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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

3. 2. 2011 - 15:38

Staatskünstler in der Sitzdisko

So Sophisticated: Kruder & Dorfmeister im Burgtheater. Ein präzise und elegant eingespieltes Uhrwerk, das gegen Ende der Show leider den Geist aufgibt.

Alle Fotos: Daniel Eberharter

Eine höhere Auszeichnung als das Gastspiel im Wiener Burgtheater ist wohl nur noch das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, aber sonst geht da eigentlich nichts mehr drüber. Kruder & Dorfmeister, die Original Bedroom Rockers, sind nun endgültig in der Hochkultur gelandet – Lounge in Logen.

Grund für die späte Wien-Präsentation ihrer Live-Show, mit der sie bereits beim Springten Festival in Graz sowie in Berlin, London, New York usw. reüssierten, sind die immensen Kosten des High-End Set-Ups. Ohne die Finanzstärke des Gastgebers wäre dieses Heimspiel in der Sitzdisko nicht möglich gewesen und hoffentlich lässt das Publikum die Konventionen der Theaterkulisse bald hinter sich.

Kruder & Dorfmeister, Burg in Concert, Schild vor dem Burgtheater

Daniel Eberharter

Kruder & Dorfmeister spielten am Samstag im Züricher Volkshaus. Das Konzert wurde via Webstream im Netz übertragen und wer beide Konzerte gesehen hat, erlebte in Wien ein Déjà-Vu, denn die Setlists der Shows war ident.

1. Akt: Past

Das Konzert, konzipiert als autobiographische Reise von der Vergangenheit in die Zukunft von G-Stone Recordings, startet mit "High Noon", einem Track ihrer ersten EP "G-Stoned" aus dem Jahre 1993. Beim ersten Ton beginnt eine blaue Frequenzlinie auf der LED-Wall zu wabern und mit der Reise setzt ein Erinnerungsflash ein. Kruder & Dorfmeister bestimmten nicht nur ein Genre, sondern produzierten auch den Soundtrack eines Lebensabschnitts. Das Publikum, in der Statik der reinen Zuhörer und Zuseher-Position gefangen, taucht ab in die Soundscapes und die Bilderwelten von Fritz Fitzke, der das Duo schon seit den Neunzigern visuell ins richtige Licht setzt. Gelten Kruder & Dorfmeister als Pioniere eines Genres, die gemeinsam mit einer jungen Generation von Musikern Wien auf der popkulturellen Landkarte der Neunziger markierten, kann man Fritz Fitzke einen ähnlichen Stellenwert im VJ-Bereich zugestehen. Er, sowie Julia Starsky und Pepi Öttl waren damals wegweisende Bilderwerfer, die der jungen Wiener VJ-Community, die ihr Können im März/April wieder beim Sound:frame Festival präsentieren wird, den Weg in die Clubs ebnete.

"Bug Powder Dust", "Useless" und "Rollin on Chrome" von der "K&D Sessions" folgen, begleitet von einem halluzinogenen Panoptikum auf der Bühne. Die CDs der 1998 erschienen "K&D Sessions" in Gold zu tauchen, war weise Voraussicht. Die altbekannten Klassiker klingen live leicht modifiziert, mal druckvoller, mal ausgeschmückter und verziert, aber immer zeitlos und rahmen den 1. Akt mit dem Untertitel "Henne oder Ei" ein.

Kruder & Dorfmeister close-up, Burgtheater

Daniel Eberharter

2. Akt: Present

Der 2. Akt wird mit "The G-Stone Anthem" eröffnet, das letztes Jahr auf der Geburtstags-Compilation "Sixteen F* *king Years Of G-Stone Recordings" erschienen ist. Endlich der erste Kratzer im Eistraum, ein junges Paar kann sich nicht mehr halten und beginnt zu tanzen. Die MCs Earl Zinger und Ras MC-T Weed übernehmen die Entertainer-Funktion, die Herren der Schöpfung bleiben zurückhaltend an ihren Maschinen und im Hintergrund - und schieben den Geschwindigkeitsregler mit ihrer neuen Nummer"Aikon" und "Jaguar" von DJ Rolando in der grenzgenialen Christian Prommer Version, Richtung Party. Melodische Tribal-Rhythmen schrauben sich in die Höhe, während sich auf der Leinwand die G-Stone Posse gut gelaunt die Torten ins Gesicht knallt. "Torte statt Worte" wünsch ich mir bei den allzu glatt auswendig gelernten Moderationen von Earl Zinger auch.

Stimmlich harmonieren die beiden MCs "Wonderful" und Stereotyps "Take the Weight", ein audio-visuelles Blitzgewitter, schlägt im Publikum ein und lässt innerhalb einer Minute das Publikum elektrisiert, wie die Haare zu Berge, stehen. Endlich hat die Reise das Publikum vollends mitgenommen. Auf dem Parkett, in den Logen, auf der Galerie – überall wird getanzt. Die Stimmung sprudelt und prickelt wie Sekt nach dem Korkenknall.

Kruder & Dorfmeister, Burgtheater

Daniel Eberharter

3. Akt: Future

"It´s time for a new breed of G-Stone Superheros" posaunen die MCs, nur wer könnte hier in Frage kommen (oder habe ich mich verhört?), sagt doch Richard Dorfmeister im Gap-Interview: "Natürlich verfolge ich die neuen Sachen von Wiener Künstlern in der elektronischen Szene. Aber ich habe mir noch bei keinem gedacht: Wow, das könnte jetzt echt ziemlich weite Kreise ziehen."

Kruder & Dorfmeister, Burgtheater, Publikum

Daniel Eberharter

"Step in Time", literally! Nach dem von Mary Poppins inspirierten, pulsierenden Track passiert nach zwei absolut gelungenen Akten ein musikalischer Anachronismus – im Sternschnuppen-Regen dreht sich das präzise Schweiz-Wienerische Uhrwerk zurück ins Jahr 2003 zu Peter Kruders Kollaboration mit Fauna Flash. Voom:Vooms "Baby" breitet sich kaskadenartig zu einem Epos aus, gefolgt von der ersten wirklichen, leider negativen Überraschung des Abends:


Ist das die Zukunftsversion von Kruder & Dorfmeister?

"Speechless" ist meine Stichwort-gebende Reaktion, als die MCs eben diesen Song von Count Basic mit der G-Stone Version von Queens "We will rock you" einpeitschen und die Zugabe? Die Melodie von "Let It Be" mit dem Text "Kay and Dee – 16 Years Of Wisdom".

Ein dick aufgetragener, kitschiger Abschluss eines tollen Konzerts, den es in der Form nicht gebraucht hätte und eine rot-weiß-rot Fahne mit Adler auf der Leinwand ist nicht so leiwand! Selbstironie hin oder her.