert drin als die Vorkriegs-Generation. Fußnote: dass sich Huub Stevens mit diesem Sager die Feindschaft eines Teils des Boulevards (Österreich backt Krankl offen, die Krone heimlich) zugezogen hat, wird noch interessante Folgen haben.

Der Dampflokführer im TGV - so wollte ich die Geschichte eigentlich übertiteln. Dann ist mir aufgefallen, dass es eigentlich lächerlich ist die Niederungen der heimischen Bundesliga mit einem grandiosen Schnellzug gleichzusetzen. Deswegen heißt es jetzt: der Pferdekutscher in der Dampflok.

Die vollanalogen Bierkutscher aus dem vorigen Jahrtausend beherrschen nicht einmal die bereits auch schon untergegangene vorletzte Technik - weshalb sich der Rückstand auf die digitale Generation Tuchel-Klopp-Slomka-Dutt, die gerade die deutsche Bundesliga aufmischt, exponential vergrößert. Das hat sogar schon der Dampflok-Rambo Stevens gemerkt - umso schlimmer, dass sich Verantwortungsträger in der heimischen Liga immer noch vom Vorkriegsmief wegbluffen lassen.