Erstellt am: 1. 3. 2011 - 11:22 Uhr
Von bösen und guten ETs
Wenn ich an meine Kindheit auf dem Land zurückdenke, dann fällt mir immer auch eine meiner damaligen Lieblingsbeschäftigungen ein. Gelangweilt von der schnöden Realität genoss ich es, bei Spaziergängen oder auch zu Hause auf der Terrasse gefühlte Ewigkeiten in den Nachthimmel zu starren. Einen weiten, offenen, von Häuserschluchten unverstellten Himmel.
Und ich wartete und hoffte. Nicht auf ein religiöses Zeichen. Sondern auf die kleinste Andeutung einer silbernen Scheibe oder eines funkensprühenden Kreisels. Oder auch nur den Hauch eines unidentifizierbaren Flugobjekts. Die irdische Wirklichkeit mit ihrem banalen Alltagstrott, die war mir als kleiner Bub einfach nicht genug. Irgendetwas anderes, aufregenderes, außerirdisches musste da draußen in der klaren Sternennacht doch warten.
Dabei war die Hoffnung auf Besuche from outer space stets mit einer wohligen Gänsehaut gepaart. Kleine grüne Männchen mit friedlichen Absichten interessierten mich keine Sekunde. Ich wünschte mir, als Kontrast zur provinziellen Fadesse, die große Alien-Apokalypse.
UIP
Marsmenschen greifen an
Wenn ich nicht gerade aus dem Wald einen imaginären Godzilla auftauchen sah, der die steirische Landschaft zerstampfte, dann träumte ich von fliegenden Untertassen, die mit Laserstrahlen diverse Bauernhöfe in Schutt und Asche legten. Ich stellte mir schreiende Landwirte vor, brennende Kühe (grässlich eigentlich) und wie das österreichische Bundesheer mit Spielzeugpanzern in der Kleinstadt aufmarschiert.
Natürlich wurden solche ein klein wenig seltsamen Fantasien von einschlägigen Pulpquellen gespeist. Neben Comics und Schundromanen befriedigte das Science-Fiction-Kino in allen Varianten die verquere Sehnsucht nach der Invasion aus dem All. Und auch Fernsehserien wie die geniale britische TV-Saga "U.F.O." nährten meine Obsession.
Seinen ersten massenwirksamen Peak hatte das Thema der außerirdischen Aggressoren dabei schon in den fünfziger Jahren. Der kalte Krieg, die Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung, die Bedrohung durch die Atombombe, all das sorgte in den USA für ein Klima der konstanten Paranoia. Und diese beklemmende Atmosphäre kam Hollywoods Produzenten gerade recht. Statt finsteren Russen schickten sie feindliche Marsmenschen in den Krieg gegen die amerikanischen Werte.
Sony
Auf Wiedersehen, Los Angeles
Dass heuer nun dieses klassische Invasionskino ein auffälliges Comeback feiert, verwundert keinen Augenblick lang. 2011 regieren zwar gänzlich andere Feindbilder und Gefahrenszenarien. Aber die Welt ist mehr denn je von Unruhen und Chaos geprägt.
9/11 ist bereits seit einer Dekade Geschichte, doch ein Gefühl ist im Kernland der Popularkultur bleibend zurückgeblieben: Auch God's own country ist vor Angriffen nicht gefeit. Und die kommen wieder geballt aus dem Weltraum. In "Battle: Los Angeles" wird die Westküstenmetropole ohne Vorwarnung von einer außerirdischen Armee in Schutt und Asche gelegt. Mutige Soldaten, unter ihnen Aaron Eckhart und die einschlägig erprobte Michelle Rodriguez, versuchen der panischen Zivilbevölkerung zu helfen.
Der Film des bisher nur durch vernachlässigbaren Hochglanz-Horror-Schrott aufgefallenen Jonathan Liebesman lässt Jubelpatriotismus und wehende Flaggen befürchten. Zumal das US-Militär in die Produktion angeblich noch mehr eingebunden war als in die letzten Machwerke von Michael Bay. Im besten Fall könnte uns aber ein sinnfreies, doch packendes Actiondrama mit virtuosen Spezialeffekten erwarten, gefilmt in der beliebten Wackelkamera-Ästhetik.
Centralfilm
Monster aus dem All
Bereits angelaufen ist das Invasionsspektakel "Skyline", von dem ich mir ebenfalls bombastische Schlachtszenen en masse erhofft habe. Die liefert der Film der beiden Effektspezialisten Colin und Greg Strause sogar wirklich. Leider muss man auch die hirntoten Storyansätze ertragen, die an das karge Handlungsgerüst in einem Pornostreifen erinnern.
Das Allerunsympathischste: Anstatt sich gleich zum trashigen Charme klassischer C-Movies und Direct-to-DVD-Veröffentlichungen zu bekennen, wollen die Strause-Brüder in der großen Liga mitspielen und pimpen ihr Computergame-Demo zum Fake-Blockbuster auf.
