Erstellt am: 23. 2. 2011 - 17:13 Uhr
Fußball-Journal '11-12.
Bundesliga, Meisterschaft und der Cup, der ÖFB und das Nationalteam, das europäische Geschäft, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und die Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos daherkommen lassen.
Heute mit einer wenig milden Bestandsaufnahme anlässlich der Präsentation der Frühjahrs-Saison der zweiten Leistungsstufe, der 1. Liga. Am Freitag geht die nämlich los.
Nebenbei: österreichweit habe ich im übrigen nur einen einzigen Bericht dazu gelesen, der die Zeit wert ist - der Rest der heimischen Medien copypastet sich (wie eh eigentlich meistens) durch Liga-Aussendungen und den APA-Bericht.
Ja, dann war da noch, mit einiger Verspätung, eine laola1-Analyse.
Stell dir vor: ein Mittelgewichts-Boxer wird, nach gewonnener Meisterschaft, von den Regeln seines Sports gezwungen, runter ins Weltergewicht zu wechseln; und das im Bewusstsein, dass er dann, wenn er in dieser Klasse wiederum Meister wird, ins Schwergewicht einsteigen soll.
Völliger Blödsinn?
Schon irgendwie.
Aber: gelebte Realität.
Mitten im österreichischen Fußball-Sport.
Genau unter dieses Regulativ ist nämlich die zweithöchste Spielklasse gestellt, die 1. Liga, die am Freitag ihre Frühjahrs-Saison startet.
Eine Liga voller Probleme und Nöte, eine Liga mit gestiegender medialer Coverage, aber ohne Generalsponsor und lauem öffentlichen Interesse. Eine Liga gegen jede sportpolitische Sinnhaftigkeit. Eine Liga, deren sportliche Überlebensfähigkeit von jedem konjunkturellen Windhauch in Frage gestellt werden kann.
Die Jeannine Schiller unter den Fußball-Ligen
Dabei ist das aktuelle Konstrukt eigentlich zufriedenstellend; für die meisten Beteiligten zumindest. Man hat eine Formel gefunden (zehn Teilnehmer, Doppelrunden, viele Spiele, Regeln gegen abgetakelte Ausländer und für den Einsatz junger Spieler, brauchbare Coverage, keine Verzerrung durch Farmteams etc), die für alle okay ist.
Trotzdem wird herumgedoktert, trotzdem trifft sich morgen ein "Kernteam" zu einer Sitzung, bei der eine neue Formel erstellt werden soll; oder auch nicht.
Das ist auf den ersten Blick völlig hirnverbrannt und ruft sofort ein verzweifeltes "if it's not broken, why fix it?" auf den Plan
Die Unzufriedenheit mit der Situation des Unterbaus unter der höchsten Spielklasse, der Bundesliga, entspringt aber ganz anderen Ursachen - und weil es da, seit ewigen Zeiten, keine sinnvollen Lösungen gibt, kehrt auch im Fall der eh-schon-zutode-reformierten 1. Liga, der Jeannine Schiller unter den Fußball-Ligen, keine Ruhe ein. Kann es gar nicht.
Denn auch hier gilt die alte Regel, dass es nichts Richtiges im Falschen geben kann. Daher die dauernde Unzufriedenheit, das dauernde Genörgel, die Dauer-Reform und der Dauerzustand der Unhaltbarkeit.
Middle -> Welter -> Heavy
Um auf den Anfang zurückzukommen: wenn sich ein Team aus den regionalen Niederungen der Regionalligen, die so recht und schlecht zwischen Halbamateurismus und heimlichen Profitum, zwischen lokalkaiserlichen Mäzenen und Mikro-Sponsring existieren, in die 1. Liga aufsteigt, dann ändern sich die Vorraussetzungen für den Spielbetrieb drastisch.
Zum einen muss sich die Infrastruktur dem Medienzeitalter anpassen, müssen Abendspiele in stadienähnlichen Arenen mit Sitzplätzen möglich sein - das ist alles nachvollziehbar.
Zum anderen werden plötzlich dramatische Kader-Veränderungen schlagend: die Zahl der ausländischen Spieler wird begrenzt, eine bestimmte Anzahl junger (einheimischer oder beim Verein ausgebildeter) Akteure wird Pflicht. Allesamt Regeln, die innerhalb von ÖFB und der Bundesliga (die für die 20 offiziellen Profi-Vereine spricht) ausschließlich für diese Spielklasse gelten. Bei einem Aufstieg in die Bundesliga ändert sich dann wieder alles.
Jugend forscht - ins nirgendwo
Wichtiger Einwand: diese Sonder-Regulative werden freiwillig erfüllt (eine Verpflichtung wäre einklagbar, EU-Recht und so). Aber: da die Erfüllung mit finanziellen Vergünstigungen einhergeht, hält man sich daran (selbst die Admira von Star-Mäzen Trenkwalder) - so klamm sind die Teilnehmer dieser Liga wirtschaftlich.
Ähnliches gilt auch für die Bundesliga darüber: auch da werden Einsätze junger Österreicher und Verzicht auf übermäßig viele Auslands-Profis finanziell honoriert; und auch das nehmen 9 von 10 Vereinen in Anspruch. Der zehnte, Red Bull Salzburg (noch) nicht - wenn Salzburg in der RB-Flotte in fünf Jahren dann downgesizt sein wird, wird das wieder ganz anders aussehen.
