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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

23. 2. 2011 - 18:20

Der alte Mann und der Remix

Wie mir Jamie XXs Neubearbeitung des großen letzten Gil Scott-Heron Albums doch noch ans Herz gewachsen ist.

Zum Meinung bilden: Das ganze Album als Stream

Produzent Jamie XX auf den Strassen Londons

Jamie XX

Ich muss zugeben, ich stand dem Projekt We're New Here anfangs eher skeptisch gegenüber. Vielleicht war es ja der "Was will denn der eigentlich?" Reflex. Im Sinne von: "Was maßt sich der Jungspund an, der Legende soundmäßig was erzählen zu wollen?" Ein blöder Reflex, ich weiß. Zumal Jamie XX den Job von Richard Russell deshalb bekam, weil das Album seiner Band The XX zeitgleich mit dem originalen I'm New Here im Londoner XL Studio entstanden war und dessen Klangwelt scheinbar ordentlich beeinflusst hatte.

Nach dem großartig tiefergelegten New York Is Killing Me Remix, wo Gil Scott-Heron eher nur als Ornament vorkam, und der Neudeutung der großen Ballade I'll Take Care Of You als Ravehymne war ich umso ratloser. Mit letzterer konnte ich mich anfangs wirklich nicht anfreunden, zu stark war da wohl die persönliche Bindung ans Original. Hätte ich noch ein bisschen weitergehört, ich wäre draufgekommen, dass das Stück zum Ende hin dank einer semi-kitschigen Gitarre eh zu den melancholischen Wurzeln zurückfindet.

Jamie XX war offensichtlich sehr bemüht, mit dieser Platte nicht zu enttäuschen. Einerseits, weil er Gil Scott-Herons Musik schon als Kind von seinen Eltern vorgespielt bekommen hatte. Andererseits, weil er We're New Here als Produzenten-Soloalbum mit Scott-Heron als Sänger sieht, wie er im Interview erzählt. Ein Selbstverständnis, das der junge Londoner auf dem Album teilweise gnadenlos durchzieht, wenn die brüchige Stimme des großen afroamerikanischen Poeten nur noch als Soundschnipsel eingesetzt wird.

Gil Scott-Heron in schwarzweiß

Mischa Richter / XL Recordings

Wesentlich behutsamer ging Jamie mit zwei Songs um, die nicht aus den Sessions zu I'm New Here stammen. Die Vokalspuren von Home und My Cloud stammen aus den 70er-Jahren und sollen den frühen Einfluss widerspiegeln, den Gil Scott-Heron auf den jungen Jamie Smith hatte. Der alte Mann selbst war dem Vernehmen nach nicht gleich davon begeistert, auch ältere Songs auf dem Remix-Album auftauchen zu lassen. Ein handschriftlicher Brief von Jamie XX, in dem er seine Motivation darlegte, hat Scott-Heron aber scheinbar besänftigt. Zum Glück, denn mit ihrer organischeren Klangfarbe bilden die älteren Songs einen guten Kontrapunkt zu den elektronisch-vertrackten Teilen der Platte.

Obwohl sein Remix-Konzept nicht bei jedem der Songs gleich gut aufgeht, die Über-Mission, die Jamie XX für We’re New Here hatte, war auf jeden Fall erfolgreich: Eine ganz neue Platte zu machen, die drei verschiedene Generationen musikalisch verbindet: Seine eigene, die von Richard Russell und die Gil Scott-Herons. Bei mir, generationstechnisch irgendwo dazwischen, hat die Platte ein bisschen Zeit zum Wachsen gebraucht. Aber jetzt, so scheint es, ist sie angekommen.