Erstellt am: 25. 2. 2011 - 12:37 Uhr
Children of the Revolution
1968 trommelt ein junger Kreativer aus Pittsburgh im DIY-Verfahren Freunde, Familie und Bekannte zusammen, geht Geld sammeln und dreht schließlich einen Film: mit seiner Idee von lebenden Toten, die den Aufstand gegen eine immer lebloser und unmenschlicher werdende Welt proben, und deren außergewöhnlichen Umsetzung als Night of the Living Dead revolutioniert der damals unbekannte George A. Romero das Gesicht des Horrorkinos. In den folgenden Jahrzehnten wird die amerikanische Horrorfilmlandschaft regelrecht überschwemmt von regional finanzierten, produzierten und gefärbten Hinterhof-Schockern: die Bandbreite reicht von mittlerweile ikonischen Blut & Galle-Terrorstücken wie The Texas Chainsaw Massacre hin zu Bubenträumen mit Plastikmonstern, von Buben mit Plastikmonstern nachinszeniert, wie The Deadly Spawn.
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The Godfather of Gore
Ideenstifter dieser Form der Filmproduktion war aber nicht George A. Romero, sondern der vife, leider vor einer Woche verstorbene Geschäftsmann und Produzent David F. Friedman: mit seinem langjährigen Regisseurs-Kollaborateur Herschell Gordon Lewis fällt ihm Anfang der 60er-Jahre auf, dass das sensationslustige, jugendliche Drive In-Publikum genug hat von den ewig gleich vor sich hin hüpfenden Brüsten und Slapstick-Routinen aus den so genannten Nudie Cuties. Etwas Neues musste her, etwas das Hollywood entweder nicht produzieren konnte, oder wollte. Friedman und Lewis kreieren Blood Feast(1963), ein veritables Blutfest, lose arretiert auf der wahnwitzigen Geschichte eines ägyptischen Okkultisten, der in einer Vorstadtsiedlung nach Jungfrauenopfern sucht. So erfolgreich war die Lewis/Friedman-Vision, dass das dynamische Duo noch etliche Filme nachschoss, bis man sich aufgrund von kreativen Differenzen voneinander verabschiedete.
Something Weird
Es ist aber immer noch derselbe Keim, der das Indie-Horrorkino anleitet: man will eben das liefern, was der kalifornische Leviathan nicht liefern kann. Im Zeitalter von gesellschaftsfähigen Gore-Stücken von Saw bis Hostel ist das dann eben nicht mehr Ekel, sondern eine gewisse Freiheit und Ungezwungenheit in der Inszenierung. Denn seit mittlerweile zehn Jahren stellt die Traumfabrik Albträume am Fließband her: das Spiel mit Angst, Ekel und Entsetzen lockt längst nicht mehr nur pubertierende Jungs, sondern die breite Masse in die Kinos. Es geht den Indie-Schockern also darum, Hollywoods Horrorfilmregeln zu unterwandern.
Horrorfilmregel Nummer Eins: Hinterwäldler sind böse
Es ist eine der einfachsten Lektionen im Königreich der einfachen Lektionen: wenn man im amerikanischen Hinterland die falsche Ausfahrt nimmt, trifft man auf Hinterland-Einwohner, die für gewöhnlich nicht nur verwildert dreinblicken, sondern auch wilde Sitten pflegen. Gestrandete Reisende, am liebsten Teenager, durchs Unterholz jagen, aufknöpfen und ausweiden, in etwa. Gerade in der jüngeren Zeit erfreut sich der Backwood Slasher wieder vermehrter Beliebtheit: Grund dafür ist das Produktionssystem Hollywoods, das auf der Suche nach wiederverfilmbaren Stoffen irgendwann unvermeidlich auf den Hinterwald-Horror der Siebziger- und Achtziger-Jahre stoßen musste. Sowohl die Klassiker, als auch deren Neuinterpretationen kommen allerdings zum selben Schluss: Hinterwälder sind vielleicht Opfer der globalisierten Marktwirtschaft, von verlegten Highway-Routen oder unangekündigten Atombombentests. Aber sie sind böse.
"Tucker & Dale vs Evil" läuft seit 25.2.2011 in den österreichischen Kinos
Stimmt nicht, sagt der Amerikaner Eli Craig. In seiner in Kanada produzierten Splatterkomödie Tucker & Dale vs. Evil kämpfen zwei Holzfällerhemdträger gegen ihr eigenes Klischeebild und hysterische College-Studenten, die sie für Serienkiller halten. Produziert wird „Tucker & Dale vs. Evil“ vorwiegend von Freunden und Bekannten des Regisseurs. Bis heute ist der Crowd-Pleaser allerdings nicht in den US-Kinos angelaufen. Kein Verleiher will das finanzielle Risiko eingehen, einen Genrefilm, der keine Fortsetzung und kein Remake ist, in die Multiplexe zu bringen.
