Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The Real Black Swan"

Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

17. 2. 2011 - 19:49

The Real Black Swan

Das junge Hip Hop Kollektiv Odd Future pöbelt auch live gegen die Blockierergeneration und Vaterpolizisten.

Wenn einem innerhalb weniger Minuten Terry Richardson auf die Füße steigt, zwei Drittel von Das Racist Rauchschwaden ins Gesicht blasen und Mos Def moshend in die Magengrube knallt, ist man wohl eher kaum beim Jahrestreffen der CPAC gelandet. Versammelt und eingeteilt wurde man trotzdem. Die junge Hip Hop Sensation Odd Future (wer, was, warum: hier) lud zu einem Gastspiel der geballten Beleidigungen nach Chinatown ins Santos Party House. And boy did they deliver.

Odd Future live

Christian Lehner

Odd Future live

Christian Lehner

Angetreten ist die vielgesichtige Crew aus LA in der Formation Domo Genesis, Hodgy Beats, Left Brain, DJ Syd und dem Leader der Kinderzimmer-Trasher, Tyler The Creator. Letzterer ist mit einem frisch unterschriebenen Vertrag bei XL-Recordings (M.I.A., The White Stripes, Gil Scott-Heron) angereist. Warum das 19jährige Multitalent einen Solo-Deal abgestaubt hat, zeigt sich u.a. in seinem neuen Video zur Vorabsingle „Yonkers“. Tyler zeichnet auch für die Regie und Produktion des Clips verantwortlich. Dunklere Kindergeschichten wird man derzeit wohl kaum drastischer visualisiert bekommen. Da rappt der Kafka den real Black Swan.

Auch auf der Bühne Metamorphosen. Zunächst scheint alles wie gewohnt. Jemand wird nicht gehört, vielleicht weil niemand da ist, man macht Randale, pöbelt, provoziert, schafft sich Gehör. Der Sound erinnert phasenweise an den Wu-Tang Clan, oder El-P und Anticon. Man vergewissert sich seiner mit Swaaaaaaaaaag, doch die Platzhalter sind andere. Zwar gibt es einen neuen Song mit dem schönen Gangsta-Klischee-Titel „Fuck The Police“. Doch schnell wird klar: gemeint sind weniger die staatlich beglaubigten Autoritäten mit Knarre am Halfter. Es sind jene im Eigenheim, auch wenn sie sich bloß zum Zweck der Erzeugung eingefunden haben.

Odd Future live

Christian Lehner

Odd Future live

Christian Lehner

Odd Future live

Christian Lehner

Der Hass beschränkt sich aber nicht nur auf Abwesende. „Yo 40 year old bitches in the last few rows“, ranted Hodgy Beats gegen die seiner Meinung nach zu präsenten Erwachsenen aus Industry, Medien und U-Prominenz an diesem Abend: “go home and *bleep* your *bleeping* kids and your *bleeping* wife”. Ich stehe zwar in der Mitte der Meute, bin noch kinderlos und knapp unter der Altersfreigabe, fühle mich aber dennoch direkt addressiert. Soll so sein.

Weiter geht es mit dem zukünftigen Klassiker jugendlicher Renitenz „"Kill people, burn shit, fuck school". Die Grimmigkeit des Vortrags überragt den etwas peinlichen Overachiever-Humor der rappenden Pubertäts-Hexler und hebelt den Beliebigkeitsvorwurf aus, mit dem man das alles als pickeligen Hip Hop abtun könnte.

Odd Future live

Christian Lehner

Mehr noch: die Direktheit dieser Rants, die sich auch gegen Blogger und Hipster Rapper wie Kid Cudi richten, löst unangenehme aber auch befreiende und deshalb euphorisierende Momente im Publikum aus. Da regt sich was im gesprochenen Wort! Woanders kämpft man für die Grundbedingungen der Freiheit, hier wird gegen die Blockierergeneration der Satten und Abgeklärten getreten.

Am Ende der Show läuft der Hip Hop und Hollywood Star Mos Def kreischend durch die Menge. Man sagt ihm nach, jeden Rhyme auswendig mitgegröhlt zu haben. Ich sehe jetzt noch das Weiße in seinen Augen. Diesen Stunt sollte der Rapper wenig später auch in der Late Night with Jimmy Fallon Show wiederholen (wo Odd Future von der Sendungsstammband The Roots unterstützt wurden). Mos Def ist Vater zweier Töchter und nähert sich in rasenden Turnschuhen dem 40er. Na wenn das Odd Future herausfinden ...

Den Gartenzwerg vom Fallon-Video bin ich übrigens letzten Sommer in den in Upstate New York begegnet. Horror. Echt jetzt.

Odd Future live

Christian Lehner