Dabei sollten Low-Budget-Regisseure, wenn sie ohnehin unabhängig vom Druck Hollywoods agieren, eigene Visionen entwickeln. Siehe die hier ohnehin schon massiv gelobte Billigstproduktion "Monsters", die einen gänzlich anderen Ansatz wagt. Die außerirdische Invasion wird zum Aufhänger einer poetisch-elegischen Meditation über das Fremdsein an sich. Ein paar gruselige Destruktionsszenarien, die an die infantilen Fantasien meiner Kindheit erinnern, hat der Film aber auch zu bieten.
Disney
Superkids from far away
Gänzlich mysteriös mutete lange Zeit der neue Streifen von Wunderwuzzi J.J. Abrams an. Der Schöpfer von Serien wie "Lost" und Wiedererwecker des "Star Trek"-Mythos verkündete strikte Geheimhaltung rund um seinen Science-Fiction-Thriller "Super 8". Erste Teaser im Netz ließen auf ein gefangenes außerirdisches Wesen schließen, das aus der berüchtigten Area 51 entkommt und eine Kleinstadt bedroht.
Der aktuelle Trailer und dazugehörige Gerüchte weisen aber in eine ganze andere Richtung. Was auch immer sich da aus einem Eisenbahnwaggon der Armee befreit, hat zwar immense Kräfte, ist allerdings nicht notgedrungen böse. Anscheinend gewährt eine Gruppe niedlicher Provinzkinder, angeführt von der fantastischen Elle Fanning, dem fremden Wesen Unterschlupf. Alle Zeichen, erst recht die Filmmusik, deuten auf einen "E.T." für die Zehnerjahre, passenderweise taucht ein gewisser Steven Spielberg als Koproduzent in den Credits auf.
Nicht ganz unverwandt erscheint die Geschichte eines anderes Aliens auf der Flucht, der in der Gestalt eines hübschen Teenageschnuckels irgendwo in Ohio untertaucht. Verfolgt von einer Killertruppe aus dem All, versucht der mit Superkräften ausgestattete Junge irdischen Kontakten aus dem Weg zu gehen. Weil die Jugendbuchverfilmung "I Am Number Four" aber als Konkurrenz zur schwülstigen "Twilight"-Serie angelegt ist, scheitert er natürlich an diesem Vorhaben - und verfällt einer fragilen Blondine. Wir lernen: Gut aussehende sensible Außerirdische sind die neuen Vampire.
UIP
Viel Rauch um Paul
Während der wieder omnipräsente Onkel Spielberg auch bei "I Am Number Four" die Fäden hinter den Kulissen zieht, hat er einen anderen kommenden Film bloß maßgeblich inspiriert. E.T., der süße kleine Alien, der ständig nach Hause telefonieren wollte (und den ich wegen meines von schleimig-bedrohlichen Alienfratzen dominierten jugendlichen Weltbilds gar nicht leiden konnte), ist die Vorlage für die viel versprechende Sci-Fi-Comedy "Paul".
Zwei britische Fanboys reisen durch das Amerika ihrer Geekträume und machen auch in der erwähnten Area 51 halt. Tatsächlich treffen sie dort auf einen Besucher von einem fernen Planeten. Der drollige Kerl heißt Paul und erinnert verblüffend an bekiffte, ständig Unfug faselnde Herumtreiber in einschlägigen Slackermovies.
Dank Regisseur Greg Mottola, dem wir neben dem derben Coming-of-Age-Klamauk "Superbad" vor allem das unterschätzte Meisterwerk "Adventureland" verdanken, und dem genialen britischen Komikerduo Simon Pegg und Nick Frost in den Hauptrollen sind wohl nicht nur meine Erwartungen sehr hochgeschraubt. Ach ja, Bill Hader und Kristen Wiig sind ebenfalls dabei.
Disney
Im Westen viel Fremdes
Ohne Außerirdische geht auch im Wilden Westen nichts. In "Cowboys & Aliens" unternehmen Kreaturen aus dem All bereits im Jahr 1873 einen Angriff auf Amerika, aber eine Gruppe mutiger Kuhbuben stellt sich ihnen in den Weg. Daniel Craig, Harrison Ford und Sam Rockwell spielen unter der Regie von "Ironman"-Regisseur Jon Favreau an der Grenze von Action, Drama und comichafter Ironie. Mal sehen, ob das funktioniert.
Auch Ridley Scott höchstpersönlich begibt sich zurück in die Zukunft. Was eine gute Idee sein könnte, wenn man sich die Filmografie des Herrn anschaut und entdeckt, dass ihm eigentlich nach "Blade Runner" anno 1982 kein weltbewegendes Werk mehr gelungen ist.
"Prometheus" heißt Scotts höchst aufwändig angelegtes Science-Fiction-Epos, das ursprünglich als Prequel zu seinem originalen "Alien"-Schocker angelegt war, mittlerweile aber als ganz eigenständige Anti-Utopie gehandelt wird, monströse Weltraumkreaturen inklusive. Allerdings kommt die Geschichte, die gerade sämtliche Gerüchteküchen zum Brodeln bringt, erst 2012 in die Kinos. Bis dahin dürfte uns allerdings nicht langweilig werden, was Besucher aus dem Weltall betrifft, weitere UFOs aus Hollywood sind im Anflug.