Erstellt am: 25. 2. 2011 - 19:00 Uhr
Für schlechte Witze fehlt mir die Zeit
Ganz ehrlich, ich mag Kabarett nicht sonderlich. Also zumindest nicht das, was man noch vor ein paar Jahren darunter verstanden hat, das klassische Witzereißen über aktuelle Politik und Alltagssituationen. Mir ist der besserwisserische Duktus dahinter immer ein Gräuel gewesen. (Bevor jetzt wer schimpft: Stermann & Grissemann und das Projekt X haben diesen Duktus ja gar nicht, deswegen würde ich sie auch nicht als Kabarettisten bezeichnen; sie selber machen das wahrscheinlich auch bloß, weil der Alternativbegriff Comedy inzwischen vom (Privat)Fernsehen gründlich verhunzt wurde.)
"Andere nennen es Alltag..."
Hans-Georg Gaul
Aber ich schweife ab: Horst Evers, der um den es hier geht, ist Kabarettist, hat diverse Kabarett- und Kleinkunstpreise in seinem Lebenslauf stehen. Dazu ist der Wahlberliner noch Alltagskolumnist, und da leuchtet bei mir gleich das zweite Alarm-Lämpchen. Denn wer, wie ich, den Großonkel des Genres Alltagskolumne, Max Goldt, schon seit Teenagerzeiten verehrt, der betrachtet die Kolumnismusflut, die sich seit den Neunziger Jahren über die deutschsprachige Medienlandschaft ergießt, mit Skepsis bis Ablehnung. Und Kolumnensammlungen in Buchform (Ausnahmen bestätigen die Regel) mit leichtem Bauchgrimmen: Schwurbelalarm! Formulierungsterror! Schmunzelgefahr!
Warum ich mich trotzdem dazu breitschlagen habe lassen, das Buch zu lesen? Ganz ehrlich, ich glaube, es war das von Bernd Pfarr gezeichnete Cover. Wer Bernd Pfarr auf dem Titel hat, der kann keine völlig verlorene Seele sein, so ungefähr muss es in meinen Ganglien wohl geschnurrt haben. Und die Ganglien hatten recht. Nix mit Schmunzeln. Ich habe laut gelacht. Mehrmals!
Rowohlt Berlin
Das Eingangszitat weist den Weg: Es sind die ersten zwei Sätze aus Douglas Adams Per Anhalter durch die Galaxis, und bei Adams ist Horst Evers auch zumindest in den Kindergarten gegangen. Denn Evers überträgt Douglas Adams Masche geschickt auf das Genre der Alltagskolumne, und er macht sich dabei gar nicht einmal die Mühe, sonderlich originell zu sein. Nein, gleich im ersten Kapitel wird der Leser in die klassischste aller klassischen Alltagskolumnensituationen verwickelt: die Zugfahrt. Dort trifft man ja immer diese normalen Leute, die man sonst nicht trifft, da kann man schnell mal was komisch sein lassen. Doch kurz bevor die Alltagskolumnensituation den Leser in den wohl verdienten Alltagskolumnenschlaf entgleiten lässt, biegt der Text ab; erst ist es nur eine kleine falsch gestellte Weiche, die gar nicht auffällt, doch irgendwann merkt man, dass man an Bord eines Raumschiffes sitzt, und Zaphod Beeblebrox grinst einen an. Metaphorisch gesprochen.
"...Horst Evers nennt es Schikane."
Von Horst Evers sind außerdem u.a. erschienen: "Mein Leben als Suchmaschine" und "Gefühltes Wissen" (beide bei Rowohlt).
Es sind diese Ausflüge ins Wahnwitzige, auf die fast alle Geschichten hinaus laufen, und die Horst Evers Buch aus dem Alltagskolumnensumpf heraus heben. Dabei schont er von allen Menschen, die ihm begegnen, am wenigsten sich selbst. Das gibt ihm Raum, um selbst den betrunkensten Sandlern in seinen Geschichten mit großer Feinfühlig- und Aufmerksamkeit zu begegnen. Trotzdem hat Horst Evers keine Angst vor brachialem Humor; nie würde er aber zotig werden. Ein feiner Herr mit feinem Humor. Schönes Buch, nicht nur von Außen.