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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

24. 2. 2011 - 19:10

Tirol schafft sich ab?

Eine wirre sarrazinische Hetzschrift im Netz schürt die Angst vor dem Verlust von Tirols kulturellem Erbe. Eigentlich einen Lacher wert, wenn der einem nicht im Halse stecken bleiben würde.

Eine Hasschrift sorgt diese Woche für Aufregung, gefunden auf der Website des FPÖ Nationalratsabgeordneten Werner Königshofer. Sie trägt den Titel "Tirol oder Türol" und beschwört auf 172 Seiten einen Kampf der Völker herauf, einen Kampf Tiroler gegen Türken um die Vorherrschaft im Land. Bei ihrer geringen Geburtenrate könnten die Tiroler diesen Kampf nicht gewinnen. Schafft sich Tirol also ab? Im Stil von Thilo Sarrazin überbietet die Schrift die Thesen des deutschen Vorbilds noch in ihrer Absurdität. So sagt sie für 2070 eine muslimische Bevölkerungsmehrheit für Tirol voraus und entwirft ein "schreckliches" Zukunftsszenario:

Andreas Hofer Denkmal am Berg Isel

Simon Welebil

Kein Hofer-Denkmal mehr?

"Im Jahr 2070 wird das Andreas Hofer-Standbild am Bergisel von den Türken abgetragen werden und auf der Mülldeponie im Ahrntal mit Zustimmung des türkischen Innsbrucker Bürgermeisters Mustafa Özmir abgelagert werden, wenn sie sich überhaupt die Mühe machen, ihn dorthin zu bringen."

Die Kernaussage des Pamphlets, dass Tiroler bald zur Minderheit im eigenen Land würden, wird von der These getragen, dass Türken Tirol erobern wollten. Sie tun das mit dem wirksamsten Kriegsgerät der Welt, ihren "Samenkanonen". Spätestens in zwei oder drei Generation könnten Muslime dank der höheren Geburtenraten und der kürzeren Abstände zwischen den Generationen Tirol übernehmen. Dafür würden sie ihren Kinder auch auf Sportstätten Nahkampftrainings verpassen, Fußballspielen als paramilitärische Ausbildung.

Tirol soll nicht Türol werden

Es müsse aber gar nicht so weit kommen, so die Schrift weiter, noch könne man gegensteuern. Und man präsentiert acht überaus kreative Maßnahmen, etwa dass man die Anti-Baby-Pille verbieten solle, um so mit der Gebärunfreudigkeit der "Emanzen" Schluss zu machen. Das würde ihnen ohnehin gut tun, denn "Eine einheimische Emanze wird im Alter eine frustrierte, sich nicht mehr auf die unsicheren Strassen sich trauende einsame Person sein, während eine türkische Mutter, die 6 Kinder geboren hat, ein erfülltes Leben gehabt hat."

Allein schon folgender Vorschlag sollte aber ausreichen, um das Pamphlet nicht mehr ernst nehmen zu müssen: "Ein fernsehfreier Tag in der Woche würde Gemeinsinn und Volkskultur stärken und auch die Geburtenrate erhöhen. Wo ein Wille, dort ein Weg."

Man könnte "Tirol oder Türol" also durchaus als kabarettistischen oder satirischen Beitrag begreifen, wären da nicht die Verhetzungen von Muslimen, AfrikanerInnen, HIV-Positiven, Homosexuellen und Juden und die Konstruktion einer liberal-freimaurerischen Weltverschwörung. Das ganze in einer unerträglichen nazistischen Diktion.

Wer ist der Verfasser?

Werner Königshofer meint, er könne zwar einige Zitate in dem Text nicht goutieren, würde aber die Kernaussage unterstützen, die Warnung vor einer "Überfremdung" und dass Tiroler bald zur Minderheit im eigenen Land würden. Die Schrift wäre allerdings nicht von ihm, sondern man hätte sie ihm anonym zugesandt. Nach einiger Bedenkzeit habe er sie als Diskussionsgrundlage auf seine Website gestellt. Gebi Mair bezweifelt das. Der grüne Landtagsabgeordnete hat "Tirol oder Türol" auf Königshofers Seite entdeckt und vermutet den FPÖ-Mandatar auch als Urheber. Zu sehr würden sich seine sonstigen Publikationen und die Schrift entsprechen, in Stil, Methodologie und Aussage.

Eine kurze Recherche unterstützt diese Vermutung. Die Argumentationen und Thesen aus der Schrift finden sich immer wieder in Aussagen Könighofers, etwa 2009, als er einen Artikel über Integration auf der Website der Tiroler Tageszeitung mit folgendem Kommentar ergänzte: "Mit einer 3 x so hohen Fertilitätsrate und einer nach wie vor ungebremsten Massenzuwanderung kann das Gastvolk auf Zeit setzen, um die Zukunft dieses Landes zu gewinnen."

Laut Gebi Mair wäre das Pamphlet eine Zusammenfassung aus den jahrelangen Aussendungen von Königshofer und entspreche auch seiner Rolle in der FPÖ als Verbinder zu den extremen Rechten. Dass Königshofer der extremen Rechten in der FPÖ zuzuordnen ist, belegen auch Recherchen des Dokumentationsarchiv des Österreichichen Widerstands. Laut ihnen sei Königshofer "Alter Herr" der rechtsextremen Burschenschaft "Brixia" in Innsbruck und trat 1971 der neonazistischen NDP von Norbert Burger bei, wo er sechs Jahre später sogar zum "Zweiten Landessprecher" aufstieg.

Angst essen Seele auf

Seine beachtliche politische Karriere, die ihn bis in den Nationalrat gebracht hat, schützt Königshofer aber nicht vor der Angst, wie Gebi Mair meint und auch in seinem Blog (wo übrigens auch das Original von "Tirol oder Türol" zu finden ist) schreibt. Königshofers Art, seine Ängste zu bekämpfen, ist es, möglichst laut irgendjemdand vermeintlich Schwächeren anzugreifen oder abzuwerten.

Seine Angst vor Homosexuellen hält er mit homophoben Äußerungen im Zaum, etwa als er Gebi Mair als "Landtagsschwuchtel" bezeichnet, die Angst vor einer "liberal freimaurerischen Weltverschwörung" mit antisemitischen Attacken, wie der grüne Mandatar Karl Öllinger vermutet und die Angst vor anderen Kulturen mit der Verbreitung eben dieser Hetzschrift. Die hat er inzwischen von seiner Homepage genommen, aus Angst vor strafrechtlicher Verfolgung.