Erstellt am: 19. 2. 2011 - 12:18 Uhr
Vom Überleben in der Metropole
Vom Überleben in der Metropole
Als Vorbereitung zum Release von DMD KIU LIDT
I. Das Flanieren als Lebens-, Denk- und Liebesform
II. Das Gemeinsame und die Gemeinschaft. Möglichkeiten und Gefahren.
III. Verzweifeln, Liegenbleiben, Flennen. Manchmal: Resignieren.
IV. Das Mantra der Vernünftigen: Sinnlos, Sinnlos, Sinnlos.
V. Die Wahrheiten am Nachbartisch
VI. Der Tratsch und das Gelächter
VII. Verlass die Stadt.
VIII.Liebe und Anarchie
IX. Sich Erinnern.
X. Fenster einschlagen. oder F.I.R.E.I.N.C.A.I.R.O.
XI. Versuch über die Party.
XIII. Dinge zu Ende bringen. Alles offen lassen.
XIV. Die Manifestation des Kapitalismus in unseren Leben ist die Traurigkeit
Große Wanderungsströme von überall her auf der Erde haben eingesetzt. Menschen besuchen an ihren Terminals als Touristen, Spieler, Abenteuerlustige oder Gelangweilte die Neue Welt oder halten sich vorübergehend als Informationssuchende oder -produzenten und Telearbeiter in ihr auf, während sich in ihr virtuelle Organisationen mit globaler Reichweite niederlassen und nur noch so funktionieren können. Der Auszug aus den Häusern und Städten der realen Welt und die Besiedlung der virtuellen Welt hat begonnen. Mit dem Einzug der Menschen in die virtuelle Orte des Cyberspace, die sich oft für Stunden dort aufhalten, verändert sich auch die Lebenswelt der Menschen vor den Terminals. Neue Bedürfnisse entstehen und gewohnte Zwänge entfallen.
Franz Nahrada, "Vermutungen über die Geburt der allgegenwärtigen Stadt".
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In den letzten Wochen war unsere Heldin zu schnell unterwegs, um irgendwo anwesend zu sein. Zwischen Hanse und Puszta verstreut war sie nur schwer zu fassen, dementsprechend karg fielen auch ihre Aufzeichnungen aus. Es ist das alte Problem mit der Geschwindigkeit, man kann dich überall hintransportieren, du wirst immer auf der Strecke bleiben. Wo unsere Heldin auch ankommt, einfährt, landet, aussteigt, ist sie pulverisiert und würde man sie kennen, man würde sie nicht wieder erkennen. Wenn der ICE ansetzt oder der Airbus abhebt, bemerkt sie, wie sich die pervers florierende Schnelligkeit gar nicht mehr einzulösen scheint. Sie wird aussteigen, sich wegbringen und wohin bringen lassen und es wird alles so wahnsinnig schrecklich und augenscheinlich gleich sein, dass sie zu dem Schluss kommen muss, dass das Transportwesen, besser die Fortbewegung, nein, eigentlich DAS BEWEGEN an sich, schlicht überholt sind .
tegel
Und plötzlich liegt was auf der Hand, das sie zum Zittern bringt. Die Seele brennt, genau wie all der Orte Straßen.
Es ist Zeit, diese Stadt zu verlassen.
Aber wo ist sie denn jetzt, die Stadt, von der alle sprechen? Was gibt es denn zu verlassen, wenn es kein Außen mehr gibt? Oder besser, wohin soll man denn nach der großen Nivellierung gehen? Und: mit wem soll man sprechen? Ist das www.xxyyxx.de ein Lebensraum? Manche sagen: Ja! Es ist die Stadt als alles und jeden befallendes Virus. Das Aufploppen der gewünschten Adresse ist wie ein Nachhause kommen vor den warmen Kamin bei Familie und Verwandten oder das Bier am Stammtisch mit Freunden in der Kneipe nebenan.
Scheinbar grenzenlos, also unendlich gleichförmig, stellt sich ihr die Welt dar, seit neuestem erweitert um sogenannte virtuelle Räume. Doch ihr Körper als Ausgangspunkt ist in diese neuen Orte nicht integrierbar, da sie nicht real begehbar sind. Der Körper hält sie in der wirklichen Welt fest, auch wenn ihr Ausdruck, ihre Wahrnehmungen und Handlungen durch entsprechende Schnittstellen nicht mehr an den Raum gebunden sind, in dem sie sich befindet. Sie wird zur Pendlerin zwischen den realen und virtuellen Welten, befindet sich gleichzeitig hier und dort. Weil Menschen sich aber gleichzeitig in beiden Welten aufhalten, die durch Schnittstellen miteinander verbunden sind, ist die Gestaltung der Schnittstellen, der Grenze zwischen ‚alter’ und ‚neuer’ Welt, eine der wichtigen Aufgaben, vor die sie tagtäglich gestellt wird. In diesem Straflager ist sie unfreiwillig zuhause.
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Die Stadt vor der Haustür aber, die liegt quasi schon hinter ihr, es fällt ihrem sonst so scharfen Blick immer schwerer, den Wiener Gürtel von der Skalitzer Straße zu unterscheiden. Und doch läuft unsere Heldin heute Nacht in schwärmerischer Nostalgie durch die leeren Straßen einer kalten Stadt. Sie versucht sich krampfhaft zu erinnern, aber sie hat vergessen, wo sie ist. Und so ist es schon spät, als sie in die Höhle, in der sie einst Zuflucht fand, zurückgeht und beschließt, sie so auszustatten, dass sie diese in Zukunft nicht mehr verlassen muss.
Hermits of the world unite: noch 55 Tage bis DMD KIU LIDT.