Erstellt am: 1. 2. 2011 - 19:22 Uhr
Fußball-Journal '11-6.
Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch heuer das Geschehen; ungechönt. Heute mit einem Besuch der Presse-Konferenz anläßlich der Kader-Bekanntgabe vom ÖFB-Trainer Constantini und dem damit zeitlich zusammenfallenden Ende des Fußball-Transfer-Fensters.
Er hatte nichts zu sagen: ein paar knapp oder wortreich-nichtssagende Personalien, ein paar Phrasen zum Gegner, ein paar Gemeinplätze zur EM-Quali...
Dietmar Constantini versuchte den öffentlichten Auftritt so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Angesichts des ihm gegenübersitzenden und -filmenden Aufgebots war das sogar irgendwie gerechtfertigt: denn dort fragt man eben nur nach Personalien (und das nicht einmal in ganzen Sätzen: manchmal reicht ein "Hoffer?" auch aus...) und Banalitäten, fischt nach Phrasen für die Headline oder den Bildtext, hat sich längst von der Substanz verabschiedet. Dieses Zusammenwirken von Faulwal und Putzerfischen hat nur noch folkloristischen Reiz.
Der ÖFB-Kader für das Testspiel gegen die Niederlande am Mittwoch, den 9. 2. in Eindhoven.
Tor: Christian Gratzei (Sturm), Pascal Grünwald (Innsbruck), Jürgen Macho (Panionios/GRE).
Abwehr: Emanuel Pogatetz (Hannover/D), Sebastian Prödl (Werder/D), Aleksander Dragovic* (Basel/SUI), Franz Schiemer (Salzburg), Christian Fuchs (Mainz/D), Florian Klein (Austria), Thomas Schrammel (Ried).
Mittelfeld: Paul Scharner (WestBrom/ENG), David Alaba* (Hoffenheim/D), Julian Baumgartlinger (Austria), Yasin Pehlivan (Rapid), Martin Harnik (Stuttgart/D), Jakob Jantscher (Salzburg), Zlatko Junuzovic (Austria), Veli Kavlak (Rapid).
Angriff: Marc Janko (Twente/NED), Marko Arnautovic (Werder/D), Erwin Hoffer (Lautern/D), Stefan Maierhofer (Duisburg/D), Roman Wallner (Salzburg).
Es gibt keine Abrufliste. Nach den verletzungsbedingten Ausfällen von Harnik und Janko wurde Roman Kienast (Sturm) nachberufen.
Blacklisted: Andreas Ivanschitz (Mainz/D), György Garics (Bologna/ITA), Mika Gspurning (Xanthi/GRE), Christoph Leitgeb (Salzburg), Thomas Prager (Luzern/SUI).
Zurückgetreten: Martin Stranzl (Gladbach/D), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/D), Alexander Manninger (Juventus/ITA).
Nach Verletzungen nicht fit genug: Ekrem Dag (Besiktas/TUR), Rubin Okotie (Nürnberg/D), Andreas Ulmer (Salzburg), Andreas Hölzl (Sturm); dem Vernehmen nach auch Roland Linz (Austria).
Vertröstet: Markus Berger (Coimbra/POR), Daniel Beichler (St.Gallen/SUI), Roman Kienast (Sturm), Ümit Korkmaz (Bochum/D).
Beim letzten Länderspiel gegen die Niederlande am 26.3.08 noch dabei: Ronald Gercaliu (Ingolstadt/D, verletzt), Jürgen Säumel (Duisburg/D), Joachim Standfest (Sturm) und Markus Weissenberger (Rücktritt). Die Aufstellung damals: Payer; Garics, Prödl, Pogatetz, Gercaliu; Harnik (Standfest, 64.), Leitgeb, Säumel, Ivanschitz, Fuchs (Weissenberger, 74.); Linz (Janko, 64.). Bei den von Marco van Basten trainierten Holländern kam Vennegor of Hesselink as Wechselspieler.
Das U21-Team trifft am Dienstag den 8.2. in einem Test auswärts in Ettelbruck auf Luxemburg:
Tor: Heinz Lindner (Austria), Samuel Radlinger* (St. Florian). Auf Abruf: Georg Blatnik* (Rapid).
Abwehr: Emir Dilaver* (Austria), Christopher Dibon, Richard Windbichler* (Admira), Martin Hinteregger* (Salzburg), Maximilian Karner (Grödig). Auf Abruf: Michael Schimpelsberger* (Rapid), Florian Hart (LASK).
Mittelfeld: Christopher Drazan (Rapid), Georg Teigl*, Stefan Hierländer* (Salzburg), Raphael Holzhauser* (Stuttgart/D), Thomas Hopfer (Hartberg), Christian Klem* (Sturm), Daniel Schütz* (Altach), Stefan Schwab (Admira). Auf Abruf: Patrick Farkas* (Mattersburg).
