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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

9. 2. 2011 - 15:05

Tao Of The Dead

Die Texanischen Meister des Noise-Progressiv-Rocks entführen uns mit ihrem siebenten Studioalbum in eine wahnwitzige, psychedelische und epische Fantasy-Welt.

Heute im House Of Pain ab 22:00 Uhr:
Ein Trail Of Dead Spezial mit Songs aus dem neuen Album "Tao Of The Dead" und einem ausführlichen interview mit Conrad Keely.
Außerdem im House of Pain: "Neo Noir", das neue Werk der Neo- Grungerocker Navel.

Es ist schon zum Konzept geworden, dass Jason Reece und Conrad Keely die Musikjournalistenwelt an der Nase herumführen. Schon vor Jahren haben sie erfundene Geschichten zur Entstehung ihrer Band ...And You Know Us By The Trail Of Dead in Umlauf gebracht und mit dem Pressezettel zu ihrem neuen Album "To Of The Dead" schicken die beiden texanischen Witzbolde gleich ein Duzend typischer Journalistenfragen mit, die sie in lapidaren Einsatzaussagen beantworten, wobei oft auch nur ein "No" oder "Not really, no" zu lesen ist. In dem neuesten Presseinformationsvideo gehen Trail Of Dead sogar einen Schritt weiter und blödeln sich beim Besteigen des Kölner Doms durch albumbezogene Fragen, nur um das ganze Promotiontool für ein "Trail Of Dead Seminar" zweckzuentfremden. Dabei führen sie einen gekonnten Seitenhieb gegen den derzeitigen Selbst- und Lebenshilfe-Seminarboom aus und setzten noch einen drauf, als sie die Auswirkungen der Ausgrenzungspolitik ihres Ex-Presidenten George W. Bush als Kunstwerk misinterpretieren.

Jason Reece und Conrad keely von Trail Of Dead

Ben Garrett

Trail Of Dead sind auf dieser Ebene ein zweischneidiges Schwert. Selbst wenn Sänger und Gitarrist Conrad Keely immer wieder betont, sie würden sich selbst nicht so ernst nehmen, steckt in ihren Songs immer wieder relevante Gesellschaftskritik. Aber spricht man Jason und Reece auf ihre ernsthaften Überlegungen zu Umweltthemen an, verweisen sie lediglich darauf, sich die Platte genau anzuhören. Auch die permanenten Verweise auf Kunstwerke, wie dem Spiral Jetty, dem gleich eine ganze Nummer gewidmet ist, lassen die beiden gerne umkommentiert und damit offen zur Interpretation stehen. Was aber die musikalische Ebene betrifft, so sind die Texaner mit ihrem siebenten Studioalbum "Tao Of The Dead" mehr denn je ihrer Intuition und Inspiration gefolgt und legen dabei ihre persönlichen Verwurzelungen in der Popgeschichte für alle, die aufmerksam zuhören, offen.

The Dark Side Of Roger Waters

Vorsichtig schleicht sich mit sanften und sphärischen Gitarrenakkorden das instrumentale Eröffnungsstück "Introduction: Let's Experiment" ans Trommelfell, nur um kurz darauf in gewohnter Brachialität darauf einzuhämmern. Der Titel ist dabei Programm und richtungsweisend für das ganze Album. Schließlich war das Experimentieren laut Conrad Keely für Trail of Dead seit jeher die größte Herausforderung und gleichzeitig Inspirationsquelle. Zwar wird in meisterlicher Handwerklichkeit die typische wall of sound aus wuchtigen Giatrren und polternden Schlagzeugbeats in schwindelnde Höhen hinaufgezogen, allerdings lassen die Noise-Prog-Rocker diese vermehrt in sich zusammen fallen, um immer wieder auf abgespacten Sounds und poppigen Melodien davon zu schweben. Und da können dann einem bei dem federleichten Gitarrenriff von "Pure Radio Cosplay" sogar mal die jungen Stones im Kopf auftauchen. Doch mit der nächsten, geschrienen Gesangslinie und breiten Noise-Welle wird diese Assoziation gleich wieder hinweg gespült.

