Erstellt am: 4. 2. 2011 - 21:32 Uhr
Kein Heim für Plastik
Irmi Wutscher über Plastiksackerl in Österreich
Der 4. Februar ist der Aktionstag für ein Plastiksackerlverbot in Österreich. Neben den Grünen und Global 2000 fordern auch vermehrt Stimmen aus der Bevölkerung ein Plastiksackerlverbot wie in Italien.
Die grüne Steiermark
In der steirischen Ökoregion Kaindorf verzichten bereits 16 Betriebe freiwillig auf Plasitksackerl und verwenden stattdessen die Pendants aus Papier. Die Stadt Leibnitz verschenkt Stoffsackerl, um den Plastikmüll einzudämmen und im steirischen Eisbach geht die Familie Krautwaschl/Rabensteiner noch einen Schritt weiter und versucht, komplett ohne Plastik auszukommen.
Ausschlaggebend für ihr Experiment "Kein Heim für Plastik" war der Film "Plastic Planet" von Werner Boothe. Sandra Krautwaschl wollte die Plastikflut in ihren vier Wänden eindämmen und startete zuerst mit einem "kunststofffreien Monat".
Sandra Krautwaschl
Im November 2009 inspizierte die Familie den ganzen Haushalt auf Plastikgegenstände und räumte den größten Teil davon in die Scheune. Natürlich geht die fünfköpfige Familie auch Kompromisse ein – Unterhaltungsmedien wie Computer und Fernseher dürfen bleiben, genauso wie der Geschirrspüler, der den Familienfrieden wahrt. Das Hauptaugenmerk des Experiments ist es, so wenig Plastikmüll wie möglich zu produzieren. Schaut man sich bewusst in einem Supermarkt um, fällt einem auf, dass fast alle Produkte in Plastik verpackt sind. Wie startet man da am Besten in ein kunststofffreies Leben?
Daniela Derntl
Sandra Krautwaschl rät, mit einfachen, kleinen Schritten anzufangen, wie zum Beispiel mit Stoffsackerl. Papiertaschen stellen für sie nur die zweit beste Alternative dar, denn auch wenn sie leichter ökologisch abbaubar sind, werden sie nur kurzfristig benutzt und dann wieder weggeschmissen. Sandra Krautwaschl setzt voll auf Wiederverwendung von Behältern und auf Pfandflaschen. Deshalb ist es für sie auch keine große Hürde, Lebensmittel ohne Plastikverpackung zu finden: Wurst und Käse lässt sie im Supermarkt in selbstmitgebrachten Metallboxen abpacken und Milchprodukte gibt es auch in Glasbehältern.
Seife und Wascherde statt Duschgel und Haarshampoo, Zahnputzsalz oder –pasta aus Metalltuben, Zahnbürsten aus Holz oder welche mit austauschbaren Bürstenköpfen, umweltfreundliche Zitronensäure und Essig statt Putzmittel.
Daniela Derntl
Aber nicht nur was die Familie einkauft, sondern auch wie die Familie mit den Konsumgütern umgeht, hat sich verändert. Der sparsamere, weil bewusstere Verbrauch hat unter anderem dafür gesorgt, dass die Familie im letzten Jahr Geld gespart hat, obwohl sie nun teurere, weil qualitativ hochwertigere Lebensmittel kauft. Die Auswahl ist kleiner geworden und die Produktvielfalt überfordert nicht mehr. Das Wohlbefinden der 39-jährigen Physiotherapeutin hat sich gesteigert, weil der Konsumstress wegfällt und sie durch dieses Experiment einen kleinen, aber wichtigen Beitrag für ihre Familie und die Umwelt leistet.
Diese Umstellung mag sich radikal und schwierig anhören, aber Sandra Krautwaschl erlebt ein plastikfreies Leben nicht als Verzicht, obwohl sie die Kartoffelchips, die es nur in Plastikverpackungen gibt, schon etwas vermisst. Kein Familienmitglied muss auf etwas verzichten, nur weil es aus Plastik (oder darin eingepackt) ist.
Nobody is Perfect
Die Familie erhebt keinen lähmenden perfektionistischen Anspruch, sondern versucht pragmatisch ihr Bestes, um Plastik soweit wie möglich zu vermeiden. Es geht vor allem um eine Einstellungsänderung und das Experiment weitet sich mittlerweile vom eigenen Haushalt auf die nähere Umgebung aus. Sandra Krautwaschl plant ein Projekt zur Bewusstseinsbildung und Müllvermeidung in ihrer Heimatgemeinde Eisbach und einen Ideenwettbewerb für Schüler. Darüber hinaus arbeitet die Steirerin an einem Buch, in dem sie ihren plastikfreien Alltag beschreibt. Sie betreibt auch einen Blog "Kein Heim für Plastik", in dem sie Einkaufs-Tipps gibt. Nach einem Jahr des Experiments hat sie sich ein umfangreiches Wissen über Plastik erarbeitet. Sandra Krautwaschl stört bei Plastik-Verpackungen besonders das Hygiene-Argument, denn es erscheint ihr absurd, dass schadstoffreiche Materialen (die u.a. Hormonwirkung haben) der Gesundheitsvorsorge dienen sollen.
Grassroots gegen Plastik
Nachdem die Politik in diesem Bereich noch wenig diskussionsbereit ist, hofft sie, dass die Bevölkerung freiwillig in das Thema einsteigt und "den Spieß umdreht". Alleine in Österreich werden laut Angaben der Grünen und Global 2000 jährlich über 350 Millionen Plastiksackerl in Umlauf gebracht. Ihre Produktion verschwendet unnötig Ressourcen und setzt CO2-Emissionen frei. Nach kurzem Gebrauch werden sie weggeschmissen und es dauert oft mehrere hundert Jahre, bis sie verrotten.
Hier geht's zur Online-Petition "Plastiksackerlverbot in Österreich"
Sandra Krautwaschl ist mit vielen Einzelpersonen und kleinen Grassroots-Organisationen u.a. in Deutschland in Kontakt und glaubt, dass zuerst die Gesellschaft umdenken muss, bevor die Politik Handlungen folgen lässt. Sie und ihre Familie bleiben auch in Zukunft plastikfrei und sind stolz, dass sie zu fünft nur einen halben Gelben-Sack Plastikmüll im letzten Jahr verursacht haben.