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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

26. 2. 2011 - 13:08

Die zehn Pärchenlügen

Als professionelle Paarkritikerin muss man ja ab und zu ein paar Thesen anbringen.

Die Pärchenlüge umfasst eigentlich einen ganzen Lügenkomplex, sie ist das Haus der Lüge, unter dessen Dach sich mehrere andere Lügen eingenistet haben:

1. Die Paarlüge

Das Paar an sich ist die beste Lebensform, der Mensch kann sich nur als Teil eines Paares voll entfalten.

Die Realität

Das Pärchen an sich ist eine ganz niedrige Lebensform und steht in der Artentabelle nur knapp über dem Einzeller oder dem Pantoffeltierchen, denn es bringt immer die schlechtesten Eigenschaften des Einzelnen nach oben.

2. Die Partnerschaftslüge

Das Paar wie es sein soll bleibt ein Leben lang zusammen, ist sich gegenseitig Stütze und bester Freund/Freundin und genießt auch nach zwanzig Jahren Beziehung immer noch mehrmals wöchentlich leidenschaftlichen Sex miteinander.

Die Realität

Dieses Ideal wird natürlich so gut wie nie erreicht, denn die Idee dauerhaft leidenschaftlicher Partnerliebe ist ja a priori ein unauflöslicher Gegensatz.

3. Die Kinderlüge

Auch wenn die Beziehung keinen Spaß mehr macht und mühsam ist – wegen der Kinder muss man zusammenbleiben, sie bekommen sonst einen Schaden.

Die Realität

Das Unglücksdreigestirn Vater-Mutter-Kind ist oft der Quell einer traurigen Kindheit. Viele Eltern verstehen sich nach der Trennung besser und begegnen einander mit größerem Respekt – das freut auch das Kind.

4. Die Neidlüge

Paarkritikerinnen und Singles sind ja nur neidisch, weil sie Pech gehabt haben, weil sie nicht fähig sind, eine Beziehung zu führen. In Wirklichkeit wünscht sich jeder Mensch nichts sehnlicher, als Teil eines Paares zu sein.

Die Realität

Wie kann man oder frau neidisch auf eine unterentwickelte Lebensform sein, bei deren Anblick man nur immer wieder ein tief empfundenes „Aber so leben - Nein Danke!“ ausrufen will?

paar

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Die personifizierte Pärchenlüge

5. Die Naturlüge

Das Pärchentum – die Einehe – ist die natürliche Lebensform des Menschen. Das war schon immer so.

Die Realität

Sexualität und Partnerschaft gehören nicht unauflöslich zusammen, sondern richten sich nach ökonomischen Notwendigkeiten – die Idee der romantischen Liebe entstand erst im 18. Jahrhundert.

6. Die Tierlüge

Selbst Tiere leben als Paar zusammen und bleiben sich manchmal ein Leben lang treu!

Die Realität

Während aber 90% aller Vogelarten monogam leben, ist die Einehe unter Säugetieren, zu denen bekanntlich auch der Mensch gehört, eher die Ausnahme. Lediglich 3% aller Säugetiere leben in einer festen Paarbeziehung Und bei unseren engsten Verwandten, bei den wie wir zu den Primaten gehörenden Menschenaffen, leben fast alle Arten polygam.

7. Die Techniklüge

Durch Praktiken und Übungen kann jedes Paar zu einer erfüllten Sexualität kommen. Sex kann mit gutem Willen und Anstrengung unter der Aufsicht von Sexualwissenschaftlern, Psychotherapeuten und Esoterikern erarbeitet werden.

Die Realität

Wenn das Begehren fehlt, hilft auch die beste Technik nix. In der Geschichte der Liebe wird von jeher die eheliche von der leidenschaftlichen Liebe getrennt. Auch die Einehe funktionierte nur mit angeschlossenem Konkubinat.

8. Die Erlösungslüge

Die gemeinste aller Pärchenlügen: Man muss nur den richtigen Partner, die richtige Partnerin finden, dann sind alle Bedürfnisse, ganz gleich ob geistiger, emotionaler oder erotischer Natur, dauerhaft erfüllt, dann macht alles Sinn. Endlich im Pärchenhimmel angekommen, kann eigentlich nichts mehr schief gehen im Leben.

Die Realität

Die Betriebsamkeit der Welt dient nur dazu, die Tatsache zu verschleiern, dass wir alleine geboren sind und alleine sterben müssen. Man kann sich in Liebesabenteuer oder Pseudofreundschaften flüchten, um der Einsamkeit abzuhelfen – es wird nicht gelingen.

9. Die Arbeitslüge

Liebe ist Arbeit. Nach der kurzen Zeit der Verliebtheit muss man sich die wahre Liebe erarbeiten.

Die Realität

Ganze Berufszweige – Therapeuten, Psychologen, Ratgeberautoren – leben von der Arbeitslüge. Tatsache ist aber, wenn Liebe zur Arbeit wird, macht sie unglücklich.

10. Die Sexlüge

Liebe und Sexualität sind untrennbar miteinander verbunden. Wer den oder die Andere nicht begehrt, liebt ihn oder sie nicht wirklich.

"Die zehn größten Pärchenlügen" sind auch im Missy Magazine erschienen.

Die Realität

Sex wird, wie Liebe, oft überbewertet. Das Thema „Kein Sex“ ist so tabuisiert, dass kaum jemand offen über die tatsächliche Sexfrequenz spricht. Fest steht: Gerade in längeren Beziehungen spielt Sex so gut wie keine Rolle mehr.