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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

2. 3. 2011 - 11:15

Frohe Baba Marta

Am 1. März feiern die Bulgaren das Kommen von Baba Marta und verschenken rot-weiße Bändchen, genannt „Martenitza“. Laut dem Volksglauben ist der Monat März der einzige Monat, der als Frau personifiziert wird.

Man kann die Bulgaren, die seit Jahren im Ausland leben, nur schwer erkennen. Die meisten, die Bulgarien verlassen, sind der Meinung, dass die größte Schuld an ihrem Missgeschick in der Heimat ihre Landsleute tragen. Als ich mich auf den Weg nach Wien gemacht habe, sagte mein Vater zu mir: „Halt dich fern von anderen Bulgaren.“ Einen ähnlichen Ratschlag bekommen viele. So etwas wie eine bulgarische "Migrantencommunity" exisitiert nicht in dem Sinne wie bei anderen Balkanvölkern. Ich habe in Wien einige ältere Bulgaren getroffen, die noch in den 60er oder 70er Jahren ihr Heimatland verlassen haben. Viele haben die bulgarische Sprache bewusst vergessen und Bulgarien nie wieder besucht. Nur in einem einzigen Monat des Jahres verschmelzen alle Bulgaren von Wien bis nach Sidney zu einem Volk. Der Grund dafür ist ein kleines, rot-weißes Bändchen, das alle ab dem 1. März an ihrer Hand oder Kleidung tragen – die „Martenitza“.

Hand, um die ein rot-weisses Bändchen gebunden wurde

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Das Tragen der „Martenitza“ ist ein Brauch, der schon seit der vorchristlichen Zeit in Bulgarien existiert. Laut Volksglauben ist der Monat März der einzige Monat, der als eine Frau personifiziert wird. „Baba Marta“ (Oma Marta) ist bekannt für ihren launischen Charakter. Der Legende nach haben Januar und Februar, bekannt als der große und der kleine „Sechko“, in den Sachen von Baba Marta rumgewühlt und ihr den Wein weggetrunken. Als sie es bemerkte, wurde sie ganz böse auf ihren Brüder. Sie ließ sich aber schnell wieder besänftigen, denn Familie ist Familie und man kann sie sich nicht aussuchen. Das erklärt die raschen Wetterwechsel im März. Wenn es ganz kalt wird, erinnert sich Baba Marta an den gestohlenen Wein, wenn sich aber die Sonne wieder zeigt, vergibt sie die Sünde ihrer Säuferbrüder.

Am 1. März feiern die Bulgaren das Kommen von Baba Marta und schenken sich rot-weiße Bändchen, genannt „Martenitza“. Sie werden getragen bis man den ersten blühenden Baum oder einen Storch sieht. Dann ist der Frühling endgültig gekommen, Baba Marta hat ihren Brüdern vergeben und die Martenitza wird anschließend an den blühenden Baum gehängt oder unter einem Stein versteckt. Das soll Glück für den Rest des Jahres bringen.

Rotes Band, das an einen Ast geknüpft wurde

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Das Anfertigen und das Verkaufen von den Martenizi hat sich schon längst zu einem etablierten Saisonwirtschaftzweig in Bulgarien entwickelt. Mein Freund Andrej verkauft Martenitzi jedes Jahr zwischen dem 15. Februar und dem 1. März. Früher auf der Straße, jetzt in einem gläsernen Shopping Center, genannt „The Mall of Sofia“. Das Sortiment der Ware hat sich entwickelt – neben den traditionellen Bändchen und „Pizho und Penda“ (männlicher und weiblicher Martenitzaheld) werden Martenitzi mit Popstars, Sportlern und Politikern verkauft. Letztes Jahr war, laut Andrej, eine Martenitza mit dem bulgarischen Premierminister Boiko Borissov der größte Hit. Zwei Jahre nach den Wahlen hat aber die Begeisterung für die Borissov-Martenitza nachgelassen.

Viele Bulgaren im Ausland versuchen sich von ihren Landsleuten fern zu halten. Schließlich sind sie daran schuld, dass sie ihre Heimat verlassen haben. Am 1. März bindet man sich aber immer ein rot-weißes Band um die Hand. Genau wie Baba Marta, die ihren Brüdern vergibt, das sie ihr den Wein ausgetrunken haben, versuchen sie Bulgarien zu vergeben. Schließlich kann man sich auch den Geburtsort nicht aussuchen.