Angriff: Deni Alar, Dieter Elsneg (Kapfenberg), Daniel Royer (Ried), Dario Tadic (Austria). Auf Abruf: Georg Gravogl (St. Pölten), Marco Sahanek (WAC), Andreas Tiffner* (Austria).
Verletzt ist Christoph Kröpfl (Kapfenberg), noch nicht topfit sind Andreas Weimann* (Watford/ENG) und Lukas Kragl (LASK).
Die nächsten Ansetzungen für Auswahlteams sind erst wieder Ende März - dann mit der EM-Quali der U17 (Jg 94, also de facto die U18). Die U19 (Jg 93) darf erst im Mai spielen.
Die U20 (Jg91 und 92), die sich eigentlich für die WM im Kolumbien im Juli einspielen sollte, bleibt tatenlos und ohne jegliche Fixture; können sich also nicht einspielen. PS: Die *gesterndelten* A-Team-und U21-Kadermitglieder sind allesamt U20-WM-Teilnahmeberechtigt.
Dass das nächstwöchige Testspiel gegen die gnadenlos dicht besetzten Holländer, die erst einen Großkader bekanntgegeben haben, den Bert van Marwijk erst im Laufe der Woche runterreduzieren wird, wieder nur die üblichen Im-Winter-ist-es-aber-kalt!-Erkenntnisse hochpeitschen wird - wie die Tatsache, dass es noch keinen Meisterschaftsbetrieb gibt und es sich letztlich nur um ein Gute-Laune-Meeting des Kernteams handelt - geschenkt.
Dass im ÖFB eher nebenbei (siehe dazu auch die Daten in der rechten Spalte) der Grundstein für eine Nicht-Vorbereitung für das wohl deutlich zweitwichtigste Fußball-Ereigniss des Halbjahres, die Teilnahme an der U20-WM in Kolumbien, gelegt wird, manifestiert sich ganz beiläufig.
Auch dass Constantini im Fall von Andreas Ibertsberger den Anwesenden das ziemlich genaue Gegenteil von dem erzählt, was der Spieler gerade eben erst öffentlich geäußert hat (von wegen Rücktritt und so) - das kaum variierte Muster (mit Halbwahrheiten und exklusiven Interpretationen von Vier-Augen-Gesprächen zu arbeiten) kennen wir bereits von den Fällen Ivanschitz, Stranzl, Manninger, Garics etc.
Plutokratische Personalpolitik eben, wie gehabt.
Ein ehrlicher Ausrutscher in der Folklore-Show
Einmal allerdings war Constantini nicht aufgesetzt forsch oder elend maulfaul oder mit einer genervten Gegenfrage bewaffnet, sondern unerwartet ehrlich. Als er die Frage nach den Transfer-Aktivitäten der Liga (die in ihrer Last Minute-Hektik durchaus interessant wurde) nicht beantworten wollte.
Ob er das wirklich müsse, fragt er und setzt nach, dass er's nämlich lieber sein lassen würde - das sei nicht sein Revier. Er kommentiere und analysiere die Liga ja auch sonst nicht.
Das ist in seiner unfreiwilligen Offenheit entzückend.
Denn natürlich sagt die Transferperiode vieles, wenn nicht alles über das Standing der Liga aus, sportlich wie wirtschaftlich, ist also der prallstmögliche Moment für eine Analyse. Sich da so dezidiert rauszuhalten - meineherren...
Auch diesmal, in der bereits zweiten eher unauffälligen Winterübertrittszeit der Liga lässt sich so einiges festhalten. Auch Fakten, die über die Kennziffern der immer noch leicht krisenhafte ökonomische Gesamtsituation hinausgehen. Auch wenn die Tatsache, dass sich Salzburg, nicht nur wegen des stümperhaften Vittek-Versuchs, in vergleichsweiser Zurückhaltung übte, auch damit zu erklären ist.
So war es dann der interessanteste Fakt, dass sich nur ein einziger Tscheche, ein einziger Kroate und ein einziger Bosnier in die Bundesliga verirrten - sonst wird gerade im Winter, gerade bei den schlechter Platzierten hier in die Vollen gegriffen. Das hat wohl auch etwas mit dem neuen Transfer Matching System der FIFA zu tun - die ganz dubiosen Transfers fallen da aus.
Exportdefizite und Billig-Importe
Auch deshalb hält der Trend zum Zweitspanier. Nach Ried, Innsbruck und Altach steigt jetzt auch der LASK ein und besorgt sich Billigware aus dem Weltmeisterland.
Der LASK hat sich, seinem letzten Rang geschuldet, besonders wichtiggemacht und gleich sieben neue Akteure in die eh schlecht zusammengespielte Mannschaft geholt. Und das teilweise auch gegen den Willen der sportlichen Leitung, Reichel sei Dank! Mittlerweile sind nur noch acht Kaderspieler aus der Vorjahrs-Saison dabei - ein Zeichen für Diskontinuität der Sonderklasse.
