Erstellt am: 1. 2. 2011 - 08:14 Uhr
Dänischer Exportpop
Die Skandinavier sind bekannt für ihre unglaublich dichte Musikszene, sowohl was Qualität als auch internationale Verbreitung betrifft. Das liegt hauptsächlich wohl an dem geförderten Engagement und der finanziellen Unterstützung, die viele Künstler aus dem Norden erhalten. Neben dem lange Jahre als Popland Nummer 1 geltenden Schweden hat sich vor allem Dänemark als fruchtbarer Boden für innovative und exzellente Popmusik erwiesen.

Spot On Denmark
Seit 2004 legt sich dafür der Music Export Denmark ziemlich ins Zeug, ein Zusammenschluss unter anderem von den Veranstaltern des Roskilde Festivals sowie ROSA, dem Danish Rock Council. Mit ihrem Mini-Festival Spot On Denmark touren sie durch Europa (eine Station ist das berühmte Schweizer Montreal Jazz Festival) und machen am Donnerstag, 3. Februar 2011 im Rahmen des Guten Club auch im Wiener B72 halt. Drei hochkarätige Bands, die unterschiedlicher kaum sein könnten, werden eindrucksvoll beweisen, dass Dänemark auf dem Independent-Sektor einiges zu bieten hat. Die Reise wird dabei von melancholischem Folk über experimentellen Indiepop bis zu glitzerndem Disco-Funk reichen.
Die unbeschreibliche Leichtigkeit der Melancholie
Noch nie habe ich ein Album gehört, dass mit einer einsamen Mundharmonika-Melodie eröffnet wird. Was dann mit schwerem Beat, Klavier und warmen Streichern folgt, ist wahrlich ein Glanzstück.

Christian Klintholm
"Remember When" nennt sich dieses tief melancholische Stück, dass die siebenköpfige Band Cody auf ihrem mit "Songs" schlicht betitelten Werk an den Anfang stellt. Dabei nimmt einen das sanfte und eindringliche Timbre des Frontmanns und Gründers Kaspar Kaae sofort in Beschlag, während im Hintergrund oft federleichte Rhythmen, Slide-Guitar-Sounds, Streicher und Chorgesang die Grenzen zwischen Country, Folk und Independentpop verschwimmen lassen. Auch wenn sich das Musikerkollektiv aus Kopenhagen nach der zweiten Platte "Come On Die Young" der schottischen Noise-Postrockband Mogwai benannt haben, finden sich auf "Songs" hauptsächlich akustische, organische, zerbrechliche und mit liebevollen Details verzierte Singer/Songwriter-Perlen.
Selbst bei einer langsamen und düsteren Gangart, wie es das großartige "A Crime" liefert, bleibt immer ein gewisser Hoffnungsschimmer, der einen die berührende Sehnsuchtsstimmung aushalten lässt. Das musikalisch ausgefuchste Gespann um Kasper Kaae kann aber auch anders, wenn zu dem treibenden Groove mit Percussions und Ukulele-artigen Klängen von "Ever Go" die elektrischen Gitarren auch mal angezerrt werden dürfen. Die Stärke und Kraft der Band liegt jedoch eindeutig in der konzentrierten Energie ihrer ruhigen Songs, die sie vor allem auch live versprühen.
Als Appetithappen solltet ihr euch unbedingt Zeit für die folgende Session nehmen, bei der Cody mit ihrer Akustikversion von "Comfort And Rage" absolut verzaubern können.
Zwischen Hasenohren und experimentellem Pop
Es war letztes Jahr im Mai in der dänischen Stadt Aarhus, in der traditionell das für Gesamtskandinavien wichtige Spot Festival stattfand. In einer kleinen, dunklen, mit Nebel ausgefüllten Halle erklingen Klaviermelodien, reduziertes Schlagzeug, verhallte Gitarren, knatzende Elektronik und diese seltsam verfremdete Stimme, die einem nicht mehr aus dem Kopf geht. Auf der Bühne sieht man neben Silhouetten von Musikern und Instrumenten lediglich weiße, lange Hasenohren im Takt des Beats wippen. Sofort habe ich mich in den Sound der Sleep Party People verliebt, diese geheimnisvolle, mystische Atmosphäre, den schrägen Gesang, die verquere Mischung von Indiepop, experimenteller Elektronik und reduzierter Trauerlieder.

Sleep Party People
Wie von einem anderen Planeten breitet sich die Musik von Sleep Party People nur ganz langsam aus, hüllt einen in ihre sanften Klangschwaden ein und entführt in ein musikalisches Reich, dass keinen üblichen Konventionen gehorcht. Hier dürfen gezupfte Akkordzerlegungen charmant dahin eiern, der trockene Drummaschine-Beta monoton durchklopfen, dezente Keyboardflächen den Hintergrund mit Science-Fiction-Stimmung füllen und der Gesang durch diverse Filter und Vocoder gejagt werden.
Das was hier Brian Batz im Alleingang geschrieben und produziert hat, ist wohl eines der spannendsten und innovativsten Alben 2010 aus Dänemark. Kindlich und verspielt ist sein Umgang mit gegenwärtigem Indiepop, clever und dezent fließen Referenzen seiner musiaklischen Sozialisation ein, tief und verborgen liegt so manche Emotion, die durch den wundervollen Klangkosmos von Sleep Party People geweckt werden kann.
Gerade durch die visuell sehr stimulierende Live-Show sollte man sich diese Band wirklich nicht entgehen lassen. Sleep Party People lassen nicht kalt, verstören und beglücken zugleich, sind etwas besonders und liefern unweigerlich einen unvergesslichen Eindruck.
Vinnie wer?
Den krönenden Abschluss des Spot On Denmark Festivals wird wohl der androgyne Frontman Niels Bagge bieten, der von sechs Musikern unterstützt sein Projekt Vinnie Who vorstellen wird. Der erst dreiundzwanzigjährige Däne scheint die für seine Musik wichtigen, historischen Bezüge mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Funk und Disco beherrschen seine Songs, Parallelen zu den amerikanischen Scissor Sisters sind unüberhörbar. Und doch schaffen es Vinnie Who den manchmal reduzierten, manchmal opulenten Tanzbodenfegern eine ganz eigene Tiefenschärfe zu verleihen.

Vinnie Who
So begibt sich Niels Bagge mit dem Syhntie-Bassmonster "What You Got Is Mine" auf Identitätssuche, während "Feel It" mit seinem soften Chorgesang, sanften Klavierakkorden und funkigem Beat die traurige Seele streichelt. Mit schrägen, synthetischen Bläsern und stampfendem Rhythmus scheinen Vinnie Who bei "Accident Or Will" dem Beziehungsblues durch exaltiertes Tanzen entkommen zu wollen und die wirklich romantische und schüchtern wirkende Ader wird deutlich, wenn Niels von einer prägenden Begegnung erzählt, die dem Album seinen Titel verliehen hat. Gerade das Titelstück "When I Met You" zeigt, dass die herkömmlichen 1980er Jahre Sounds und Funk-Referenzen nur eine Blaupause für ein eigenes, zeitgemäßes Musikuniversum darstellen.
Den Vogel schießen Vinnie Who eindeutig mit der ungeduldig zappelnden Pophymne "Remedy" ab, die mit einem ebenso großartigen Old-School-Video umgesetzt wurde.
Wer zum Spot On Denmark Abend im Wiener B72 nicht kommen kann, hat am 03. Februar im Rockhaus Salzburg die Möglichkeit, Vinnie Who live zu sehen
Vinnie Who, das perfekte Heilmittel gegen übellaunige Langeweile. Also lasset sie kommen, die Dänen!