Erstellt am: 3. 3. 2011 - 15:19 Uhr
The Piano Man
Ben Folds live in Wien:
- 5.3. Museumsquartier, Halle E+G
Eines Tages bekommt der US-Songwriter und Pianist Ben Folds eine E-Mail von dem britischen Bestseller-Autor Nick Hornby. Inhalt: "Hey, ich mag deine Musik sehr, vor allem den Text zu deinem Song 'Smoke'". Ben Folds schreibt zurück: "Wow super, nur leider ist der Text nicht von mir. Ich leite dein Mail an den weiter, der den Text geschrieben hat."
Autsch, dumm gelaufen.
Ben Folds
Zum Glück ist Ben Folds keiner, der sich gleich in seinem Ego angegriffen fühlt. Ganz im Gegenteil, dieses Kompliment von Hornby, das keines war, wird der Startschuss einer fruchtbaren Zusammenarbeit, durch die mir Ben Folds kürzlich wieder ins Gedächtnis gerufen wird.
Für das Album "Lonely Avenue" macht Ben Folds das, was er am besten kann: Er schreibt die Melodien und lässt Nick Hornby dazu Songtexte verfassen. Ein unglaublich spannendes Projekt, da durch die Instanz Nick Hornby das Gesamtwerk "Popsong" in seine Einzelteile zerlegt und so größeres Augenmerk auf die Songtexte gelegt wird. Auf diese Weise werden unglaublich schöne, wie auch tragische Geschichten erzählt. Niemand könnte dazu bessere Melodien schreiben, als Ben Folds.
Jetzt könnte man meinen, Ben Folds erinnere nicht nur wegen der Tatsache, dass er nicht alle Texte selbst schreibt, an Elton John. Aber tatsächlich ist die musikalische Verwandtschaft zu Elton John oder Billy Joel das größte Kompliment, das man Ben Folds machen könnte. Aufgewachsen in North Carolina hört der junge Benjamin Scott Folds schon früh Songs von Elton John im Radio, ist in seinem eigenen musikalischen Bestreben immer auf der Suche nach der perfekten Melodie. Am Piano zu sitzen und rumzuklimpern ist aber nicht gerade das, was sich die Indie-Kids unter "cool" vorstellen, also dauert es noch viele Jahre bis Ben Folds mit seiner Gruppe Ben Folds Five einen Plattenvertrag bekommt. Auf fünf Alben und Glanzstücken wie "Whatever and Ever Amen" oder "The Unauthorized Biography of Reinhold Messner" lassen sich solch Perlen wie "Army" oder "Brick" finden.
Wenn man Ben Folds so betrachtet, denkt man automatisch, dass das ein unglaublich lieber Kerl sein muss. Mir fällt international kaum eine vergleichbare Größe ein, die ähnliche Sympathiebekundungen evoziert. Aber tatsächlich ist Ben Folds auch ein ausgesprochenes musikalisches Genie, seine unzähligen Arbeiten mit anderen MusikerInnen beweisen das. Dass er mit so unterschiedlichen Charakteren wie Amanda Palmer, William Shatner (für den er auf dessen Soloalbum "Has Been" produziert, arrangiert und mitspielt), Regina Spektor und "Weird Al" Yankovic klarkommt, liegt sicher auch an seiner unkomplizierten Art.
Der Mann hat auch Humor. Vor einigen Monaten etwa tritt ein sogenannter "Merton" auf der Internetplattform "Chatroulette" auf. Er trägt eine Nickelbrille, versteckt sich hinter einer Kapuze und wenn man ihn im Roulette trifft, spielt er jeden Song am Piano, den man sich wünscht. Ist das Ben Folds? Naaah. Aber das was Merton kann, kann Ben Folds schon lange: aber live in Concert. Herrlich, wie blöd Leute am anderen Ende der Leitung schauen können.
Das Web 2.0 hat es Ben Folds ohnehin seit Jahren angetan. Er ist der Erste, der ein Konzert live auf MySpace übertragen lässt, voll mit improvisierten und gefakten Aktionen, inklusive eines vorgetäuschten Selbstmordversuches gegen Ende und einem "Balkonsturz", der natürlich auch nur gespielt war. You've been pranked!
Apropos Fake: Für sein Album "Way to Normal" pfeift Folds auf die Tücken des Internets und leaked sein Album selbst. Allerdings handelt es sich nicht um das richtige Werk. Wie sich später herausstellt, parodiert sich Ben Folds für den Leak selbst und nimmt überhöhte Fake-Versionen seiner eigenen Songs auf. Inklusive einem völlig absurden Albumcover und so grandiosen, nicht ernst zunehmenden Titeln wie "The Bitch Went Nuts". Awesomeness.
Das Arge ist: Da hat man schon Schlimmeres gehört.
Wer Ben Folds in seiner Größe, mit all seinen Irrungen, Wirrungen und großartigen Melodien live sehen will, der sollte am 5.3. im Wiener Museumsquartier vorbeischauen. Das wird einmalig.
Und das ist übrigens das von Nick Hornby fälschlich gelobte "Smoke".