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Markus Keuschnigg

Aus der Welt der Filmfestivals: Von Kino-Buffets und dunklen Sälen.

10. 2. 2011 - 10:20

Drawn to Death

"The Walking Dead": Ein Trauermarsch für die untergehende Welt und ein Zombiefilm, der niemals endet.

Comic-Cover

Cross Cult

Die ersten elf Sammelbände von The Walking Dead sind bisher in (guter) deutscher Übersetzung beim Verlag Cross Cult erschienen. Sammelband zwölf ist in Vorbereitung und soll Ende Februar erscheinen.

Jetzt wird es ernst. Denn Zombies haben die Popkultur übernommen. Film, Fernsehen, ja sogar Musik: nichts ist mehr sicher vor den Untoten. Die Revolution der Zombies wäre sicherlich gescheitert, hätte es da nicht menschliche Helfer gegeben. Leute wie Robert Kirkman. Vor einigen Jahren hat der Amerikaner nämlich eine Idee: er will das ultimative Zombie-Comic schreiben. The Walking Dead nennt er seine Kreation – und sie schlägt ein wie eine Bombe. 80 Ausgaben gibt es mittlerweile schon, ein Ende ist nicht abzusehen.

Robert Kirkman, Superstar. Der stämmige Amerikaner mit dem Vollbart gehört mittlerweile zu den bekanntesten Comic-Autoren der Gegenwart. Zu verdanken hat er das „The Walking Dead“: im Oktober 2003 erscheint die erste Ausgabe, kurze Zeit später steht das Zombie-Comic bereits im Zentrum einer vibrierenden Fanbewegung. Kirkman erfüllt sich seinen Traum von einer Untotengeschichte zum perfekten Zeitpunkt: Anfang der 00er-Jahre ist der Zombie im Herzen der Popkultur angekommen. Und „The Walking Dead“ löst viele Versprechen ein, die Filme und Romane nicht halten konnten. Kirkman verbindet darin harte Bilder mit vielschichtigen Figuren; vor allem aber nimmt er sich die Freiheit heraus, seine Geschichte in immer neue, überraschende Bahnen zu lenken. Das kündigt er schon im Vorwort des ersten Sammelbandes an:

Der schlimmste Teil eines jeden Zombiefilms ist für mich der Schluss. Mit „The Walking Dead“ will ich so lange bei der Figur – in diesem Fall Rick Grimes – bleiben, wie es überhaupt nur möglich ist. „The Walking Dead“ soll eine Chronik sein, die Jahre von Ricks Leben genau aufzeichnet. Sie brauchen sich nicht zu fragen, wie es weiter geht. Sie werden es sehen. Dies ist der Zombiefilm, der niemals endet.

Comic Stadt

Cross Cult

Totenlied: Mensch und Zombie

DIe Homebase am 10.02 widmet sich den Untoten, Roli Gratzer und Michael Fiedler haben sich den Zombie-Games gewidmet, Markus Keuschnigg stellt "The Walking Dead" vor

Sieben Jahre dauert die Odyssee von Rick Grimes mittlerweile schon an: im ersten Band erwacht der Polizist in einem Krankenhaus. Nach mehrtägigem Koma liegt die Welt um ihn herum in Trümmern. Sein Haus ist leer, seine Frau und sein Kind sind verschwunden. Ganz in der Nähe, in einer Wiese liegt eine verweste Frau: ihre Hand greift nach Rick, nach seinem frischen Fleisch. Aus ihrem Mund kommen krächzende Geräusche. Guk. Guh. Garr. Später, als Rick sich entschlossen hat, im nahe gelegenen Atlanta nach seiner Familie zu suchen, kehrt er nochmals zurück zur Namenlosen. Er schießt ihr eine Kugel in den Kopf. Über seine Wange kullert eine Träne. Der Mensch steht im Zentrum dieses Comics, auch sein andauernder Kampf um Menschlichkeit. Als Ricks siebenjähriger Sohn auf einen wütenden Mann schießt, sagt er:

Es ist nicht so, wie wenn man einen Toten umbringt, Papa.

