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Sarah Seekircher

(Sub-)Urbia und Überall. Reportagen, Hörspiele und andere Hauptsächlichkeiten.

25. 3. 2011 - 13:09

Tod in Tunesien

Ein (teils) in Tunesien angesiedelter Roman, der aber in Deutschland bleibt: "Das Wüstenhaus" von Gernot Wolfram

Gernot Wolfram, 1975 in Zittau in Sachsen geboren, arbeitet als Autor und Journalist. 2003 erschien bei DVA sein Erzählungsband "Der Fremdländer" und 2005 sein Debütroman "Samuels Reise". Er lebt in Berlin und Kufstein.

Vor kurzem haben die Tunesier ihren Langzeit-Herrscher Ben Ali aus dem Amt gejagt; das nordafrikanische Land wurde zum Ausgangspunkt für die Umrbüche im arabischen Raum. Über das kleine Tunesien war bis dahin (und ist immer noch) wenig bekannt. Am allerwenigsten darüber, wie sehr es in diesem Land gebrodelt haben muss - aus Unmut über Unfreiheit und Diktatur. Auch Gernot Wolframs Roman "Das Wüstenhaus", der teilweise in Tunesien spielt, macht diesbezüglich nicht schlauer. Seine ProtagonistInnen - die 17-jährige Maja und ihre Eltern aus Deutschland - bekommen so wenig vom Land mit wie die meisten TouristInnen auf tunesischen Ferieninseln: Sie urlauben abgeschottet in einem Hotel am Strand, Kontakt zur einheimischen Bevölkerung gibt es kaum.

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Gernot Wolfram: Das Wüstenhaus (erschienen im Februar 2011 im DVA-Verlag)

Die wenigen Begegnungen von Maja und ihren Eltern mit InselbewohnerInnen beschränken sich auf eher bedrohliche Erlebnisse. Zum Beispiel, als Maja joggen geht und von einer Gruppe junger Burschen verfolgt wird. Die unheimliche Stimmung, die über der Insel liegt, lässt schon erahnen, dass bald ein Unglück geschieht: Majas Eltern kommen bei einem Anschlag auf die Al-Ghriba-Synagoge - ein Hauptanziehungspunkt für TouristInnen auf der Insel - ums Leben. Der Anschlag im Buch ist an einen realen angelehnt: 2002 sterben bei einem Attentat auf ebendiese Synagoge auf der Insel Djerba 21 TouristInnen, darunter 14 Deutsche. Später bekennt sich die Al-Kaida zu der Tat.

Um jenes Brodeln in (kleinen) Teilen der tunesischen Gesellschaft, das sich in islamistischem Terror kanalisiert, geht es in diesem Buch aber nur am äußersten Rande. Maja - die durch einen Zufall dem Anschlag entgeht - interessiert sich nicht für die Attentäter und die Ermittlungen gegen diese. Denn Maja lastet das Unglück weniger einem abstrakten islamistischen Terror-Netzwerk an als einem jungen deutschen Journalisten, der im selben Hotel abgestiegen ist wie ihre Familie. Der sich mit ihr und ihren Eltern angefreundet hat, für den sie sogar ansatzweise romantische Gefühle entwickelt hat - und der dem Vater schließlich den unheilbringenden Tipp für die Besichtigung der Synagoge gegeben hat.

"Das Wüstenhaus" wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt: zu einem weiten Teil von Maja selbst, die einen langen Brief an den Journalisten schreibt, aber auch von Majas Onkel, der sich ebenfalls in einem Brief an den Journalisten wendet, und kapitelweise von einem neutralen Erzähler. Irritierenderweise sind sowohl die Briefe und als auch die Schilderungen des neutralen Erzählers alle im selben Stil geschrieben.

Jahre nach dem Attentat trifft Maja den Journalisten wieder, er weiß noch nichts vom Tod ihrer Eltern, ist er doch damals unmittelbar vor dem Unglück abgereist. Nun soll er endlich von der Schuld erfahren, die in Majas Augen auf ihm lastet. Sie überreicht ihm einen Brief, in dem sie die Begebenheiten und Zufälligkeiten niedergeschrieben hat, die dafür gesorgt haben, dass ihre Eltern Opfer des Anschlags wurden: Maja wächst behütet als einziges Kind eines Lehrer-Ehepaares auf. Zwischen den Eltern kriselt es schon seit längerem. Dann will Maja zum ersten Mal ohne ihre Eltern verreisen, die sind allerdings dagegen. Als Kompromiss beschließen sie, in diesem Sommer noch ein letztes Mal zu dritt auf Urlaub zu fahren - nach Tunesien. Der Urlaub soll außerdem helfen, die Ehe der Eltern zu kitten. Dann kommt der Journalist in Form einer Urlaubsbekanntschaft ins Spiel, der die alles entscheidende Empfehlung ausspricht.

Der Autor und Journalist Gernot Wolfram erzählt in "Das Wüstenhaus" zwar eine spannende Geschichte über unvorsätzliche Schuld, leider aber wenig über die Zeit und die gesellschaftlichen Probleme, die er eigentlich streift. Die Themen Terrorismus oder die politische Situation in Tunesien blitzen zwar durch, aber zu schwach, um dem Buch mehr Substanz zu geben.