Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Irans Störsender gegen BBC und Deutsche Welle"

Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

17. 2. 2011 - 16:54

Irans Störsender gegen BBC und Deutsche Welle

Die TV- und multilingualen Radioprogramme von BBC und Deutscher Welle auf Hotbird 8 werden massiv gejammt. Ein paar Transponder weiter auf demselben Satelliten desinformiert Irans Propagandasender "Press-TV" den Rest der Welt.

"Wir sind seit Montag von diesen Störung betroffen" bestätigte ein Sprecher der Deutschen Welle auf Anfrage von ORF.at. Die Störsignale beträfen den Satelliten Hotbird 8 der Eutelsat-Flotille auf 13 Grad Ost, der in weiten Teilen Europas, Nordafrika und dem nahen Osten zu empfangen ist. Während rund um das Mittelmeer der Empfang sogar mit 30-cm-Planar-Antennen vonstatten geht, ist man auch im gesamten Iran mit gewöhnlichen 90-cm Satschüsseln mit dabei.

Attacke auf Verteiler-Feeds

Betroffen sind nicht allein die mehrsprachigen TV-Dienste der Deutschen Welle - namentlich DW Arabic - sondern sämtliche Radioprogramme des deutschen Auslandsdienstes. Neun verschiedene Radiokanäle der DW sind da gelistet, unter anderem einer auf Farsi, dazu kommen mehrere Radio-Feeds.

Hotbird 8 dient dem deutschen Auslandsdienst nämlich als Downlink von Feeds, die dann terrestrisch weiterbreitet werden, іn Kabel-TV-Netzen, analogem Radio und sogar Webstreaming. Wie jeder weltweite Auslandsdienst verfügt die DW über ein Netz an terrestrischen Relaisstationen. Die Programme werden von Relais Novosibirsk, den Vereinigten Emiraten, von Kanada Madagaskar und Sri Lanka entweder über Kurzwelle verbreitet oder auf andere Satelliten verteilt

BBC: Störungen aus Iran

Auch die Kurzwellendienste in der Region Nahost seien ebenso von den Störungen betroffen, wie verschiedene Webstreams, bestätigte Sprecher Johannes Hoffmann auf Anfrage von ORF.at. Nicht näher spezifizien wollte er hingegen, welcher Art die Störungen seien. Dass die Attacken aus dem Iran kämen könne man offiziell zum jetztigen Zeitpunkt nicht bestätigen, hieß es abschließend.

Die BBC wiederum, deren Feeds auf Hotbird 8 bereits seit einer Woche auf gleiche Weise angegriffen werden, hatte die Störungen gleich zu Beginn dem Iran zugeordnet. Auf Anfrage von ORF.at reagierten die sonst sehr auskunftsfreundlichen BBC-Kollegen allerdings auffällig zurückhaltend. Man könne vorerst nicht mehr dazu sagen, hieß es lediglich.

Jamming = Militär

Das alles hat nicht nur einen guten Grund. Zum einen ist das gezielte Stören von Rundfunksendungen weltweit geächtet, denn Jamming ist in der Domäne der Militärs. Die Angelegenheit wird mittlerweile auf diplomatischer Ebene abgehandelt, daher schweigen die Pressesprecher.

Zum anderen wollen sie über die bereits eingeleiteten Gegenmaßnahmen nicht offen reden, weil ein Katz-und Maus-Spiel mit den Iranern quer über die Satelliten und Transponder begonnen hat. Das gezielte Jamming traf die internationalen Broadcaster nämlich nicht unvorbereitet. Wenn immer der Volksaufstand in Teheran in der vergangenheit erneut aufgekocht war, hatten die Iraner damit begonnen, ausländische Nachrichtenfeeds zu attackieren.

Wie man Jamming entgeht

Vor ziemlich genau einem Jahr hatte dieselbe Art von Jamming-Attacken kurzfristig die Ausstrahlungen der DW auf drei verschiedenen Satelliten off the Air geholt. Das deshalb, weil sowohl die DW-Programme auf Astra und Nilesat nur über Hotbird 8 gespeist wurden.

In Folge musste die gesamte Architektur des DW-Übertragungsnetzes für Europa und Nahost umgestellt werden. Via Atlantikbird 3 (AB3) versorgte man Astra, den Feed für Nilesat schmuggelte man auf einem frisch angemieteten, namenlosen Hotbird-Transponder durch. Den Standort der Jamming-Station konnten die Techniker der Deutschen Welle im Iran auf zehn Kilometer genau geografisch orten, bekanntgegeben hat ihn die DW jedoch nicht. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit handelt es sich um eine Anlage des Militärs oder der Revolutionsgarden.

Press TV desinformiert die Welt

Der englischsprachige iranische Auslandsdienst Press TV kommt ebenfalls über Hotbird 8 nach Europa. Press TV und der arabischsprachige Nachrichtensender Al Alam aus dem Iran hatten sich in den letzten Wochen groß "als Stimme der Revolution" hervorgetan und die Aufstände in Tunesien, Ägypten, Oman und Bahrain förmlich abgefeiert.

Vor dem Sturz des Mubarak Regimes verbreiteten die drei staatlichen TV-Kanäle Ägyptens ESC, Nile News und Nile International teils offene Desinformation. Die Teams des Staats-TV trauten sich tagelang nicht auf die Straße, nur eine Moderatorin war auf dem Tahrir-Platz zu finden. Shahira Amin hatte ihren Job geschmissen - siehe unten - am Sonntag kehrt sie auf auf ihren Platz zurück.

Die Berichterstattung war eine Zeitlang von der westlicher Sender kaum zu unterscheiden, am vergangenen Montag änderte sich dies abrupt. Über die blutig niedergeschlagenen Demonstrationen in im eigenen Land wurde nicht berichtet, stattdessen sah man jubelonde Massen und Mahmoud Ahmadinedschad. Gleichzeitig wurde begonnen, auch die Deutsche Welle auf demselben Satelliten vom Boden aus zu stören.

Press TV

Standardrepertoire der Militärs

Besonders großen, technischen Aufwands bedarf es dazu nicht. Ein Übetragungswagen mit ausreichend großer Schüssel und einer starken Endstufe genügt, eingespeist wird irgendein Signal, das für die Erzeugung breitbandiger Störungen "optimiert" ist. Über sofort betriebsbereite Set-Ups dieser Art verfügen die Militärs, zumal Jamming feindlicher Signale zum militärischen Standardrepertoire gehört.

Press TV

Während sich also die Reporter von Press TV in Ägypten, Bahrain usw. ungehindert bewegen konnten, war dasselbe ihren Kollegen aus dem Westen untersagt.

Die Deutsche Welle gab lediglich dieses, reichlich karge Statement ab. Sämtliche erwähnten Stationen sind der Transponderliste von Lyngsat zu entnehmen, der Footprint von Hotbird 8 ist beachtlich: Von Marokko bis ans Kaspische Meer.

Außer verwackelten YouTube-Filmchen von armseligen Handy-Kameras hatten die internationalen Broadcaster kein Bildmaterial aus Teheran zu bieten.

Was das ägyptische Staatsfernsehen Nile TV anbetrifft, so ist die vor dem Sturz Mubaraks "übergelaufene" Nachrichtenmoderatorin zurückgekehrt. Shahira Amin wurde nach ihrer Demission von CNN Kollegen auf dem Tahrir-Platz erkannt und gab ein Interview, das um die Welt ging. Seit vergangenen Sonntag moderiert sie wieder englischsprachige Nachrichtensendungen auf Nile TV.