jason Reece und Conrad Keely von Trail Of Dead springen zur Deckenlampe

Boris Draschoff

Auffällig sind die analogen Synthies und der überschwängliche Hang, mehrere Gitarrenlinien mit Echos und Flanger zu einem Klangmeer anwachsen zu lassen, während ein gerade, treibener Beat den Track vorantreibt. Vor allem "The Fairlight Pendant" erinnert dabei stark an Keelys Jugendreferenzpunkte Can, Neu! und Kraftwerk, wobei Conrad besonders das Album "Computerwelt" verehrt. Aber nicht nur der gute, alte Krautrock wird auf "Tao Of the Dead" zitiert, denn die psychedelische Grundstimmung der Platte ähnelt unüberhörbar Keelys Kindheitshelden Pink Floyd. Schon mit acht Jahren habe er "Dark Side Of The Moon" zu seinem Lieblingswerk auserkoren und wenn man sich "Fall Of The Empire" anhört, so glaubt man in seiner langsamen Schwere, eigenwilligen Keyboardmelodien, den verhallten Gitarren und dem weichen, traurigen Gesang, Spuren der Handschrift von Roger Waters zu erkennen. Wobei Conrad sich dezidiert nicht als herrschsüchtiger Banddiktator sieht, denn was bei Pink Floyd nicht funktioniert hat, ist der Kern des Erfolgs von Trail Of Dead: Jason und Conrad ist nämlich ihre Freundschaft wichtiger als die Band, was sich in jeder selbstverständlichen Spielfreude äußert, die man das ganze Album hindurch auch hören kann.

Die Fantasiewelt des Conrad Keely

Experimentiert wurde für "Tao Of the Dead" diesmal auch auf der Produktionsebene. So sind alle Songs des neuen Albums in zwei Aufnahmesessions entstanden. Der erste Teil des Albums gliedert sich in elf Songs, die ineinander übergehen und Themen besitzen, die immer wieder in unterschiedlichen Modulationen auftauchen. Dafür stand Trail Of Dead übrigens ihr alter Freund Chris "Frenchie" Smith zur Seite, der schon vor dreizehn Jahren das selbstbetitelte Debüt der Texaner produziert hat. Der zweite Teil von "Tao Of the Dead" besteht aus einem sechzehnminütigem Psychedelic-Rockmonster, das Soundingenieur Chris Coady (seines Zeichens Produzent von u.a. Yeah Yeah Yeahs, Beach House und Blonde Redhead) mit der Band in einer Rutsch aufgenommen hat. Es nennt sich "Strange News From Another Planet", ist wohl eindeutig DAS Pink Floyd Stück der Platte und bezieht sich auf eine graphic si-fi novel, wie es Conrad Keely bezeichnet, an der er seit Jahren arbeitet. Im Booklet der CD bietet uns der leidenschaftliche Zeichner und Kunstfreak einen Ausschnitt daraus, wobei es sich um acht Hauptcharaktere dreht, die mehr oder weniger wissentlich in einen mörderischen Komplott verwickelt werden.

Albumcover "Tao Of the Dead" von Trail Of Dead

Conrad Keely

Schon als Kind hatte Conrad die Idee von dieser Fantasy-Welt, die er jetzt minutiös zu Papier bringt. Es ist seine Leidenschaft, die er nicht mehr länger unterdrücken und für sich behalten will. Auch wenn seine Ambitionen auf diesem Gebiet in inspirativer Wechselwirkung mit der Musik steht, verbringt Conrad Keely mitlerweile mehr Zeit mit den detailverliebten Zeichnungen seiner Fantasy-Welt, als der Produktion eines Albums.

Jason Reece und Conrad Kelly von Trail Of Dead im Portrait

Boris Draschoff

Das mag vielleicht auch an der Leichtigkeit und Geschwindigkeit liegen, mit der "Tao Of The Dead" entstanden ist. Untypisch für die Texaner hat die Band sich nicht lange mit Details aufgehalten, weniger Tonspuren und Soundschichten aufeinander gestapelt und sich auf die wesentlichen Songstrukturen konzentriert. Zwar kann man bei Trail Of Dead nicht wirklich von Reduktion sprechen, aber "Tao Of The Dead" ist wohl das most stripped down Album der texanischen Rocker, wobei ihnen gerade das gut zu Gesicht steht und man sich schon jetzt auf die Live-Performance von Trail Of Dead freuen kann. Denn wenn die Band am 10. April in der Arena Wien auf die Bühne tritt, dann wir wohl ein weiterer, genialer psychedelischer Noise-Rocksturm über uns hereinbrechen.