Erstellt am: 13. 2. 2011 - 13:46 Uhr
Ein Abend und ein Lied im Konjunktiv
- Die Songs der zehn Finalisten
- Die neue Jury am Protestsongcontest
- Die Auftritte der Bands und die Bewertung der Jury als Video on Demand
Wenn. Also wenn. Dann. Wenn Rotzpipn und das Simmeringer Faustwatschenorchester nicht den Tick zu dick aufgetragen hätten mit der dunkel-vermummten Marienerscheinung auf der Bühne. Wenn einige Bands nicht zwischen den Fronten zu extrafeiner Unterschätzung zerrieben worden wären. Und wenn da noch ein oder zwei Dinge über die Gebrüder Marx bekannter gewesen wären. Dann.
Christian Stipkovits
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Aber andererseits muss genau so ein Protestsongcontestfinale ablaufen und aus meiner Sicht war es der beste der acht bisherigen 12. Februar Abende im Gemeindebautheater. Das hat zum einen am straffen Ablauf gelegen. Die Bühnencrew hat so schnell umgebaut, dass Dirk Stermann JurorInnen teilweise gar nicht zu Wort kommen hat lassen. Wo sonst im Radio manchmal minutenlanges erwartungsvolles Gemurmel zu hören war, ging es heuer recht fix, bis auf das Mikroproblem von Er ist tot, Jim, die sich davon aber nicht irritieren haben lassen. Der Abend war also aufgrund eines verdammt guten Zeitmanagements eine dreiviertel Stunde kürzer als sonst. Und das war gut so.
Christian Stipkovits
Zum anderen war die Jury heuer ideal besetzt: Martina Pfingstl hatte überhaupt kein Problem damit, für ihre durchdachten Kritiken auch Buhrufe zu kassieren. Das gilt auch für Ingrid Brodnig, die durch Selbstironie geglänzt hat und nur bei ihrer Argumentation gegen Betty´s Apartment im verschwurbelten Topfen stecken geblieben ist. Rainer Binder-Krieglstein hat sich selten zu Worte gemeldet, dann aber die richtigen gefunden. Aus Ernst Moldens Sätzen, die er sich hoffentlich vorher aufgeschrieben hat, weil niemand spontan so sprechen können sollte, lässt sich ein Haikuband zusammenstellen. Mit seiner Beschreibung des Siegerliedes als Ausdruck der "unendlichen Kraft der Bewegungslosigkeit" hat er vielleicht für eine Vorabentscheidung gesorgt. Martin Blumenau war Martin Blumenau und das ist beim Protestsongcontest auch ganz gut so. Nur Birgit Denk hat sich vielleicht ins Aus gestellt. Allerdings nicht wegen ihrer Erkenntnis, dass hirschl einen Protestsong gegen Menschen wie sie geschrieben haben. Und Peter Paul Skrepeks Abwesenheit ist natürlich schmerzlich aufgefallen.
Christian Stipkovits
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Zum dritten fällt und steht das Gelingen so eines Abends mit den Bands. Die sind natürlich immer gut, aber heuer waren die Auftritte qualitativ so nahe beieinander wie nie. Selbst Chris Crossemaker und FS2, die in der Endwertung nur drei bzw. vier Punkte bekommen haben, sind sowohl beim Publikum als auch in der Juryrunde nach ihrem Auftritt sehr gut aufgenommen worden bzw. nicht mehr kritisiert worden, als andere Bands. Aber bei der Punktevergabe ist es halt oft so, dass sich die Aufmerksamkeit der JurorInnen auf zwei, vielleicht drei Bands konzentriert und ich werde den Verdacht nicht los, dass so mancheR noch während der Endrunde schnell taktische Veränderungen vorgenommen hat. Und so sind Betty´s Apartment, hirschl, keine Angst! und überraschenderweise auch der Blonde Engel unter Wert gehandelt worden, wenn diese kontrastierende Metapher erlaubt ist.
Christian Stipkovits
Also wurde das Finale nach dem gewaltigen Vorsprung von pauT im vergangenen Jahr heuer wieder ein Poirot-Krimi. Denn wenn der Molden nicht Rotzpipn an der ersten Stelle stehen gehabt hätte, sondern die neun Punkte an Er ist tot, Jim vergeben hätte, wären die Brüder Marx mit ihrer Wiener Mentalitätskritik um einen Punkt geschlagen. Aber er hatte schon Recht, die schwarze Maria hat wenigstens den dritten Platz verdient.
Christian Stipkovits
Christian Stipkovits
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Erst danach hat es sich in der Jury herumgesprochen, dass einer der Marx-Brüder eine Audio-Werbeagentur hat, ein Wissen, das an Blumenaus neun Punkten noch etwas ändern hätte können. Viel schwerwiegender ist aber das Gerücht, dass angeblich Bandmitglieder der Marxerbuben in der Band von Birgit Denk mitspielen. Wenn das stimmt, wären ihre sieben Punkte ein starkes Stück. Rechtlich völlig legal, aber moralisch mehr als fragwürdig. Wir sind hier ja bitte nicht bei Grassers.
Christian Stipkovits
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Danach gab es im Anzengruber ein kleines Aftershowzusammensitzen, bei dem sich die Frage gestellt hat, warum der Abgang von Thomas Gottschalk bei Wetten Dass einen höheren Nachrichtenwert hat, als der von Peter Alexander aus dem Leben. Bei dem Schlagträgheit zum Gegenteil von Schlagfertigkeit erkoren worden ist. Und das mit dem Satz "Heim und Herd und dem Mann immer untertan" beendet wurde. Zum Beatles-Karaoke in die Albertgasse sind wir dann nicht mehr mitgegangen.