Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mubaraks Ära ist beendet"

Sammy Khamis

Are you serious...

12. 2. 2011 - 12:15

Mubaraks Ära ist beendet

Heute ist nicht der Tag für Gedankenspiele, heute ist der Tag für Emotionen. Und heute ist der Tag um zu feiern, was ein Volk in drei Wochen erreicht hat.

Endlich ist die Botschaft bis zu dem Mann vorgedrungen, der sich in Selbstgefälligkeit, Starrsinn, Autokratentum und Beratungsresistenz eingemauert hat. Vielleicht hat Hosni Mubarak gestern aus Versehen den Knopf auf der Fernbedienung gedrückt, der die Massen auf der Straße zeigt, der die Unzufriedenheit offen darstellt und den Präsidenten aus seiner Starre wirft. Wahrscheinlicher aber ist, dass das Militär mit seinen (internationalen) Beratern die Zustände für untragbar erachtet hat.

Die Menschen schauen nun um sich, sehen Lachen, sehen Zuversicht, sehen ein stolzes Ägypten, aber auch Lücken in ihren Reihen. Sie sehen den Nachbarn, der verletzt wurde, den Enkel, der erschossen wurde und den Geheimpolizisten, der dafür verantwortlich gemacht werden wird. Sie sehen ägyptische Flaggen, Frieden und Optimismus. Alle lachen, alle freuen sich, alle telefonieren mit ihren Freunden, der Familie, der Welt, und sie sagen: Seht her, was wir können, seht her, was wir erreichen, filmt alle Straßen, filmt alle Sachen, filmt, was passiert in Ägypten, und nehmt es in Euren Herzen und Köpfen auf und tragt es weiter.

Plakat von Mubarak wird heruntergerissen

EPA / AHMED YOUSSEF

And what about the future?

Die letzten drei Wochen werden wegweisend für unser zukünftiges Denken. Zum einen dürfen wir uns von der Theorie verabschieden, dass gewisse Regionen und Kulturkreise für Selbstbestimmung nicht geeignet sind. Ob die Demokratie Fuß fassen wird, hängt von jedem Einzelnen in Ägypten ab und auch von der zweiten Erkenntnis: der Westen ist dazu verpflichtet jedes Streben nach Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu unterstützen. Denn dann wird er sehen, dass Demokratien immer stabiler und immer moderater sind, als totalitäre Regime. Dass Demokratien keine Kriege untereinander führen. Dass das letzte Recht und die einzige Wahrheit der Wille des Volkes sind. Dass Moral und Wille Veränderung herbeiführen können und dass Angst ein Instrument mit Ablaufdatum ist.

Ich selbst bin mehr als stolz auf Ägypten. Auf das Volk, die Jugend, die Männer, die Frauen, die Kinder, die Ärzte, die Soldaten, die Künstler, die Journalisten und die Intelektuellen. Die 82 Millionen. Es erfüllt mich mit Stolz zusehen zu dürfen, wie sich Selbstbestimmung und Freiheit ihren Weg gegen Unterdrückung und Angst bahnen und wie sich Deutungshoheiten innerhalb von Stunden auflösen. Mit dem ersten Schuss auf die Demonstranten, mit den ersten Verletzten und den ersten Toten am 25.1. und 28.1. begann die Revolution in den Köpfen. Eine Regierung, die auf ihr eigenes Volk schießen lässt, kann nicht erwarten, dass es sich je wieder beruhigen lässt. Ein Westen, der über Jahrzehnte diese Regierung stützt und sich nicht eindeutig auf die Seite der Freiheit, der Wahrheit und des Volkes stellt, gibt jede Zurechnungsfähigkeit ab. Die Ägypter sind selbstbestimmt!

Die einzige Macht mit Bestand ist eine, die vom Volk ausgeht. Sollte sich dies in Ägypten jemals ändern, gehen die Menschen wieder auf die Straße. Sie lassen sich nicht weiter unterdrücken. Sie werden mit dem Wissen um ihren Erfolg wieder ein Volk voll Hoffnung. Ich als (nominell) halber Ägypter fühlte mich nie mehr zuhause als in den letzten Wochen in Kairo. Eine Bewegung, die dem Keim der Hoffnung entsprang und nun die Früchte des Erfolges trägt, macht mich, macht jeden zum Ägypter.

Demonstranten feiern Mubaraks Rücktritt

EPA / YAHYA ARHAB

Die nächsten Wochen wird es die Aufgabe eines jeden Einzelnen sein an einer demokratischen, transparenten, friedlichen und pluralistischen Gesellschaft zu arbeiten. Die Ägypter werden dafür viel opfern müssen, aber sie sind sich dessen bewusst. Die Einheit der Opposition in ihren Forderungen gegen die Regierung wird sich in den nächsten Wochen auflösen, doch nie werden wir uns in einer Bewegung so zu Hause gefühlt haben, wie in dieser.

Reality Check Spezial:

Der Tag nach Mubaraks Rücktritt. Am 12.2. von 12 bis 13 Uhr auf FM4

Im Land wird es nun ruhiger. Dass die Ägypter friedlich sind, bewiesen sie jeden Tag aufs Neue. Dass es ein Volk ist, das nicht nur unsere Anerkennung, sondern auch unsere Hilfe verdient, haben die Entwicklungen gezeigt. Dass es eine Gesellschaft ist, die Bestand hat, muss sie zeigen. Die Gerichte werden sich mit den Geschehnissen der letzten drei Wochen auseinandersetzen und Urteile werden (hoffentlich) gefällt werden. Es ist nicht die Zeit für Revange. Es ist die Zeit, an der Zukunft zu arbeiten. Gestern habe ich auf die Frage, wohin Ägypten gehen wird, noch geschrieben: "In die Freiheit, in die Selbstbestimmung, in die Zukunft. Aber heute noch mit dem Anker Mubarak". Heute heißt es ohne Mubarak, dafür mit der Energie der Freiheit, des Erfolges und mit einem Rucksack voll von Potentialen und Ideen.

Ägypten muss blühen. Mit den Menschen als Wasser, dem Erfolg als Sonne und der Hoffnung als Dünger.

Alf mabrwk