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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

4. 2. 2011 - 20:18

Journal 2011. Eintrag 29.

Der Nutella-Fluch. Die späte Rache von Käpt'n Nuss.

2011 ist, wie zu erwarten war, wieder ein Journal-Jahr wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009.
Das bedeutet, wenn man das Fußball-Journal '11 dazurechnet: es gibt wieder einen täglichen Eintrag, Anregungs- und Denkfutter inclusive.

Zumeist werden sich hier Geschichten/Analysen finden, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo finden konnte; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit einer wirklich enorm tiefgreifenden Recherche nach den Hintergründen der aktuellen Nutella-Krise.

Die Fix & Foxi-Hefte waren schuld an meiner Involvierung.
Denn da fand in grauer Vorzeit, als ich noch ein Kind in der Transitzone zwischen leichter Beeinflussbarkeit durch Autoritäten und individueller Bewusstseins-Entwicklung war, ein Krieg statt um einen hart umkämpften Markt - dem der Nuss-Nougat-Cremen.
Der Sieger in Österreich stand schnell fest: denn Käpt'n Nuss, die Erdnuss-Variante mit der absurden Comix-Werbung war hierzulande gar nicht erhältlich. Aber auch in Deutschland ging der Kampf zugunsten des Großen aus: Nutella all the way.

Käptn Nuss-Werbung

kraft food

Der beschuhte Käpt'n und die wahren Helden, seine vier bloßfüßigen Matrosen.

Käpt'n Nuss wurde eingestellt.
Zum Entsetzen derer, die die Erd- über die Haselnuss stellten, aber auch zu meinem, wiewohl ich nie auch nur davon gekostet hatte. Denn dieser Verdrängungswettbewerb achtete nicht auf Konsumenten-Wünsche oder Verkaufserfolge (die des Käpt'ns Creme durchaus aufweisen konnte), sondern spielte sich auf anderen, preis- oder vertriebspolitischen Ebenen ab, hatte mit übergeordneten Deals mit dem Großhandel und natürlich mit der Marktmacht von Ferrero, dem Mutterkonzern, zu tun. Sprich: nicht, wie von allen ökonomischen Theorien behauptet und den Wirtschafttreibenden immer blauäugig aufgesagt, die Nachfrage regulierte den Markt, sondern das Kapital bestimmte.

Nicht dass ich das als Fix&Foxi-Leser schon so klar verstanden hätte - aber das ungute Gefühl hier von einer gierigen Maschinerie abgelinkt (und dazu noch mit durchsichtigen Ausreden abgespeist) worden zu sein, hat sich damals vielleicht erstmals manifestiert.

Nutella ist seitdem eine einzige Erfolgsgeschichte, an der ich mich auch durchaus mitschuldig gemacht habe - und trotzdem liegt da ein Fluch drauf, vor allem auf der FixundFoxi-Ebene der Kinder und der Jungen; irgendwie wurde da gejinxt, wahrscheinlich von einem der Matrosen oder dem jugendlichen Helferlein des Käpt'n, dem mit dem Piratenkopftuch, der da im untersten Bild mit dem Mädchen poussiert.

Scheiße am Schuh kleben

Das zeigt sich vor allem im Bereich der Werbung. Zuerst geriet Nutella indirekt durch die glitschige Rolle von Ferrero im Parteispender-Skandal der Kohl-CDU in die Negativ-Schlagzeilen.

Um sich da rauszumanövrieren, ersonn man eine werbetechnische Kooperation mit den Fußball-Nationalmannschaften im deutschsprachigen Raum. Und da geht seitdem dauernd etwas schief; vor allem in Deutschland, dem vormaligen Käpt'n-Nuss-Country.
Den sogenannten Nutella-Boys, also den Protagonisten der lustigen Viererbanden-TV-Spots klebt seit Anbeginn die Scheiße am Schuh.
Die erste Generation von 2004 etwa. Das waren die damals hoffnungsfrohen Talente Benjamin Lauth, Kevin Kurányi, Arne Friedrich und Andreas Hinkel. Bis auf Friedrich schaffte es keiner davon in den WM-Kader 06 - Kuranyi wurde vom Nutella- zu Skandal-Boy.

