Erstellt am: 6. 2. 2011 - 11:34 Uhr
Meide die romantische Komödie!
Das Ausgehen in Berlin ist manchmal ganz schön schwierig, vor allem wenn man in dieser trüben Zeit des Jahres an einem Welt- und Eventekel leidet.
Kaum ist die Berlin Fashionweek vorbei, beginnt das Medienkunstfestival Transmediale. Aber auch wenn der Club Transmediale (ctm) von den Popfeuilletonisten als bestes, innovativstes Festival Berlins gelobt wird - die Selbstversuche der letzten Jahre haben doch ergeben, dass man sich bei der ctm eine regelrechte Medienkunstdepression einfangen kann. Natürlich lassen sich dort immer wieder interessante Klang- und Bildexperimente aus aller Welt erleben, gleichzeitig muss man aber auch die unschöne Männer- und Nerdlastigkeit des Clubpublikums in Kauf nehmen.
Nach der Transmediale kommt die Berlinale, aber zwischendurch kann man ja einfach mal so normal ins Kino gehen, das schafft doch immer so ein glamouröses Grundgefühl. Ein sehr nützlicher Imperativ bei der Gruppendiskussion "Welcher Film?" lautet dabei: "Meide die romantische Komödie!"
Rösinger
Hier trennt sich auch im Freundeskreis die Spreu vom Weizen. Bislang einigermaßen vernünftige, geschmacksichere Menschen finden plötzlich warme Worte für dieses zutiefst ungute Genre und überraschen mit Insiderwissen zu "Notting Hill", "Pretty Woman", "Haben sie das von den Morgans gehört?" und Bridget Jones Teil 1-17. Dabei ist die romantische Komödie der Trivialroman des 21. Jahrhunderts, die scheußlichste Unterabteilung des Hollywood-Films. Selbst die Familienkomödie ist noch leichter zu ertragen, weil da wenigstens meistens ein verwuschelter, schlecht erzogener Hund mit spielt.
Die romantische Komödie hingegen zementiert die heterosexuell-paarnormative Zwangsmatrix. Schon Jugendliche werden so darauf abgerichtet den Irrglauben zu übernehmen, der Sinn des Lebens bestehe darin, sich zum unschönen Paar zusammen zu klumpen.
Nach dieser Grundsatzdiskussion zog es dann die Kinogruppe zur französischen Komödie "Der Auftragslover", denn, so die Argumentationslinie, man muss sich hin und wieder zur Feindbeobachtung auch um verhasste Genres kümmern. Der Ausflug in ein Kinocenter am Rande des Szenebezirks Friedrichshain war der in eine anderer Welt: Hunderte Vorstadtpärchen in der Popcornhölle, die sich romantische Komödien anschauen - vielleicht weil ihr eigenes Beziehungsleben weder romantisch noch komödiantisch ist. Hochinteressant auch die Vorfilme: Es gibt jetzt nämlich auch eine Job-Komödie mit Harrison Ford, eine Ball-Komödie mit Daniel Brühl und der Themenkomplex "Sex mit dem guten Freund" wird auch wieder neu komödiantisch verhandelt.
Warner
Aber dann kam wirklich der allerscheußlichste Trailer, den man sich in den widerlichsten Alpträumen vorstellen kann.Til Schweiger spielt im neuen Til-Schweiger-Film einen crazy-unkonventionellen Vater wider Willen und sein eigenes bedauernswertes Kind muss auch mitspielen. Es gibt also ein neues verhasstes Genre: Die deutsche Patchworkkomödie.