Erstellt am: 31. 1. 2011 - 18:41 Uhr
Schmeckt Nach Teenage Übermut
Dylan Baldi werkt jetzt mit Band. Drei junge Herren, die er aus den desolaten Hoods seiner Homebase Cleveland zusammengeklaubt hat, unterstützen ihn mittlerweile - aus rein pragmatischen Gründen, wie er sagt: "Ich musste einfach live spielen, ich hatte aus New York ein Angebot für ein Konzert bekommen, aber keine Band. "

Cloud Nothings
Bis vor kurzem noch war die Geschichte von Cloud Nothings die übliche, alte vom Lo-Fi-Einzelgänger, der, angepisst vom mangelnden kulturellen Angebot der Heimat und nicht interessiert an der Aufnahme im Lacrosse-Team, zuhause im Schlafzimmer an rudimentärem Equipment knacksende und rauschende Pop-Miniaturen zusammenschraubt. Im Falle von Dylan Baldi entstanden da unter dem Projektnamen Cloud Nothings weder Knister-Knaster-Elektronik aus dem Experimentierbaukasten noch mit Absicht geil konturloser Weirdo-Folk, sondern auf dem Fundament von melodieverliebtem Punk mit gutem Benehmen errichtete, straight ins Herz knallende Power-Pop-Preziosen: Melodien und wie aus dem Ärmel geschütteltes Songwriting, das nach Fuck-You!-Modus klang, dabei aber mit Bierdose in der Hand vollkommen locker die ganze Welt willkommen heißen konnte, nochmal Melodien und dann oben drauf zwei, drei, vier Hooks. Pro Song. Im Oktober 2010, da befand sich Baldi gerade mal im Alterssegment 18/19 Jahre, erschien unter dem Titel "Turning On" eine schön zusammengeschnürte Compilation von Stücken aus dem Frühwerk von Cloud Nothings: Demos, Tape-Aufnahmen, rarster Stuff von der 7". "Turning On": ein abgegriffenes Fanzine im Audioformat, wohlerzogene Rebellion aus dem Kinderzimmer, Kuschelpop im Schrottgewand.

Cloud Nothings

Cloud Nothings
Das jetzt erscheinende erste "reguläre" Album von Cloud Nothings heißt nun so wie Alben, die ein Mission Statement formulieren wollen, gerne einmal heißen: Nach der Band selbst. "Cloud Nothings" unterscheidet sich also von "Turning On" in erster Linie hinsichtlich der Sound-Qualität: Zwar hält Mastermind Dylan Baldi nach wie vor die Fäden in der Hand, dennoch aber wurde die Platte mit Band eingespielt, in einem Raum der durchaus als "Studio" bezeichnet werden kann, und dringt die Musik nun - vergleichsweise - dezent glatter aufpoliert und unmittelbarer ans Ohr.
Da ist beispielsweise der vorhersehbare Hit der Platte, "Should Have", den die Band selbst als ihren "Blink 182"-Moment bezeichnet. "Wer sagt, dass er oder sie nicht zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben, Blink 182 gut gefunden hat, der lügt", sagt Dylan Baldi. Oder ist vielleicht tatsächlich schon zu alt für diese grell aufsprudelnde Musik, die da auf "Cloud Nothings" aus den Geräten poltert. Nun mag man Cloud Nothings jugendliche Affinität zu den Hochglanzpolitur-Punks als pure Koketterie lesen, tatsächlich aber spiegelt sich hier nur ihr Wille zur Catchiness wieder. Keine Angst: Die Stücke des ganzen Unternehmens sind heute zwar etwas sauberer als tatsächliche Songs konstruiert und genauso steht auch Baldis sich überschlagende Stimme sowie das Instrumentarium klarer im Raum, dennoch sind Cloud Nothings akustische Impulsgeber nach wie vor eher im Plattenregal neben den Herren Buzzcocks, Hüsker Dü oder Guided By Voices zu finden denn im Snowboard-Katalog.

Cloud Nothings
"Cloud Nothings" ist eine Platte wie neongrüne Limonade, getrunken mit taubem Gaumen. Voller total eingängiger Idee und Singalongs an allen Ecken und Enden. Weil Dylan Baldi weiß, dass zuviel Zuckerkick schlecht für die Zähne ist, und was Punkrock heißt, ist "Cloud Nothings" dann auch - kawumm! - nach rund 28 Minuten straff organisierten Minuten schon wieder vorbei. Man kann sich da an der Kippe der Geschmacksexplosionen zwischen den späten 80ern und frühen 90ern wiederfinden, als bekanntermaßen diese zwei komischen Wolken namens Indie/Alternative und Mainstream begannen ineinanderaufzugehen, oder sich an Großtaten des popaffinen Gitarrenrocks wie beispielsweise die der Pixies, der Lemonheads oder - in ruhigeren Momenten - gerne auch der frühen Weezer erinnert fühlen. Wenn die Melodie stimmt - dann müssen sich auch die Texte nicht unbedingt mit leicht zu entschlüsselndem autobiographischem Gefühlsballast aufhalten: "Die Lyrics sind nicht so wichtig", sagt Dylan Baldi, "beim Schreiben denke ich nicht unbedingt über die Texte nach, sie sind auch nicht wirklich an mein persönliches Leben gebunden. Erst später fällt mir oft auf: Oh, that makes sense! It's up to you. It's up to the listener. Haha, that's such a stupid answer." Emo-Musik ohne Betulichkeitsgewäsch, Musik, zu der wir Chucks und Vans tragen, zuviel Vodka in die Prom-Bowle schütten und lernen, dass man beim Stage Diving dorthin springen soll, wo auch Leute stehen, die einen fangen wollen.