Erstellt am: 20. 2. 2011 - 12:05 Uhr
Song Zum Sonntag: PJ Harvey
Wie ist unser glorreiches Land entstanden? Wie wurde es beackert, was wurde gesät und was geerntet, was sind seine Früchte? Unser Land ist nur unser Land, weil es nicht von Pflügen beackert wurde, sondern von den Schritten marschierender Soldaten und die Furche des Ackers ist eine Raupenspur der Panzer. Und nicht Weizen und Mais sind die Früchte der Ernte, sondern verstümmelte und verwaiste Kinder, Kinder des ewigen, wiedekehrenden Kriegs, der alles bestimmt. "Oh England", singt PJ Harvey, und das Echo antwortet "Oh, America"
pjharvey.net
Auf dem neuen Album "Let England Shake" widmet sich diese rätselhafte Künstlerin - vielleicht die wichtigste Frau im Rock der Neunziger Jahre - ganz dem Krieg. Dem Krieg als alles bestimmendes Ereignis, als definierende Konstante der Imperien und Reichtümer der Welt, als Metapher für das Zusammenleben überhaupt - wie schon ihre Landsleute Thomas Hobbes und Margaret Thatcher die Gesellschaft als entweder nicht existent oder als "Krieg aller gegen alle" definieren wollten. Zynisch wiederholt sie die schon im Original aussichtslose Zeile aus Eddie Cochrans "Sumertime Blues" ("What if I take my problem to the United Nations") und gemahnt in "This Glorious Land" subtil bei aller Kritik an ihrer Heimat England daran, dass die Hauptkriegsnation der Gegenwart die USA sind.
Über PJ Harvey macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Zu jedem Song wird es ein Video geben, zu "This Glorious Land" leider noch nicht, aber vier sind schon zu sehen.
pop10live.de
Und sie erinnert auf "On Battleship Hill" an die verlustreiche Schlacht von Gallipoli im ersten Weltkrieg, bei der der junge Dichter Rupert Brooke zusammen mit 250.000 Briten Türken und Australiern sein Leben ließ, und die schon der schottische Songwriter Eric Bogle als Beispiel für ein besonders blutiges und sinnloses Gemetzel herangezogen hatte, ("And the Band played Waltzing Matilda", am bekanntesten vielleicht in der Version der Pogues)
Dazu spielen neben PJ Harvey noch ihr langjähriger Partner John Parish und der von Nick Cave getrennte Mick Harvey, neben Cave wichtigster Mann der Bad Seeds und der Birthday Party. PJ Harvey hat die Gitarre, die sie laut Steve Albini beherrscht wie kaum ein/e andere/r, oft gegen ein klassisches Folk- Protest Instrument getauscht, die Autoharp, die auf "Let England Shake" für eine Art Grundrassel- Geräusch sorgt. Rundum gelungen ist "Let England Shake" in seiner Mischung aus Kargheit und Pathos, in ihrer Konzentration auf ein Thema und in ihren ambivalenten Haltungen zu Heimat, Patriotismus und Krieg.