Erstellt am: 22. 2. 2011 - 19:41 Uhr
Die Game-Gestalter
Es ist nicht einfach, herauszufinden, welchen Inhalten und Tätigkeiten man dem Großteil seiner Lebenszeit widmen möchte. Manche wissen es von Kindheit an, andere probieren sich selbst bis weit nach der Studienzeit aus oder haben einfach (zu) viele Interessen. Für viele geht Expertentum in einem ganz bestimmten Bereich einher mit dem Verlust von Kreativität und Vielfalt - Stichwort Fachidiot. Manchmal bedeutet es aber genau das Gegenteil. So haben beim frisch gegründeten Wiener Videospielstudio Game Gestalt die Ideen und Einfälle bei den Firmengründer/innen zugenommen. Warum? Weil sie sich auf eine Sache konzentrieren: das Konzipieren und die Veranschaulichung von Videospiel-Design-Ideen.
Das Game Design ist das Herzstück eines jeden Spieles: Es ist die Spielidee ebenso wie die dazugehörige Mechanik, die Überlegung, wer oder was wie und warum in einem Spiel wo was macht oder machen muss. Das alleine ist komplex genug. Um diesen Kern dann auch noch seitenweise Programmcode, Grafik, Musik, usw. zu erstellen, ist kostenintensiv und zeitaufwändig. Vier Games-Expert/innen mit langjähriger Lehr- und Branchenerfahrung, darunter Doris C. Rusch und Lev Ledit, wollen also von diesem Drumrum nichts wissen. Sie erstellen mit Game Gestalt ausschließlich Konzepte und spielbare Prototypen.

Robert Glashüttner
Das Erwachsenwerden einer Branche
Für Lev Ledit liegt die zunehmende Spezialisierung in der Videospielbranche auf der Hand. In jeder anderen Branche sei es auch üblich, dass sich Firmen auf bestimmte Aspekte und Abläufe konzentrieren würden. Trotzdem ist das Konzept von Game Gestalt unüblich. Es ist ein Experiment, das allerdings wirtschaftlichen Erfolg bringen soll. Komplette kreative Freiheit auf der einen Seite, der Druck des Marktes auf der anderen.

Game Gestalt
Etwas mehr Info findet man auf der Website von Game Gestalt. Die Spiele-Gestalter/innen freuen sich immer über Ideen und Gedankenaustausch.
Jeder der vier Game Gestalter kennt die Videospielwelt von innen (Entwicklung) und außen (Spiele spielen) seit vielen Jahren. Das bedeutet auch, dass einige von ihnen bereits ihre ehemaligen Firmen untergehen haben sehen. Martin Porocnik etwa war beim vom einen Tag auf den anderen geschlossenen Studio Rockstar Vienna im Team dabei und Lev Ledit bis zuletzt leitender Designer beim engagierten, letztlich aber doch gescheiterten Online-Spiele-Projekt "Papermint".
Motiviert in den Neustart
Dennoch will man mit frischem Elan und einem neuen Konzept nun wieder durchstarten. Die zwei bisher konzipierten Videospiele von Game Gestalt heißen "Cognition" und "Zombie Yoga". Das eine ist ein eher abstraktes, ausschließlich aus Zeichen und Bildern aufgebautes Denkspiel, das andere ein Bewegungsspiel, bei dem sich der Spielende mit Yoga-Posen Zombies vom Leib hält. Doris C. Rusch über das Entwickeln der Konzepte dazu:
"Die meiste Arbeit ist, eine Idee einfach auszudrücken. Sich durch die Komplexität durchzuarbeiten zu einem Punkt, wo das Ganze fassbar wird. Und dann kommt erst die wirklich schwierige Frage: Was macht denn jetzt der Spieler und die Spielerin überhaupt? So und so sollte es funktionieren ... aber was tut man jetzt eigentlich? Es dauert viele Monate. Zwei Semester waren es bei meinem letzten Spiel."

Game Gestalt
Kommende Woche ist das gesamte Game Gestalt-Team bei der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco vor Ort, wo bereits einige Termine mit namhaften Videospielverlagen vereinbart sind. Private Investoren möchte man keine, deshalb drängt die Zeit für das Finden von zahlungskräftigen Vertragspartnern. An Kreativität und guten Kontakten mangelt es den Mitgliedern von Game Gestalt bestimmt nicht - aber ob das Firmenkonzept aufgeht, damit man sich künftig tatsächlich auf das Ausbrüten von Ideen konzentrieren kann, ist derzeit noch unklar. Zu wünschen ist es den vier leidenschaftlichen Ideenschleudern auf jeden Fall.