International gilt die Transferzeit als Leistungs-Ausweis für die Qualität einer Liga: die Teuersten holen sich die Besten - und die Ausbildungs-Ligen liefern die meisten Exporte.
Österreichs Bundesliga schafft wieder einmal weder das eine noch das andere. Der einzige international relevante Import, der von Douglas da Silva, dem Brasilianer von Hapoel Tel Aviv, erfuhr zudem eine ausgesprochen disharmonische Begleitmusik.
Exportiert konnte, wieder einmal, kaum etwas werden. Ausnahmetalent Aleks Dragovic wechselte verfrüht und um einen Bruchteil seines Wertes zum FC Basel - vor einem halben Jahr hätte er mehr gebracht. Hannes Eder muss in die dänische Provinz, Salzburg-Junior Aschauer darf zu Stuttgart II und der Notnagel-Ersatz-Tormann Pirmin Strasser (einer der vielen jungen Torleute, die keine Einsätze bekommen, weil man ihnen lieber deutsche untere Mittelklasse vorsätzt) riss sich das Ticket nach Almeria ohne Liga-Unterstützung. Diese Exporte heben die vier Heimholungen - Hoheneder (von Sparta Prag zur Austria), Cem Atan (von Gencler zum LASK), Gucher (aus der Serie B zum KSV) und Schimpelsberger (von Twente zu Rapid) - quasi wieder auf.
Am internationalen Transfermarkt vorbeigelebt
Die Liga hat also wieder einmal ihren Zweck verfehlt. Talente wie Royer, Hinteregger, Schober, Guido Burgstaller, Alex Grünwald oder Alar standen ebenso am Speisezettel von größeren Klubs größerer Ligen wie Teamspieler wie Baumgartlinger, Kavlak, Junuzovic, Leitgeb, Kienast oder Pehlivan - aber auch das ist ein matter Schnitt.
Noch öder sieht es in der 1.Liga aus - die jungen Österreicher, die sich's verbessern konnten (Blatnik, Salkic, Schick...) sind an einer Hand abzuzählen. Immerhin hat es wenigstens der deutlich begabteste Spieler dieser Klasse weitergschafft. Joshua Gatt (hier mit Lob überschüttet) ist zu Molde nach Norwegen gegangen umd dort ein Sprungbrett nach England zu finden. In den Regionalligen und Amateur/B-Teams sieht es ähnlich aus, und auch die Akademien haben nur Lukas Spendlhofer (der von Inter zur Primavera nach Mainland geholt wurde) vorzuweisen. Dazu kommt Ylli Sallahi aua dem Nachwuchsmodell Kapfenberg, den sich Bayern München ausgekuckt hat.
Das ist, in aller Bescheidenheit, sehr bescheiden, vor allem für den Ausbildungs-Standort Österreich, und seine schwächer werdende Wirtschaftskraft im Fußball (Stichworte: Magna raus aus Neustadt, Red Bull gießt weniger in Salzburg rein).
Bescheidene Kennziffern, bescheidene Analyse
Deshalb ist des Teamchefs "Kein Kommentar" zur Transfer-Situation auch derart decouvrierend: wer sich nicht für die Strukturprobleme seines Bereichs interessiert, der kann nur oberflächliche Arbeit leisten, die dann in patzig-populistischen Sätzen und Floskeleien mündet.
Immerhin: schön, dass Constantini so offen zugibt, wie egal ihm das ist, was er zu verantworten hat; wie wurscht ihm die Basis ist, aus der er schöpft - wie wenig ihn dort Veränderungen oder Fortschritte interessieren.
Zum einen wäre ein plötzlicher Gesinnungswandel ja auch seltsam gewesen - und zum anderen weiß man so wenigstens woran man weiterhin ist: bei einer Hand-in-den-Mund-Politik des Löcherstopfens, das auf den Zufall und das Glück hofft und die mittel- oder langfristige Arbeit denen überlässt, die so deppert sind sich Gedanken über die Schuhspitzen hinaus zu machen.
Ein Nachtrag in Form einer Reaktion:
Bislang war von ÖFB-Seite zur U20-WM in Kolumbien außer in Nebensätzen zum Thema Abstellung nichts zu hören. Jetzt gab man die Termine für zwei Lehrgänge bekannt: der erste findet von 20. - 27. März in Salzburg statt - mit sportmotorischen und psychologischen Tests sowie Testspielen. Der zweite drauf aufbauende folgt dann von 30. Mai bis 7. Juni in Salzburg und Spanien. Treffpunkt für die Destination nach Südamerika: Freitag, 22.Juli 2011 in Wien. Und auch einen Großkader für die Lehrgänge gibt es schon, heißt es.