Welan
Horrorfilmregel Nummer Zwei: die 80er sind so was von vorbei!
Jungfrauen mit Fönfrisuren, Jungmänner in Hotpants, ein Drehbuch von maximal einer Seite und, wenn genug Geld vorhanden, Gore-Effekte. Wenige Epochen haben dem Horrorgenre mehr Höhe- und Tiefpunkte beschert wie die 80er-Jahre. Im Neon-Jahrzehnt kletterten maskierte Serienmörder von Michael Myers bis Jason Voorhees zuerst bis an die Spitze der Kino-Charts und landeten dann im hinterletzten Videotheken-Regal. Fantasy und harter Horror tanzten über Leinwände, etwa in Gestalt des ikonischen Freddy Krueger, der den angewandten Surrealismus im Populärkino zu einer Zeit salonfähig machte, in dem es jedem nur um Oberflächen ging. Diejenige Regisseursgeneration, die mittlerweile ihre ersten Filme abgedreht hat, die ist massiv beeinflusst von den Genre-Aufbäumungen der 80er-Jahre. Die Studios hingegen, die bauen in ihren aktuellen Rekapitulationen des Scham-Jahrzehnts lediglich den Look nach, scheren sich aber nichts um die Wesenheit und Eigentlichkeit der Filme, da sie meinen: die Achtziger sind aber so was von vorbei!
Stimmt nicht, weiß Adam Green. Gleich nach seinem ersten Kurzfilm gründet der Regisseur seine eigene Produktionsfirma: 2006 schafft er schließlich den Durchbruch mit dem altmodischen Killerfilm Hatchet. In einem Sumpf nahe New Orleans treibt sich ein Mörder um: als ein Touristenboot strandet, ist das Buffet eröffnet. Mit seinem Vintage-Slasher verbeugt sich Adam Green vor den vielen Maskenmörderschockern des Neon-Jahrzehnts, besetzt sogar einige der größten Horror-Ikonen der Vergangenheit. Candyman Tony Todd gibt den Voodoo-Priester, während Kane Hodder, der als Killer Jason aus den Freitag, der 13.-Filmen bekannt wurde, erneut Teenager meucheln darf. Green ist der kommerziell erfolgreichste der jungen amerikanischen Horrorregisseure: unlängst ist Hatchet 2 in den USA auf DVD erschienen.
SUNFILM
Horrorfilmregel Nummer Drei: die Zuschauer wollen Blut und Brüste sehen
Das stimmt zwar bis zu einem gewissen Grad immer noch, zumindest ist das Vorkommen der zwei big B's immer noch ein Erfolgsgarant, allerdings kennen aktuelle Horrorfilme kaum mehr Stille. Wenn man sich an frühere Epochen des Schauerns zurück erinnert, dann weiß man wieder, wie schrecklich das Nichts sein kann: Roman Polanskis Frühwerk, die zauberhaft gotischen Schattenspiele von RKO-Produzentenlegende Val Lewton und die subtileren Titel aus dem Hammer Studios-Katalog beweisen immer noch eindrucksvoll, dass ein starker Horrorfilm nicht unbedingt Booze, Boobs & Blood, aber einen starken Rhyhmus braucht, irgendwo zwischen Stillstand und Exzess. Im Besonderen der durchschlagende Erfolg von neuzeitlichen Hackschnittopern wie "Saw" hat Hollywood allerdings veranlasst zu glauben, ohne frenetisch durch die Räume sausende Kameras, extreme Lichteffekte und Schnellschnittorgien sei kein Erfolg mehr möglich. Alles konzentriert sich auf den Reiz und die folgende Reaktion: Subtilität findet man im Hollywood-Horror nicht mehr.
Ti West weiß, dass es auch anders geht. 2009 begeistert der 30-Jährige Horrorfans weltweit mit seinem eleganten Schocker The House of the Devil. Eine junge Frau verbringt darin eine Nacht in einem alten Haus; zwischen tanzenden Schatten, mit einem schrecklichen Geheimnis hinter einer abgeschlossenen Tür. Beeinflusst vom Genre-Kino der Siebziger- und Achtziger-Jahre kreisen Ti Wests Filme um spektakuläre Zutaten wie Killer-Fledermäuse oder satanische Kulte. Seine Inszenierung hält sich hingegen zurück: er arbeitet atmosphärisch, spielt mit Stille und Schatten, deutet mehr an als er zeigt.
Alive Vertrieb und Marketing
Ti West, Adam Green und Eli Craig sind gerade dabei, das amerikanische Horrorkino neu zu definieren – indem sie alle Regeln brechen, die sich Hollywood selbst auferlegt hat. Indem sie das tun, was gute Genreregisseure immer tun: dem Establishment die kalte Schulter zeigen!