Erstellt am: 6. 2. 2011 - 12:55 Uhr
Ein Sommer in Rom
When in Rome
„Rom steckt voller Überraschungen.“
„Wie meinst du das?“
„Deine Frau hat dich hier verlassen.“
Verwirrt griff Forrest nach einer Zigarette, bis ihm einfiel, dass er das Rauchen aufgegeben hatte.
„Das hatte etwas mit Rom zu tun, oder nicht?“
„Kann sein. Sie sagte, Rom regt sie auf. Aber das hat sie über die meisten Orte gesagt, an denen wir gewesen sind.“
Die 1950er Jahre: Der Amerikaner Forrest, ein Geschäftsmann aus New York, etwa Mitte 30, ist auf Reisen, zusammen mit seiner Frau. Diese verlässt ihn jedoch in Rom und kehrt nach New York zurück. Forrest aber bleibt – und trifft auf den einheimischen Schüler Marcello, 17. Der Beginn einer Romanze, einer Affäre zwischen zwei Männern. Letztlich geht es in diesem nun erstmals in Deutsche übersetzten Roman des US-Schriftstellers Donald Windham aber einfach um die großen Themen Liebe und Freundschaft. Und „Zwei Menschen“ - im Original von 1965 „Two People“ – ist auch ein wunderbarer Rom-Reiseführer, der all die Orte und Plätze nennt, die die Stadt so besonders machen. Sie nicht nur nennt, sondern einen direkt dort hin bringt.
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Es war halb acht, die Hauptgeschäftszeit des römischen Einkaufstages. Die Schwärme der Menschen auf den Straßen spiegelten die Schwalbenschwärme über den Dächern, und das Neonleuchten einiger Reklameschilder war rosa wie der Sonnenuntergang und blau wie der Abendstern.
Während sie an einer Straßenecke warteten, dass der Verkehr vorbeifuhr, fragte sich Forrest, ob es Marcello nichts ausmachte, in der Menge mit ihm gesehen zu werden.
Viel Arbeit und kein Erfolg. Das waren irgendwann einmal die doch recht bitteren Worte des Donald Windham, der letztes Jahr hochbetagt in New York gestorben ist. In der Stadt, in die er 1939 aus dem Süden der Vereinigten Staaten gekommen war, aus Atlanta, Georgia. Damals war Donald Windham gerade 19 Jahre alt. Und er war schwul. Hoch oben über dem Central Park wohnte er, bis zu seinem Tod. Seine Autoren-Buddies Truman Capote (“Breakfast At Tiffany's“) und Tennessee Williams („Cat On A Hot Tin Roof“) hatte Donald Windham an irdischem Dasein zwar überlebt, aber an deren Erfolg war er nie herangekommen.
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Zu existentialistisch europäisch sei die Arbeit von Donald Windham, hieß es. Aber auch in Europa wurde sein erster Roman, so wie sein weiteres Werk, nicht wirklich angenommen, trotz etwa der Empfehlung von Thomas Mann für die kristalline Prosa des US-Kollegen, und auch wenn er mit „The Dog Star“ eine Art wahren Fänger im Roggen geschrieben hatte, ein Jahr bevor J.D. Salingers „Catcher in The Rye“ erschienen war, und auch wenn „Two People“ längst als Klassiker der Gay-Literature gilt. Vielleicht war Windhams Blackie Pride eine zu harte Variante des Holden Caulfield, eine Südstaaten-Figur, kompromissloser und brutaler als der sensible Holden der Ostküste.
Die deutsche Übersetzung von „The Dog Star“, die glücklicherweise einfach „Dog Star“ blieb, hat Donald Windham noch miterlebt, und auch den doch etwas zu einer gewissen Genugtuung beitragenden Vibe seiner Wiederentdeckung hatte er noch ein wenig spüren können, auch wenn er „Two People“ als „Zwei Menschen“ nicht mehr erleben konnte.
Die Windham-Wiederentdeckung, die ja schon beinahe das Ausmaß einer kleinen Mania hat, wird weitergehen, jedenfalls was deutsche Übersetzungen betrifft. What's next aus dem Werk des Meisters? Vielleicht „The Hero Continues“? Oder „Tanaquil“? Oder „Lost Friendships“?
Windham
Donald Windham
Wie geht es aber weiter in Rom in diesem Sommer in den 50s? Im Rom des Pier Paolo Pasolini und wie sie alle hießen, die Intellektuellen und Hipster. Wie geht es weiter mit Marcello und Forrest?
Forrest streckte seine Hand aus.
„Arrivederci.“
Marcello schüttelte die Hand, die Forrest ihm hinhielt. Dann fasste er den Amerikaner bei den Schultern und küsste ihn auf beide Wangen, wie Italiener es bei engen Freunden und Verwandten tun.
„Arrivederci.“
Während er dastand und den Bus davonfahren sah, lächelte er nicht.
„Zwei Menschen“ von Donald Windham wurde von Alexander Konrad für den Lilienfeld Verlag ins Deutsche übersetzt.