Und sein Vater antwortet:

So soll es auch nicht sein, Junge. So sollte es nie sein.

Zombies

Cross Cult

Kirkmans unendliche Zombie-Odyssee schlägt immer neue, unerwartete Bahnen ein. Figuren sterben, andere kommen hinzu. Die Untoten bleiben derweil im Hintergrund: sie sind ein bloßes Ventil, sie fördern das eigentliche Gesicht der Menschen zutage. Im Kern ist „The Walking Dead“ ein Drama, ein Trauermarsch für die untergehende Welt. „The Walking Dead“ ist nicht nur ein höchst erfolgreiches Zombiecomic. Sondern seit letztem Herbst auch eine Fernsehserie, die es auf Anhieb geschafft hat, für den Golden Globe nominiert zu werden.

Bilderwechsel: vom Comic zum Film

Ein Schuss. Und dann ist es still. Für immer. Als Rick Grimes im Krankenhaus aufwacht, hat die Welt sich verändert. Die Untoten haben die Kontrolle übernommen. Die Fernsehserie „The Walking Dead“ beginnt wie das Comic: der Zuschauer stürzt in eine Welt, die man aus unzähligen Zombiefilmen kennt. Die Zivilisation ist zusammen gebrochen, die Infrastruktur ebenso. Städte liegen in der Landschaft wie tote Giganten, sind nur mehr Erinnerungen an eine lebendige Vergangenheit. Eine ungewöhnliche Traurigkeit durchweht diese Serie: nichts daran ist spekulativ oder reißerisch, alles darin wirkt schmerzhaft realistisch. Frank Darabont ist der Mann, der dieses Projekt ins Leben gerufen hat: der Regisseur von Filmen wie „Die Verurteilten“ oder „The Green Mile“ weiß, dass Robert Kirkmans Comic-Vorlage eben nicht nur irgendeine Zombie-Geschichte ist; sondern dass es darin um mehr geht. Um Menschen.

Mann

AMC / Cross Cult

Rick Grimes, gezeichnet vom Leben

Robert Kirkman selbst ist einer der Produzenten der Fernsehserie: damit stellt er sicher, dass der Ton seiner Vorlage getroffen wird, selbst dann wenn sich die Geschichten in eine andere Richtung entwickeln, oder wenn neue Figuren hinzu gefügt werden. Beauftragt hat die Fernsehversion der amerikanische Kabelsender AMC, der bereits mit Serien wie „Mad Men“ und „Breaking Bad“ beachtliche Erfolge erzielen konnte. „Narrowcasting“ lautet das Zauberwort in der TV-Industrie: statt im „Broadcasting“ Formate für ein möglichst breites Publikum zu entwickeln, konzentriert man sich beim „Narrowcasting“ auf eine kleinere, aber leidenschaftliche Zielgruppe. Denn massenkompatibel ist „The Walking Dead“ nur bedingt: Darabont legt die Serie ruhig an. In der Pilotfolge läuft Rick Grimes minutenlang durch die tote Welt ohne ein Wort zu sprechen. Ebenso bedingungslos wie die Stille wird Gewalt dargestellt: zerhackte Körper und Kopfschüsse sind keine Seltenheit.

Zombies

AMC / Cross Cult

Szenenbild aus der Episode 2: Guts

„The Walking Dead“ ist eine Ausnahmeserie und wie schon das Comic eine Mischung aus Charakterdrama und Horrorschocker. Nur sechs Folgen umfasst die erste Staffel, im Herbst dieses Jahres soll die zweite Staffel ausgestrahlt werden. Material gibt es jedenfalls genug für Serienvater Frank Darabont: 80 Ausgaben hat Robert Kirkman bisher von „The Walking Dead“ geschrieben. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Sofern die Welt nicht untergeht.