Nun ist die "Jugend forscht"-Ausrichtung der 1. Liga an sich eine tolle Sache - nicht nur, weil das gut vermarktbar und auch billig ist. Wäre die 1. Liga tatsächlich das logische Bindeglied zwischen Ausbildungseinheiten (Leistungszentren, Akademien, Juniorenteams der großen Vereine) und dem echten Profi-Fußball (Bundesliga, Ausland) dann würde sich das aus der Transfer-Bilanz lesen lassen.
Transferbilanz im satten Minus
Im Sommer sah das nicht viel besser aus: ein junger deutscher Tormann kam in die erste lettische Liga, ein paar eh schon gestandene Profis (Mandl, Schicker...) kamen in die Bundesliga, der SVM holte Patrick Bürger zurück, einzig Sobkova und Patrick Salomon gelang ein echter Karrieresprung. Dürftig.
Jedoch gelang, und das ist nur die Fortsetzung der bisherigen Erfolge, auch im Winter nur ein einziger Weiterverkauf in eine besserklassige Liga: Joshua Gatt, US-Bürger und tatsächlich der beste junge Spieler dieser Liga, ging zu Molde nach Norwegen. Die anderen Wechsel führten in niederere Klassen oder fanden innerhalb der eigenen Liga statt. Auch Tormann-Talent Blatnik (von Grödig zu Rapid) wird bei den Amateuren in der Regionalliga spielen.
Anstatt zu exportieren wurde importiert: und die Gruppe "aus dem Ausland, aus der Bundesliga & Oldies" ist klar stärker als die "Junge aus der Liga oder drunter".
Wenn Bundesliga-Vorstand Georg Pangl heute bei der Auftakts-Pressekonferenz also sein Dream-Team ehemaliger 1.Liga-Young Stars aufstellte (Gspurning; Schiemer, Sonnleitner, Dragovic, Schrammel; Scharner, Pogatez; F, Koch, Mader, Klein; Linz) dann klingt das (im Verbund mit weiteren 11 Akteuren, die durchaus Erfolgsgeschichten aufweisen) eh leiwand. Diese Stories sind aber eher die auf anständiges Scouting zurückzuführenden Ausnahmen - während die Masse der 1.Liga-Absolventen durch die Regulative und die zu enge Liga, in der wegen zu breit gestreuter Abstiegsgefahr immer die Panik reagiert, wo der mittelfristige Aufbau erfolgen sollte, steckenbleiben.
Zwischen Profi-Anspruch und Stammbuch-Idylle
Die Sache mit dem Bindeglied, dem "Heute für Morgen" ist aktuell also nur ein schöner Schein, mit dem man sich über den immer noch inexistenten Sponsor hinwegtröstet. Dabei wäre das gar nicht sooo teuer. Heute mittag rechnete Pangl dreimal vor, wie er sich bei einem errechneten Werbewert von 11,5 Millionen eh schon mit einem dezenten einstelligen Prozentanteil an Jahres-Unterstützung freuen würde. Und hofft auf einen erfogreichen Verkauf, vielleicht für die nächste Saison. Der neue Marketing-Leiter ist Deutscher, vielleicht beeindruckt das.
In jedem Fall kann der, Melf Sönnichsen mehr internationales Flair versprühen als die West-Achse der 1. Liga. Der Innsbrucker Erste-Liga-Vorsitzende Gerhard Stocker präsentierte nämlich anläßlich des Frühjahrsstarts ein Büchlein von Hubert Nagels Austria Lustenau, Grün-Weiss alle Tage heißt die Aphorismen- und Gleichnis-Sammlung, die den Durchblätterer peinlich berührt zurücklässt, und verortete damit die Liga überdeutlich in einer von Stammbuch-Idyllen durchzogenen gesellschaftlichen Provinzialität.
Die Parallelen zur Bildungs-Debatte
Aktuell auch wenig vertrauenseinflößend: die von Altach Geschäftsführer Christoph Längle bei der Liga-Stzart-Präsentation vollmundig als "so gut wie problemlos" über die Bühne zu bringende Start-Partie gegen die Vienna muss wegen schlechter Platzverhältnisse abgesagt werden.
Die Lücke zwischen Anspruch und Realität klafft in dieser Liga wie eine offene Fleischwunde.
Und hier noch ein anderer, sarkastischer Nachtrag.
Das passt perfekt zu den gutmeinenten Jugend-Regulativen, die diese Liga in ein absurdes Korsett zwängt. Das passt perfekt zu einer Liga, die offiziell professionell sein soll, in Wahrheit aber in prekären Verhältnissen lebt und handelt. Das passt perfekt zu einer Liga, die kein Geld und kein Gewicht hat. Das passt perfekt ins gesamte österreichische Jugend-Förderungs-Bild - wo viel geplant und viel verordnet und dauernd was Neues erfunden wird, anstatt das Fundament, die Struktur einmal so hinzustellen, dass sich die provisorien und Notlösungen erübrigen.
So läuft das in der Bildungs-Debatte: so läuft das auch hier.
Solange eine nach ökonomischer Luft schnappende 2. Leistungsstufe künstlich am Leben gehalten wird, um sich damit eine seriöse Diskussion über die Trennung zwischen Profi- und Amateur-Bereich zu ersparen und sich gleichzeitig um die Debatte wie sich der Profi-Bereich sinnvoll aufstellt, zu drücken und damit dieses zu leichte Zwitterding 1.Liga die wichtige Relais-Funktion übernehmen lässt (die es gar nicht leisten kann), hält sich der heimische Fußball weiterhin selber in Geiselhaft.