Erstellt am: 15. 2. 2011 - 21:04 Uhr
Journal 2011. Eintrag 35.
2011 ist Journal-Jahr wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009. Wenn man das Fußball-Journal '11 dazurechnet: bedeutet das einen täglichen Eintrag, Anregungs- und Denkfutter inklusive.
Zumeist werden sich hier Geschichten/Analysen finden, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit der Fortsetzung der nach dem Tod von Hans Dichand in Bewegung geratene Beziehungs-Landschaft zwischen Medien-Macht und Politik. Denn nach dem Veränderungen der Macht der Kronen-Zeitung im Jahr 1 nach Dichand-Eintrag vom 26. Jänner passieren fast im Wochen-Rhythmus ungewohnte Seltsamkeiten. Akut im Zusammenhang mit der Kampagnisierung zum Thema Wehrpflicht - nach der Phase des Abhängige-Politiker-vor-sich-Hertreiben kommt jetzt die Phase der offenen politischen Konfrontation mit allen Kräften, die es wagen anderer Meinung zu sein; unabhängig von bisherigen Allianzen.
Auf den ersten Blick hat die eine Meldung mit der anderen eigentlich gar nichts zu tun.
Meldung 1: Nachdem sich die Milizverbände über die montägliche Position der Kronen-Zeitung in Sachen Wehrpflicht (sie habe indirekt zum Ignorieren der Einberufung aufgerufen) erbost hatten und in der Folge eine Anzeige anstreben, fightet der Print-Gigant aus der Muthgasse mit harten Bandagen gegen FP, VP und die Heeres-Lobby zurück.
Meldung 2: Heute gab Heute-Herausgeberin Eva Dichand die Trennung von ihrem Chefredakteur Schmitt bekannt.
Die Gemeinsamkeit findet sich nicht, wie es in einer personalisiert denkenden First-Click-Only-Welt so praktisch zu schubladieren wäre, in Diadochen-Kämpfen ums Alt-Dichand'sche Erbe. Sie besteht vielmehr in der zunehmenden Radikalisierung des angewandten Dichandismus, der allerdings in Krone und Heute (aber auch bei den Fernschülern bei Österreich) unterschiedlich gehandhabt wird.
Die Grundthese der alte Schule dieser Medien-Macht-Ausbau-Strategie besagte, dass man die dafür nötigen Kampagnen hart und ausdauernd fährt, sich aber nicht in Konflikt-Niederungen hinab begibt, sondern seine Macht indirekt, in den Hinterzimmern und über nur zart angedeutete Drohgebärden demonstriert, so jeden Widerstand ausschaltet und den Bürger/Leser wehr- und informationslos erwischt.
Die Praxis der neuen Schule bewegt sich aus den Hinterzimmern in die Schauräume, verlegt die Vorführung der politisch Mächtigen durch die sie gängelnden Medien-Player ins Scheinwerferlicht und fährt die Kampagnen in aller Offenheit und deutlich ausgesprochener Härte.
Alte Schule/Küchenkabinett - neue Schule/offenes Gezerre
Ich mag die dabei zutagetretende, höchst unterschiedliche Qualität nicht bewerten - sondern nur darauf hinweisen, dass das offene Agitieren selbstverständlich weniger küchenkabinettig daherkommt und dadurch seinen Einfluss auch nicht verleugnet. Der Wahnsinn spielt sich also coram publico ab.
Das war auch im aktuellen Wirken des vormaligen U-Express-Chefs Schmitt in den heutigen U-Bahn-Gratiszeitung feststellbar. Schmitt-Elogen sahen sich zunehmend mit biblischem Sendungsbewusstsein ausgestattet, vermengten persönliche Attacken mit diffusen Kampagnen-Ansätzen und verstiegen sich zuletzt durchaus ins Irrlichternde, etwa wenn der CR die Gegner der Wehrpflicht mit der langen, historischen Reihe der Gegner neuer Technologien verglich.
Ob die von Eva Dichand gezogene Notbremse ausschließlich mit den Solo-Läufen Schmitts zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis - die erste Post-Schmitt-Ausgabe jedenfalls entbehrt jeglicher überkandidelter Kommentierung der aktuellen Major Campaign, der von Krone/Heute/Österreich initiierten 'Wehrpflicht-muss-weg!'-Aktion.
In der Kronen-Zeitung selber agiert Wehrpflicht-Kampagnen-Leiter Peter Gnam zwar deutlich im Sinn der vorhin erwähnten neuen Schule, erspart sich und uns aber Abstrusitäten.
Die Krone-Montagsausgabe bringt auf den Seiten 2 und 3 eine bizarre, sonst eher in Seminar-Unterlagen für Berufs-Demonstranten vermutete Anleitung zur Umgehung der Einberufung, samt durchaus anarchistischen Kommentierungen der Marke "Was die Staatsmacht wohl tun würde, wenn keiner mehr hingeht, hm?". So wie es die schlauen Kriminellen im TV-Krimi machen: im Konjunktiv reden, hypothetisch halt.
