Erstellt am: 24. 2. 2011 - 07:00 Uhr
Zonoscope
Dabei sind wir nicht einmal sicher, ob das überhaupt ihr drittes Album ist. Denn als der DJ und Graphiker Dan Whitford Cut Copy vor genau zehn Jahren gründete, damals noch im Alleingang, veröffentlichte er bereits die EP "I Thought Of Numbers", sieben Songs umfassend, was für viele ja bereits als Minialbum zählt. Sieben Jahre und zwei "richtige" Alben später war die Band, mittlerweile mit vier Mitgliedern rechtmäßig als solche zu bezeichnen, auf einem ersten Karriere-Höhepunkt angekommen. "In Ghost Colours" erreichte in Windeseile zahlreiche Journalisten- und Poploverherzen, enthielt mit "Hearts On Fire" und "Lights & Music" zwei veritable Indie-Dance-Hits und schrieb sich in einige Albumcharts des Jahres 2008 ein. Es war schon immer die perfektionierte Verwurstung von dreißig Jahren Popgeschichte, die meisterhafte Gratwanderung zwischen Mainstream-Pop und Indie-Tanzclub-Credibility, die den Reiz der Musik von Cut Copy ausmachten. Ein Lächeln, dessen man sich nicht erwehren kann, eine charmante Aufforderung zum Tanz, Musik wie eine "Sommerbrise".
Im Referenzhimmel
Sich aus dem weiten Feld der Popgeschichte die süßesten Früchte herauszupicken und sie für sich zu adaptieren, dazu gehört neben Talent und Glück auch eine nicht unwesentliche Portion Mut. Wer New Order, Fleetwood Mac und die Talking Heads musikalisch zitiert, sich ebenso auf die frühen Rolling Stones und David Bowie wie auf Primal Scream, Happy Mondays, Daft Punk und LCD Soundsystem bezieht, wie Dan Whitford im Interview bestätigt, der hat seine Popmusik-Hausübung schon gründlich gemacht. Viele dieser Referenzen sind auch auf dem neuen, sagen wir dreieinhalbten Cut Copy-Album "Zonoscope" nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn Sänger Whitford das ewige Hindeuten der Popschreiber auf seine Inspirationen schon anstrengend findet. "Something completely different", wie er sagt, ist es trotzdem nicht geworden. Und das ist gut so.
Cut Copy / Rough Trade
Dan Whitford zeichnet sich mit seiner Graphikagentur Alter auch für das bezaubernde Artwork ihres Labels Modular Records verantwortlich
Anstatt sich in einem Studio zu verschanzen, quartierte sich das Quartett für einige Monate in einer riesigen Lagerhalle im Industrieviertel von Melbourne ein. Neben dem so gewonnen Freiraum, in welchem sich Gedanken besser denken und Entwürfe besser ausarbeiten lassen, war es vor allem das Wegfallen des Zeitdrucks, dem man als Band normalerweise bei Studioaufnahmen ausgesetzt ist, der sich positiv auf ihre Inspiration auswirkte. Dementsprechend konnte man Ideen in stundenlangen Jam-Sessions Zeit lassen, sich zu entwickeln, um aus ihnen die besten Song-Entwürfe zusammenzubauen. Wie ein Winzer beim sorgfältigen Erstellen eines Cuvees eben.
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Das Album als Gesamtwerk
Cut Copy / Rough Trade
Einen kleinen Teil dieser freischwebenden Ideenentwicklungsprozesse bekommt man auf "Zonoscope" zu hören. Vor Jahren für Cut Copy noch undenkbar, ist dem Abschlusssong "Sun God" ein zwölfminütiges Instrumental angehängt (es grüßt aus der Ferne schüchtern dieser Herr); auch die Nummer "Strange Nostalgia For The Future" (sic!) kommt gänzlich ohne Vocals aus. Auch an manch anderem Song ("Hanging onto every heartbeat", "This is all we´ve got") lässt sich beobachten, dass die Melodien offener, freier gedacht sind als auf den früheren Cut Copy-Stücken. Whitford war es wichtig, das Album auch als Gesamtwerk zu gestalten, das man sich, ähnlich einer Vinylplatte, von vorne bis hinten (oder eben mit einmal Absetzen, um die Platte umzudrehen) anhört. Man habe großen Wert auf die insgesamte Dramaturgie gelegt.
Auf der Suche nach dem perfekten Popsong
Was natürlich nicht heißt, dass die neuen Cut Copy-Nummern nicht auch einzeln als Popsongs funktionieren. Der Opener "Need you now" entwickelt über sechs Minuten eine strahlende Anziehungskraft, der man sich schwerlich entziehen kann. Obwohl die Band nach wie vor neben diversen Synthesizern auch mit "normalem" Bandinstrumentarium (Gitarre, Schlagzeug, Bass, Keyboard) arbeitet, ist das Wort Electro- in Electro-Pop diesmal in Großbuchstaben geschrieben, während der Indie-Anteil an der Cut Copy-Musik vorsichtig verringert wurde. Auch dies gehört zu dem neuen, experimentelleren Ansatz, die konventionellen Instrumente ebenfalls so zu verfremden, dass sie teilweise nicht mehr als solche zu erkennen sind. Hierzu gehört etwa, ganz nach dem Vorbild Brian Enos, der Einsatz des E-Bows.
Diese Referenz nennt Whitford im Interview selbst. Ganz schlüpft die Band ja doch nicht aus ihrer Haut, zu unserem Glück, denn so konnten Nummern wie "Take me over" entstehen, die gleichzeitig lose hierher und hierher, in den Synthielines vielleicht sogar hierher verweisen, vor allem aber einfach als guter Popsong für sich stehen.
Eine angeblich von Lady Gaga persönlich erbetene gemeinsame Tour sagten Cut Copy unlängst ab. Sie wollten lieber vor Leuten spielen, die wegen ihrer eigenen Musik zum Konzert kommen. Von diesen gibt es 2011 dank "Zonoscope" sicher wieder genug.
"Zonoscope" von Cut Copy ist bei Modular Records/Rough Trade erschienen.