Die zweite Staffel der Werbe-Soap geriet wenig besser: Tim Borowski und Marcell Jansen, die Hinkel und Lauth ersetzten, stellten sich ebenfalls als unsichere Kandidaten heraus.

Die dritte Generation mit vier völlig neuen Gesichtern hatte dieselben Probleme: bis auf Manuel Neuer nix als Troubles. Simon Rolfes als Verletzungs-Pechmarie, Jermaine Jones als Kevin der Zweite - die Skandalnudel hat mittlerweile sogar die Staatsbürgerschaft abgegeben, und, äh, wer war nochmal Tobias Weis?

Skandalnudeln und andere Sündenböcke

Generation 4 sieht bis jetzt noch ganz gut aus - neben Neuer sind Mesut Özil, Mats Hummels und Benedikt Höwedes dabei. Und man kann den dreien angesichts der Karriere-Kurven ihrer Vorgänger nur das Beste wünschen - oder sie besser gleich in die nächste Santeria-Bude schicken.

Österreichs Nutella-Boys brauchen sich hinter der deutschen Bilanz nicht zu verstecken. 2007, vor der Heim-EM 2008 weitete Nutella den Deal auch zu uns aus - und der Fluch des Käpt'n Nuss schwappte rüber: zwei der vier Akteure wurden nicht nominiert (Mark Janko und Andi Dober), einer bekam knapp vor dem Turnier eine mysteriöse Magenblutung (Helge Payer) und auch Andreas Ivanschitz brachten weder Euro noch Nutella-Spot viel Glück.

Die zweite Österreich-Generation von 2009 ist ein Spürchen cleverer aufgestellt: immerhin sind mit Janko und Stefan Maierhofer zwei Teamspieler dabei. Allerdings stellt Andi Dober, der seit 2007 von Pacult und dem Hofmann-Loch fast bewusstlos geprügelte Sündenbock, eindeutig keine Erfolgsgeschichte dar - und als vierten Mann Ivica Vastic, den längst zurückgetretenen Oldie zu nehmen, zeigt wieviel Angst vor den Nutella-Fluch bereits kursiert - es dürfte sich gar kein Aktiver mehr finden, der das Risiko auf sich nimmt.

Der Fuch, der über den Nutella-Boys liegt, wurde bereits von hochwissenschaftlichen Fachpublikationen wie dem Galileo-Magazin untersucht - nun aber erreicht der Spuk eine neue Qualität.

"Es schmeckt einfach ekelhaft."

"Eiweiß, Calzium, Eisen und Vitamine", sagt die Allgemeine Nutellawerbung aus dem Jahr 1973, wären die vier Grundbestandteile des Aufstrichs, und ein blonder Bub fährt sich angesichts eines schön bestrichenen Stücks Weißbrot mit der Zunge über die Lippen, zur Zufriedenheit seiner ebenso blonden Mutter.

Ja, Schnecken.
Seit heute wissen wir, dass es doch nur Fett und Zucker ist (wer hätte das gedacht). Und weil die US-Gerichtsbarkeit tatsächlich so funktioniert, wie das in Boston Legal vorgespielt wird, kann man aus diesem Nichts auch eine Millionenklage machen.

Wirklich witzig ist ja auch nur eine Fußnote dieser Geschichte. Dass nämlich die Ferrero-Chemiker, pardon, die Hersteller der gesunden Creme, so zitiert werden: "Wir haben im Labor versucht, ein Nutella light oder Kinder-Schokolade mit viel weniger Zucker und Fett zu fabrizieren, aber wir schaffen es nicht: Es schmeckt einfach ekelhaft."

Word. Endlich sagt's einer. Fett schmeckt leiwand, Zucker ist super - alles andere schmeckt nur kotzikotzi. Das allerdings als gesund oder gut für Leistungssportler zu verkaufen - das kann man schon als Irreführung bezeichnen. Und wer so blöd ist derlei zuzugeben, der wird wohl auch zurecht geklagt.
Von irgendwoher höre ich den alten Käpt'n Nuss unverhohlen lachen; in all seiner aufgestauten Gehässigkeit.