Die Krone als Tatblatt
Die Krone als Tatblatt, was für ein Treppenwitz der Geschichte.
Natürlich reagiert die Staatsmacht bei einer solchen Bedrohung immer gleich: So wie die Anarchos weggeputzt wurden und werden, so wird jetzt auch die Kronen Zeitung behandelt: als Staatsfeind.
Und jetzt wird's interessant: all die Medien, die sich sonst nicht einen Millimeter lang trauen die Kronen-Zeitung kritisch zu beäugen, springen in genau diesem Moment auf den Bandwagon. Klar, man hängt über Beteiligungen, Macht- und Besitzverhältnisse mit drin, zudem hacken Krähen einander kein Auge aus - trotzdem ist/war die Bedenkenlosigkeit mit der die Kampagnen-Macht der Kronen-Zeitung von den anderen, vor allem den Print-Medien maximal eskortiert wurde, bislang durchaus beschämend.
Damit ist es - und auch das ist eine Folge der neuen Qualität der neuen Hauspolitik der neuen Schule - jetzt auch vorbei. Die Krone hat sich so stark in den politischen Fokus gestellt, dass sie jetzt auch als Mitspieler angesehen und demzufolge attackiert wird. Unter Hans Dichand war sie, nominell, gar nicht auf dem Platz und deshalb sakrosankt, jetzt spielt sie mit und kann also auch gefoult werden.
Eh zum Totlachen das, was an der Nebenfront an Datenschmutz rausquillt: Grasser untauglich wegen Gastritis, Schüssel und Strutz politisch unabkömmlich, Marathonläufer Bartenstein wegen Bluthochdruck, Khol wegen Hautkrankheit (?), Gusenbauer sehschwach, Vilimsky wegen Pollenallergie... Meine alte Pollenallergie (die nimmt im Alter tatsächlich ab) kostete die Stellungskomission einen sehr kurzen Lacher.
Dieses Auf-dem-Platz-Sein, dieses Sich-angreifbar-Machen hat durchaus interessante Nebenwirkungen. So wird, alles wegen der Wehrpflich-Kampagne, aktuell die FPÖ durchgebeutelt wie schon lange nicht mehr. Nachdem im Dienstag-Österreich die lächerlichen Untauglichkeits-Ausreden der F-Scharfmacher Kickl und Vilimsky thematisiert wurden, zieht die Mittwoch-Krone nach, zitiert dabei sogar das Profil und gibt den Grünen eine Menge positiv besetzten Platz.
Unterhaken mit den 'Gutmenschen'
Die Krone hakt sich in ihrer Kampagne also mit Grünen oder den von ihr sonst beschimpften Gutmenschen-Medien unter und hantiert nach Methoden der heimischen Anarchisten. Ein bisserl ist das so, wie es grade in der großen weiten Welt draußen passiert: da entdeckt jemand die Möglichkeit neue Tricks auszuprobieren und setzt die ein; noch dazu in völlig neuen ungewohnten Koalitionen.
Nicht blenden lassen: selbstverständlich geht es dabei um ein größeres Ziel, einen medialen Sieg - da wollen einige die Abschaffung der Wehrpflicht dann als ihren Sieg und ihre Leistung im Sinn der Jugend abfeiern. Dabei geht es letztlich um nichts anderes, als die Umsetzung dessen, was in Rest-Europa wesentlich unaufgeregter und unpeinlicher bereits über die Bühne gegangen ist, ohne dass dabei politisches Kleingeld ohne Ende (im Stil der Stunden brauchenden, im Geldbörsl kramenden Oma an der Supermarktkasse) gewechselt wurde. Ob die SP-Strategie, sich die zuletzt an die FPÖ abgewanderten Jungen mit dieser Kampagne wieder zurückzuholen, aufgeht - keine Ahnung.
Aktuell stockt die Wehrpflicht-Sache ja. Der Minister bewegt sich nicht, weshalb die Krone Druck machen wollte, worauf jetzt die Armee-Lobby Klage führt - so beginnen endlose Stellungskriege.
Die Empörung der Pharisäer
Der Krone-Konkurrenz steht es nicht gut an, erst jetzt, in diesem scheinbaren Moment der Schwäche des Marktführers aus den Schützengräben zu kommen und auf das hinzuweisen, was die neue Schule innerhalb der Dichand-Erben eh schon offengelegt hat: dass man sich als offensiver Player, als politischer Einflussnehmer versteht. Das große Versäumnis der anderen Medien, dazu allzulang geschwiegen zu haben, lässt sich jetzt nicht gutmachen, vor allem ist es anlässlich eines Beispiels, bei dem sich die Freund/Feind-Linien gerade durchmischen, nicht sinnvoll darstellbar.
Die Empörung mit der sich die selbsternannte Qualitäts-Presse jetzt gegen die Kronen-Zeitung stellt ist so pharisäerhaft wie die Kampagnisierung selber.