Erstellt am: 13. 2. 2011 - 16:54 Uhr
Millimeter zwischen Medium und Material
Den letzten Kontakt mit 16mm Filmen hatte ich in der Volksschule und manchmal noch in der Hauptschule, wenn unsere "Sachunterricht"-LehrerInnen den Stoff noch etwas aufpeppen wollten und lustige Sachgeschichten auf Filmrollen präsentierten. Das Rattern der Maschine ist bei mir heute noch der Begriff für Entspannung bzw. Abwechslung. VHS hat später dann im meinem Umfeld den "Rollenfilm" vollständig verdrängt und als ich selber einmal wissen wollte, wie das mit dem Schneiden von Videos so funktioniert, hieß das Programm schon "iMovie".
Wie auch in der Fotografie ist in der Filmproduktion das Analoge fast vollständig vom Digitalen verdrängt worden. Vielleicht ist es kein Zufall, dass in einer verschlafenen Metropole wie Wien gerade diese analoge Technik so heftig verteidigt wird. Die Lomografen sind hier ein rühmliches Exemplar analoger Weltenretter, oder die sympathische kleine Firma in der Breite Gasse, die das "Unmögliche" versucht und Polaroid - Filme im Nachbau vertreibt. Aber auch der bewegte Film besitzt in Wien Kultstatus, vor allem durch das hochangesehende Filmmuseum und der "Schule für Unabhängigen Film, Wien" von Friedl Kubelka.
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Filmkoop Wien
Die umtriebige und charismatische Friedl Kubelka dürfte es gut verstehen, die Magie des Materials fruchtbar zu vermitteln, weil ehemalige StudentInnen der Schule nun begonnen haben, einen "Verein zur Förderung unabhängigen Films" aufzubauen. Die Filmkoop Wien (ganz wichtig: mit "k") ist eine Interessensgemeinschaft mit Vereinslokal in der Josefstadt und widmet sich voll und ganz der Förderung der Arbeit am Filmmaterial.
Wer sich in diesem Metier bewegt, weiß, welche Hindernisse es heutzutage gibt: Mangel an Vertrieben, Händlern, Studios, Schneideplätzen und - last but not least - Gleichgesinnten. Es ist ein verschworenes Grüppchen an Zelluloid - FetischistInnen, das sich trifft, wenn es wieder einmal eine Filmvorführung gibt. Sie sehen sich, Gott sei Dank, nicht als Elite, sondern mehr als Hüter von wertvollen Geheimnissen, die es weiterzugeben gilt.
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So veranstalten sie Workshops und Jour Fixe, Veranstaltungen, die nicht nur Mitgliedern offen stehen, sondern auch als Einladung für jeden Interessierten gelten, der sich am Filmmaterial abarbeiten möchte. Das Equipment des Vereins setzt sich hauptsächlich aus Sachspenden zusammen. Wiederhergestellt und gewartet kann man sich auf technische Zeitreisen begeben. Oder einem Medium neuen Wind einhauchen, indem man neue Ästhetik mit altem Material verbindet.
Die BetreiberInnen des Vereins haben mich auf einen wichtigen Punkt aufmerksam gemacht: Es geht nicht darum, neue Technologie zu meiden und alte am Leben zu erhalten. Es geht aber um Wissen, wie unsere Welt funktioniert. Das Prinzip der Laterna Magica ist auf einem Filmstreifen viel einleuchtender und direkt erfahrbar, der Schnitt hat wirklich noch etwas mit scharfen Klingen zu tun und das Material, mit dem gearbeitet wird, ist bei der Bearbeitung und der Betrachtung ein sinnliches und gemeinschaftsförderndes Ereignis.
Die Arbeit des Vereins ist somit eine Selbstermächtigung, eine Anstiftung zum Erfahrungsaustausch und ein Paradebeispiel für Vernetzung von interessierten Akteuren. Das Bewahren dieser Filmtechnik ist in diesem Verband von Interessierten keine Reaktion, sondern vielmehr ein befruchtender Pool zur anregenden Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Medium und Material. Jeder, der sich dafür interessiert ist willkommen!