Erstellt am: 6. 2. 2011 - 15:57 Uhr
Heimvorteil beim Air & Style 2011
Schon am Nachmittag leuchten die Farben grell in der Innenstadt. Menschen in neonfarbenen Jacken und Kapuzenpullis stehen auf der Maria-Theresien-Straße und sehen zu, wie Kinder auf Langlaufskiern im Kreis fahren. Die Olympischen Jugend-Winterspiele, die 2012 in Innsbruck stattfinden werden, stellen ihr Programm vor: Eislaufen, Biathlon, Bobfahren und Snowboarden. Der wahre Snowboard-Hotspot ist dieses Wochenende aber das Bergisel-Stadion, wo die Mutter aller Snowboardcontests, das Air & Style 2011, über die Bühne geht.
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Pünktlich zum Sonnenuntergang schießt der erste Snowboarder durch die Luft. Zuerst ein paar Nachwuchsfahrer, dann 16 der derzeit Weltbesten, die vom Alter her von den Rookies kaum zu unterscheiden sind. Sie stürzen sich die umgebaute Skisprungschanze hinunter, direkt auf einen riesigen Kicker zu, der sie dann meterhoch in die Höhe katapultiert und ihnen genügend Airtime für Drehungen, Salti und Grabs bietet. Gefahren wird im K.O.-System, d.h. zwei gegen zwei. "Richtig fair ist der Contest-Modus ja nicht", sagt einer der beiden Österreicher, der 23-jährige Werni Stock. Was er damit meint, wird schon im ersten Durchgang deutlich.
"Doch von Hundert kommt nur einer ganz nach oben" (Showgeschäft)
Jeder Fahrer hat drei Runs, derjenige mit der höchsten Punktezahl gewinnt. Anfangs sieht man viele wackelige Sprünge und Stürze. Erst die beiden Nordamerikaner, Sebastien Toutant und der 17-jährige Sage Kotsenburg, zeigen, welch unglaublich hohes Niveau im Snowboard-Freestyle heutzutage möglich ist. Leichtfüßig schütteln sie den Style nur so aus dem Ärmel und beweisen, dass sie eindeutig die stärksten Boarder in diesem Contest sind.
Doch im Mann-gegen-Mann-Duell kann nur einer weiterkommen. Und so kickt Sage Kotsenburg schließlich den X-Games Gewinner und Air & Style Favoriten Sebastien Toutant mit einem Sprung aus dem Bewerb, der noch nie bei einem Contest gestanden wurde - ein cab 1440 double cork, also eine Vierfach-Umdrehung um die eigene Körperachse mit zwei Salti. "Seb is my best friend, so it really sucked to kick him out", sagt der Newcomer Sage Kotsenburg, an dem sich das Schicksal gleich darauf rächt. Denn im nächsten Durchlauf wird er von seinem zweiten besten Freund, dem Kanadier Mark McMorris geschlagen.
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"Und darum sag ich. Das ahn' ich gar nich'. Ich hab kein Plan" (Ahn' ich gar nich')
Ganz wie beim Fußballl, hat man auch bei der Air & Style-Springerei als Lokalmatador einen Heimvorteil. Der Zillertaler Werni Stock, der im Vorjahr das erste Mal im Bergisel Stadion mit dabei war, hat das Publikum und das Glück klar auf seiner Seite. Stock-Rufe hallen durch die Innsbrucker Nacht und übertönen sogar die traditionell lauten Anti-Autti-Schreie. Nach dem ersten Durchgang ist der stylishe Finne eindeutig raus aus dem Bewerb und Werni Stock weiter, und kurz darauf steht der 23-jährige Tiroler dann auch schon im Finale. "Ich hätte mir nie erträumen lassen, dass heute alles so gut geht. Wie ich das gemacht habe, weiß ich nicht. Ich bin jedenfalls total happy", sagt Werni und holt sich vor seiner letzten Show noch ein Motivationsbussi von seiner Freundin.
Und dann geht alles sehr schnell. Viel zu schnell. Der letzte Snowboarder fliegt durch den Innsbrucker Nachthimmel und schon werden die Siegertreppchen aufgebaut. Werni Stock, der das Contest-Format am Vormittag noch kritisiert hat, bekommt am Abend vom dreifachen Air & Style-Gewinner, dem Österreicher Stefan Gimpl, die Bronzemedaille überreicht. Mit der Startnummer drei wird er Dritter. Der Finne Peetu Piiroinen, der die Startnummer zwei trägt, wird Zweiter und der Kanadier Mark McMorris Erster. Zum Glück hat er die Nummer neun auf seinem Rücken kleben, sonst könnte man fast von schicksalhafter Vorherbestimmung sprechen.
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"Also alle, die feiern wollen, sagen Hey. Und alle, die rocken wollen, die sagen Ho" (Klar)
Das Air & Style ist schon seit seiner 18-jährigen Bestehungsgeschichte ein Winterfestival, das Sport und Musik kombiniert. Und so machen die gefeierten Snowboard-Stars zum Schluss noch Mr.Soundstyler Jan Delay Platz, der seine Aufgabe, das Publikum zum Kochen zu bringen, sehr ernst nimmt.
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"Das ist die merkwürdigste Konzertsituation, in der ich je war. Ihr seid so weit weg", sagt er gewohnt nasal und beschließt nach wenigen Minuten näher zum Publikum zu kommen. Mit Lackschuhen stapft er von der Bühne runter, durch den Schnee in der Landezone, rüber zu den Zuschauertribünen. Tosender Applaus und eine Meute, die zu Versatzstücken von Technotronics "Pump up the jam" rumhüpft, sind die Folge. "Es ist viel geiler hier", meint Jan Delay zu seiner Band. "Aber auch kälter". Und deshalb ist er kurz darauf wieder zurück auf der Bühne. Die 80er, die 90er - der Hamburger Musiker vermanscht in seiner Liveshow altbekannte Trash-Stücke aus den letzten Jahren. Von den Backstreet Boys bis zu Missy Elliot ist alles dabei, was Spaß macht. Die Stimmung ist erhitzt wie nach einem Saunagang, ein paar Burschen im Publikum stehen mit entblößten Oberkörpern da und schwingen ihre Pullover über ihren Köpfen.
Der Saxophonspieler der Disko No.1 Band hat offensichtlich beim Snowboard Contest zugeschaut, denn er legt auf der Bühne eine Art Disko-360 hin, wenn auch nur unbeabsichtigt. Der absolute Höhepunkt ist dann noch die Zugabe, in der Herr Delay gleich zwei Damen auf die Bühne bringt: Katja Ebstein und Barbara Streisand, in irrwitzig vertauschten Rollen. Um es mit Jan Delays Worten zu sagen: "Die Party ist zu Ende, doch die nächste kommt bestimmt" (Die Party ist zu Ende)