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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

11. 2. 2011 - 20:00

Das fallende Messer

Die "Guitar Hero"-Serie wird aufgegeben, die "Rock Band"-Firma wurde verkauft. Darf man wirklich nicht mehr ins Musikspiel greifen, ohne sich zu schneiden?

Bildschirmfoto aus dem Videospiel "Guitar Hero": Die fünf Spuren, auf denen die zu trefffenden "Noten" entgegenkommen.

Harmonix/Red Octane

Das Original: "Guitar Hero" (2005)

Ein "falling knife" hat John Riccitiello, Boss des zweitgrößten Videospiel-Verlages Electronic Arts (EA), vergangenen November die Gattung der rhythmusbasierten Musikspiele in einem Interview bezeichnet. Zwei Jahre davor hat es noch ganz anders ausgesehen: EA hat als zuständige Distributionsfirma fleißig am Hype der Plastikgitarren und -schlagzeuge mitgenascht. "Rock Band" wurde nach außen hin sogar glamorös via "MTV Games" vertrieben. Die Fusion von Popmusik und Videospielkultur war perfekt - aber eben nicht besonders lange: Vergangenen Mittwoch wurde offiziell die Weiterentwicklung der "Guitar Hero"-Serie eingestellt. "Rock Band"-Entwickler Harmonix wurde bereits im November 2010 vom kurzzeitigen Besitzer Viacom wieder abgestoßen.

"Guitar Hero": Nicht gut genug

Die gut fünf Jahre andauernde, höchst erfolgreiche Beziehung zwischen Popmusik (vor allem dem aus der Mottenkiste entstaubten Hard Rock, den davor niemanden mehr interessiert hatte) und Computerspielen hat zu jenem Hochmut geführt, der jetzt kühl und kalkulierend die Verbindung wieder kappt. Seit 2008, sagen die Verkaufsexperten, gehe es nur noch abwärts mit "Guitar Hero" und "Rock Band"-Spielen - also weg damit, ohne lange zu fackeln. Robert Kotick, berüchtigter Boss des weltgrößten Games-Publisher Activision-Blizzard führt so seinen infamen "Höher-schneller-weiter"-Kurs konsequent fort, der ihn bereits über die letzten Jahre hinweg unbeliebt in der Öffentlichkeit gemacht hat. Demnach solle man jene Marken und Serien, die man hat, so lange auspressen, bis sie ganz trocken sind, um sie schließlich wegzuwerfen. Innovationen kosten nur Geld, leichte Änderungen eines Konzeptes und ein bisschen neuer Content müssen genügen, um die Leute bei der Stange zu halten.

Activision-Blizzard CEO Robert Kotick mit einer "Guitar Hero"-Gitarre auf der Schulter.

Joe Pugliese / Forbes

Robert Kotick, vor der Scheidung

Nun hat sich Activision-Blizzard also ein paar Jahre blöd verdient mit Plastikinstrumenten und dazugehöriger Software. Dass jetzt nicht mehr verkauft wird, war wohl einkalkuliert und lässt kein Vorstandsmitglied mit der Wimper zucken. First Person Shooter - allen voran die hauseigene "Call of Duty"-Serie - wären nun das neue Ding, dank dessen die US-Dollar-Millionen nur so regnen. Und dass man "World of WarCraft" auch mit im Boot hat, passt bestens in die Unternehmensstrategie. Damit nach außen hin alles nicht ganz so unsympathisch wirkt, redet man sich darauf aus, dass sich die gesamte Games-Landschaft nun eben von physischen Produkten aus dem Handel komplett hin zum Download-Markt wenden würde. So plötzlich diese Erkenntnis, Herr Kotick?

"Rock Band": Wieder unabhängig

Zugegeben, billig in der Umsetzung waren die Gitarren- und Band-Spiele nie. Weniger wegen klassischen Entwicklungsfaktoren wie Game Design, Grafik und Programmierung, sondern wegen einzuholender Lizenzen, logistischen Problemen in Bezug auf die sperrigen Hardware-Controller und Verträgen mit Drittfirmen, die diese Hardware herstellen. Der Siegeszug der Bewegungssteuerung (bewährt: Nintendo Wii, begehrt: PlayStation Move, Xbox Kinect) bietet ein wesentlich lukrativeres Modell: Man investiert einmal gründlich in Forschung und Entwicklung und hat dafür ein ausgereiftes, langlebiges Interface, das sich nicht nur für Musikspiele gut eignet. Tanzen ist das neue Knöpfchendrücken.

Weiterlesen: "Von Tasten und Tänzen" - über den Wandel der Musikspiele.

Immerhin: Der ursprüngliche Innovator Harmonix, der sowohl die "Guitar Hero" als auch die "Rock Band"-Serie begründet und damit den Musikspiel-Craze erstmals wirklich erfolgreich von Japan in den Westen geholt hat, steht wieder auf eigenen Füßen und wird nicht so schnell die Flinte ins Korn werfen. Das wäre auch unklug: Gerade erst vergangenen Herbst hat man mit dem komplexen "Pro-Modus" quasi echtes Keyboard- und Gitarrespielen ins Game ("Rock Band 3") integriert. Das spricht zwar nur einen Nischenmarkt an, doch der wird dafür umso treuer sein - vor allem jetzt, da immer noch tausendfach Musikspielinstrumente in den Wohnzimmern dieser Welt lagern.

Ein Bildschirmfoto aus "Rock Band 3", auf dem ein Avatar Keyboard spielt.

Harmonix/MTV Games/EA

"I'm as free as a bird now ..."