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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

22. 2. 2011 - 19:00

Definition Von Nett

"The Past, The Present & The Possible" heißt das neue Album von Tahiti 80. Der letzte Part dieser Dreier-Kette wird dabei großzügig ausgespart, bei den Franzosen bleibt der Pop supersweet.

Man soll in einen Albumtitel (oder gar den Bandnamen) nicht allzuviel philosophische Strahlkraft hineinvermuten, dass aber Tahiti 80 ihr zweites, eigentlich recht feines Album aus dem Jahr 2002 "Wallpaper For The Soul" genannt haben, kann kaum anders als eine Art Statement von Seiten der Band bezüglich ihrer Musik gelesen werden - man will es den schicken Franzosen auch ein bisschen halbwegs krummnehmen. Die Tapete für die Seele: Geschmäcklerisch-ranschmeißerische Weichspülung, leicht zu schluckender Balsam? Musik, du nebenbei herumstehendes Gebrauchsmöbel, an die Wand gekleisterter Ambiente-Stifter!

Tahiti 80

Tahiti 80

Tahiti 80

Auf ihrem jetzt erschienenen, mittlerweile fünften regulären Album machen Tahiti 80 wenig anders als bisher: Schmissiger Pop, der dreißig Hooks in jeden Song stecken will und dauernd Hymne sein muss. Dabei gelingt der mittlerweile sechsköpfigen Band aus Rouen und Paris meist ein elastischer Mittelweg aus zurückgelehntem Ennui und kompletter Verve. Auf "The Past, The Present & The Possible" haben Tahiti 80 ihr Songwriting aufpoliert, produktionstechnisch alles geschmeidig weichgezeichnet und glattgebügelt und mit einer Extraportion Feuchtigkeitscreme die Oberfläche sexy glänzend eingeschmiert. Veröffentlicht haben Tahiti 80 das Album erstmals auf ihrem eigenen, eigens dafür neu gegründeten Label namens "Human Sounds" - eine Referenz an das - nicht selten und auch nicht von den Ahnungslosesten gerne das "beste Album aller Zeiten" genannte - Popwunderwerk "Pet Sounds" der Beach Boys. Man kann es ja mal versuchen.

Tahiti 80

Tahiti 80

Auf "The Past, The Present & The Possible" tritt die elektronische Komponente einen Tick stärker als bisher bei Tahiti 80 zutage. Als Fundament dürfen hier zwar nach wie vor auf angenehme Weise leicht käsiger Soft-Rock aus den 80ern, Sixites und (nicht-elektronische) Beat-Musik sowie Easy Listening ohne Kultigkeits-Charakter herhalten, dennoch kommt der elegante Rythmus heute nicht selten aus der Maschine. Tahiti 80 waren in der Disco.

Am 02.05 treten Tahiti 80 im Rahmen der Veranstaltungsreihe Teenbeat Club im Wiener Chelsea auf

Weil aber bei Tahiti 80 Wohlgefallen oberste Maxime zu sein scheint, gehen hier die Mittel/Stylewelten butterweich ineinander auf: Von Indie und Gitarre auf der einen, von Elektronik und Dance auf der anderen Seite mag Sänger und Frontmann Xavier Boyer nicht sprechen. Was heutzutage freilich nur mäßigen Sensationsgewinn bedeutet und mitunter auch in einer grundlegenden Beliebigkeit der Platte mündet. Bei aller Miteinbeziehung anderer, (für die Band vergleichsweise) neuerer Technologien und Gerätschaften und grundsätzlich offenen Ohren für dezente Experimente steht nach wie vor und fürderhin das Songwriting im Zentrum von Tahiti 80.

tahiti 80

tahiti 80

The Past, the Present & The Possible" von Tahiti 80 erscheint bei Human Nature/Rough Trade

Die Hits schütteln die sechs Herren so relativ locker aus dem Jackett: Die aktuelle Single "Darlin'" ist ein großer ebensolcher, aber eben auch nur bloß grell geschmackvolle Hülle mit Zuckerhut oben drauf. Einzig die ziemlich freigeistig angelegte Coverversion "Crack Up" (im Original von den Experimental-Poppern A.R. Kane) dehnt ein wenig das Korsett. "The Past, The Present & The Possible" ist eine Tahiti-80-Platte wie viele andere Tahiti-80-Platten davor geworden - bloß perfekter ausformuliert. Supersweet und ein bisschen egal. Nur mit unseren besten Freunden fahren wir mit dem Motorroller an den Strand. Im Picknick-Korb sind Lachsbrötchen, Sekt und Bier mit Limetten-Geschmack in kleinen Flaschen. Wie machen Party. Irgendwann wird uns langweilig.