Erstellt am: 28. 2. 2011 - 22:00 Uhr
Journal 2011. Eintrag 46.
2011 ist Journal-Jahr - wie schon 2003, 2005, 2007 und zuletzt 2009. Rechnet man das Fußball-Journal '11 dazu bedeutet das einen täglichen Eintrag, Anregungs- und Denkfutter inklusive.
Zumeist werden sich hier Geschichten/Analysen finden, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit angewandter Medien-Kritik - wie man beim Standard in eine selbstgestellte und billige Rassismus- und Empörungs-Falle getappt ist.
Die FM4-Kollegin Claudia Unterweger moderiert seit kurzem auch im ORF-Fernsehen, den ZiB-Flash. Das ist eine Meldung, die intern bei uns selbstverständlich ein Thema war - und zur Premiere letzten Montag hat sich die gesamte anwesende FM4-Redaktion vor einem TV-Gerät versammelt, andächtig gelauscht und anschließend fröhlich applaudiert.
Für die Printmedien war die Meldung schon mehr wert, scheinbar ist praktisch alles, was bildschirmwirksam passiert, eine berichtenswerte Neuigkeit. Wobei: neue Kolumnisten oder Ressortleiter anderer Medien geben keine Spalten her - das Fernsehen hingegen zerrt die Motten ans Licht.
Die meisten copypasteten die trockene offizielle Bekanntgabe.
Ein paar haben sich auch richtig was überlegt, journalistisch: der Kurier etwa thematisierte den Karriereweg-Klassiker Radio -> Fernsehen.
Andere schoben nach der puren Meldung noch eine in süffigen Anspielungen gehaltene Interpretation nach und thematisieren etwas, was auch nur im Fernsehen Bedeutung hat: die Hautfarbe.
Die ist im Print- oder Radio-Bereich nämlich ganz schön egal.
Die Normalität des "Farbfernsehens"
In derselben Tageszeitung, die Claudia Unterweger den Kopf des Tages unter einem Titel, dessen Wortspielerei knapp am Rassismus entlangschrammt, widmete, erschien nun am Wochenende noch ein Beitrag. Eine Empörung. Eine Empörung darüber, dass der neue Moderations-Job nicht "mit peinlichem Schweigen" und als "verspätete Selbstverständlichkeit" reportiert worden wäre, sondern "als antirassistischen Durchbruch" gefeiert worden wäre.
Das kommt mir nun aber seltsam vor.
Von diesem Durchbruch war nämlich nirgendwo die Rede, weder beim Aussender noch bei den eilfertig reagierenden Printmedien. Die einzige größere Thematisierung des Themas "woman of colour" (um Halle Berry zu zitieren) fand just im selben Medium, dem Standard eben, statt.
Richtet sich der Protest des Autors, eines Schriftstellers und Musikfestivalleiters namens Richard Schuberth, der bislang nur mit einem tatsächlich recht kleinen Pamphlet gegen Stermann & Grissemann auffällig geworden war, also gegen das Medium, in dem er veröffentlicht?
Vielleicht.
Man weiß es nicht - so unpräzise ist der Kommentar, dessen finale Aussage dann in einem absatzlangen Zitat aus einem TV-Media-Interview besteht, formuliert.
Man weiß es solange nicht, solange man sich dem Text über seine Online-Version nähert.
Abgeschmackte Mohren-Symbolik
On paper jedoch, in der Wochenend-Ausgabe ist der Adressat klar - nicht durch Schuberths Text, sondern durch eine beigestellte Zeichnung: das ORF-Logo mit dem durchgeschobenen Meinl-Signet.
Da wird es dann unappetitlich.
Nicht nur weil es eben Claudia Unterweger war, die die Will i Mohr-Debatte von 09 losgetreten hatte und damit mehr Bewusstseinsbildung erreicht hatte, als alle Sonntagsredner (und den Standard als freundlichen Nachzieher) zusammen.
Das kann man schon vergessen oder übersehen.
Unappetitlich ist das, was hier insinuiert wird: dass nämlich der ORF sich mit einem abgeschmackten Symbol schmücken würde.
Wir erinnern uns: die einzigen, die den simplen Fakt von Unterwegers beruflicher Erweiterung in einen Migrations-Kontext gestellt hatten, waren die Printmedien, allen voran der Standard. Ein Fakt, den Schuberth in seinem Text richtigerweise anklagt - weil es natürlich absurd ist eine Österreicherin, die zufällig einen afrikanischen Vater hat, in einen Migrations-Kontext zu zerren.
Von all dem findet sich in den ORF-Aussendungen nichts. In den Presse-Berichten, vor allem denen des Standard, aber viel.
Empörungsbewirtschaftung mit Seich-Faktor
Dass die von der Redaktion in Auftrag gegebene graphische Montage von Beigelbeck ganz bewusst und wohl wider besseren Wissens das satte Gegenteil darstellt, das ist dann doch ein wenig grauslich.
Und so gehen die mittlerweile nur noch Privat- und Wirtschaftbürger bewirtschaftenden bürgerlichen Medien mit Qualitätsanspruch sich selber in die Falle. Ihre Empörungsbewirtschaftung geht nach hinten los, ihre Erregung enttarnt sich selbst als pure Heuchelei.
Wer so offen ist, Gastkommentatoren die eigene Heuchelei, die eigene Herangehensweise kritisch kommentieren zu lassen, der sollte auch den Mumm haben, sich nicht mit offenkundigen Ablenkungstricks aus der Verantwortung zu stehlen und aus guter Gewohnheit halt einen Konkurrenten, den man eh dauernd mit Seich versieht, zum Sündenbock zu machen.
Das ist billig und alles andere als qualitätsvoll. Und gerade angesichts eines wichtigen Themas, bei dem sich die Medien in ihrer Gesamtheit bisher mit genau gar keinem Ruhm bekleckert haben, das ganz falsche Aufmarschgebiet.