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Roland Gratzer

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9. 2. 2011 - 11:30

Haha, Mutti muss gleich kotzen!

EA beruft sich mit seiner Marketingkampagne für Dead Space 2 auf grausliche Vorgänger und propagiert damit ein lächerliches Frauenbild.

Es war irgendwann vor dreieinhalb Jahren. Der an sich vertrauenswürdige Roboter-Bauer David Calkins fragt mich, ob ich denn schon dieses eine neue Video kenne, über das gerade alle reden. Sensations- und Diskurshöhegeil wie ich bin, überlasse ich dem bärtigen Kalifornier den Browser. Was ich dann zu sehen bekam, geht seitdem nicht mehr aus meinem Kopf. Zwei Frauen vergnügen sich mit allen nur denkbaren Grauslichkeiten, untermalt von Clayderman-Klaviergeklimpere. "Two Girls one Cup" war der Vomitus-Höhepunkt der Goatse-Ära. Als es mich erwischt hat, waren die sogenannten Reaction-Videos glücklicherweise noch nicht erfunden. Nur Wochen später überschwemmten youtube-clips das Internet, in denen ahnungslose Mütter und vor allem Großmütter mit der Fäkal-Orgie konfrontiert und von ihrer höchst seltsamen Lendenfrucht dabei auch noch gefilmt wurden.

2 girls one cup

unknown

So sieht das Video ganz bestimmt nicht aus.

Vom Viral Video zur Marketingidee

Ein Porno, für den man sich selbst beim noch so grindigen Videothek-Mitarbeiter schämen würde, gelangte so zu großer Berühmtheit. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis eine urkreative Marketingabteilung die Idee aufgreift um ein Produkt damit in die trending topics der viralen Aufmerksamkeitsökonomie zu heben.

Dazu braucht es aber zuallererst einmal ein schockierendes Produkt. Nichts eignet sich besser, als der vor kurzem erschienene Nachfolger des Horror-Schocker-SciFi-Third Person Shooters Dead Space. Die wohl überwiegende männliche Marketing-Crew von EA ließ für die Werbekampagne 200 Mütter im Rahmen einer angeblichen Marktforschungsanalyse ins Büro kommen. Die ahnungslosen Mütter kamen in einen dunklen Raum, vor ihnen nur riesige Bildschirme und eine Stimme aus dem Off. Die Frauen setzten sich hin und bekamen die heftigsten Szenen aus Dead Space 2 zu sehen. Alien-Zombies, die einem das Hirn aussaugen oder gerade noch mit einem Laser-Cutter fein säuberlich zerteilt werden.

yourmomhatesthis

EA

Videos von den Müttern gibt es hier.

Die Logik, die uns EA verkaufen will, sieht folgendermaßen aus: "Alles, was deine Mutter furchtbar findet, ist total super". Dieses Vorurteil bestätigte sich auch bei den ausgewählten Frauen: "That's horrible" - "Is this a game?" - "I hate it".

In einem weiteren Schritt sollen Game-Besitzer nun auch ihre eigenen Mütter vor den Bildschirm holen und sie bei ihren schockierenden Erlebnissen filmen. Das lustigste Filmchen gewinnt dann irgendwas mit Playstation.

In Deutschland war nicht einmal klar, ob das Spiel überhaupt in die Regale kommt. Erst nach beispielslosen sechs Prüfungsverfahren kommt es nun mit einiger Verspätung auch bei unseren Nachbarn ins Geschäft.

Die Idee hat funktioniert. Für gefühlte 15 Sekunden war der hashtag #yourmomhatesthis vorne dabei. Allerdings hat EA dafür auch einiges an Geld überwiesen, was das Ranking leicht entwertet.

Dead Space 2

EA

In der Gaming-Szene ist der Schuss nach hinten losgegangen. Den Marketing-Profis bei EA scheint entgangen zu sein, dass nicht nur pubertäre 15-Jährige mit komischem Mutterkomplex zur potentiellen Kundschaft gehören, sondern auch Frauen. Und manche davon haben sogar Kinder! Der Mutterbegriff, der im EA-Vorstand herrscht, sieht also folgendermaßen aus: Mütter sind naive, weltfremde Gutweibchen, die das Wohl ihrer Kinder durch die ach so brutalen Computerspiele gefährdet sehen. Sie sind konservativ, stehen auf Restriktionen und lassen sich emails ausdrucken.

Winda Bendetti meint: Leave the moms alone

Außerdem dürfen die 15-jährigen Pickelgfraster das Spiel sowieso nicht spielen, da es erst ab 18 erhältlich ist. Dass so ein Siegel keinen Pixel wert ist, ist klar. Aber wer soll ihnen denn das Spiel kaufen, wenn nicht ihre Eltern? Die Marketingkampagne spricht also männliche Wesen über 18 an, die ihren Müttern beweisen müssen, dass sie harte Kerle sind. Diese Menschen sind aber keine werberelevante Zielgruppe, sondern schlicht und einfach seltsame Menschen.

P.S.: Das Spiel selbst ist übrigens der absolute Wahnsinn. Wer Wer viel Wert auf einen gesegneten Schlaf legt, sollte allerdings die Finger davon lassen.