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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

30. 1. 2011 - 16:58

TV-Propagandamatch um Ägypten

Nach dem Rausschmiss von Al-Jazeera wird das Match um die TV-Lufthoheit zwischen den Sendern des Mubarak-Regimes, iranischen Newskanälen und anderen ausgetragen. Via Eutelsat Hotbird ist es auch in Österreich zu verfolgen.

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Das am Sonntag von der ägyptischen Regierung erlassenene Ѕendeverbot für al-Jazeera wird dem Regime nicht alleine nützen, denn eine ganze Zahl anderer Nachrichtenkanäle bleibt auf Sendung. Und die stehen al-Jazeera in der Ungeschminktheit ihrer Berichterstattung teilweise nichts nach.

Die iranischen Nachrichtenkanäle "Press TV" (Englisch) und Al Alam (Arabisch) sind auch weiterhin live auf Sendung und was sie zeigen, differiert ganz ungemein von dem, was die staatlichen kontrollierten Kanäle Ägyptens zeigen. Ebenso ist der von Saudiarabien aus operierende Nachrichtensender Al-Arabiya live on air sowie eine ganze Reihen von Stationen, die in Europa nicht oder nur schwer empfangbar sind.

Eutelsat Hotbird, Astra

Über die beiden gängisten Satellitenpositionen Astra (19 Ost) und Hotbird (13 Ost) lässt sich der Kampf um die Lufthoheit in der Berichterstattung über den Aufstand in Ägypten auch in Mitteleuropa verfolgen.

Neben drei staatliche ägyptischen TV-Stationen (ESC, Nile News und Nile TV) und den beiden iranischen Stationen sind noch weitere Sender aus Ägypten aktiv. Auch ohne Arabischkenntnisse lässt sich anhand der Bild- und Perspektivenwahl sehr schnell feststellen, ob es sich dabei um vom Mubarak-Regime gesteuerte Berichterstattung handelt.

Al-Jazeera abgedreht

Das ägyptische Informationsministerium entzog dem Sender am Sonntag die Akkreditierung für alle Redakteure und widerrief die Sendelizenz für das Kairoer Büro. Die Verbindung zum ägyptischen Übertragungssatelliten Nilesat wurde gekappt

Staatliches Nervenflattern

Hatten bis Samstag Mittag sämtliche Sender ziemlich ähnliche Bilder, so kippte dieses Szenario im Lauf des Tags. Nachdem al-Jazeera und die iranischen TV-Sender berichtet hatten, dass sich bereits 50.000 am al-Tahrir-Platz versammelt hatten und auf die Fernsehanstalt losmarschiertren, flatterten dort sichtlich die Nerven.

Zwischen den drei Kanälen wurde wild hin- und her- bzw. durchgeschaltet, zwischendurch gab es lange Tonausfälle, besonders betroffen davon war der englischsprachige Dienst. Stotternde Moderatoren, Wiederholungen, Stille, Appelle an das Publikum.

"Rettet Ägypten"

Der Nachmittag war gesprägt durch flehentliche Aufrufe des Staatsfunks: "Rettet Ägypten" - doch dann änderte sich die Berichterstattung ganz plötztlich. Die drei staatlichen Kanäle zeigten fast nur noch Jugendgangs, die durch restlos geplünderte Geschäfte streunten.

Plünderungen in Ägypten auf al-Hurra-TV

al-Hurra-TV

Die Frequenzen

Den Egypt Satellite Channel findet man auf Eutelsat Hotbird (13 Grad Ost) im ARABsat-Bouquet (12,5646 GHz horizontal). Die beiden Nile TV-Sender sind im ERTU-Paket (12,539 GHz horizontal). Al-Hurra-TV versteckt sich in den Sendertabellen als "MTN-E TV 190" bzw "MTN-E 284" (Eutelsat 12,226 GHz vertikal). Weiters: al-Arabiya 11,747 924 GHz H, al-Alam 12,437 749 GHZ H sowie Press TV 12,460 H, alle Eutelsat/Hotbird.

Al-Jazeera und die Iraner hingegen hielten auf die demonstrierenden Massen am al-Tahrir. Dass sie diese große Ansammlung erst gar nicht ins Bild bekommen, dafür hatten die Mubarak-Sender von Anfang an vorgesorgt. Alle drei beschränkten sich auf eine einzige Kameraperspektive entlang "Al Kornish", der Nilufer-Durchzugsstraße.

Andere Bilder gab es nicht, die TV-Studios des Regimes waren förmlich abgeriegelt, die Teams der staatlichen Sender trauten sich offensichtlich nicht auf die Straße. Das änderte sich, nachdem die Militärs die Kontrolle übernommen hatten.

Knieende Plünderer

Den ganzen Samstagabend bis weit in die Nacht wurden Bilder von verhafteten Plünderern gezeigt. Die wurden kniend vorgeführt und gezwungen, direkt in die Kameras zu schauen, während ihre Namen verlesen wurden.

Gefangene Plünderer auf Egypt Satellite Channel

Egypt Satellite Channel

Am Sonntag tagsüber wiederholten sich diese Bilder im Halbstundentakt, die staatlichen Stationen zeigten abwechselnd Hosni Mubarak in staatsmännischer Pose, flankiert von Militärs bei Besprechungen. An Aktuellem hatte man noch immer nicht mehr zu bieten, als diese einzige Kameraperspektive durch ein Fenster aufs Nilufer. Die Angestellten der TV-Station saßen auch Sonntag Nachmittag noch immer in ihrem Gebäude fest.

Nilufer auf Nile TV

Nile TV

Al-Hurra TV und die US-Regierung

(Keine) Links

Aufgrund der Internetsperren in ganz Ägypten sind auch die Websites der staatlichen Sender in Ägypten momentan nicht erreichbar. Die Server von Press TV wiederum stehen physisch im Iran, wo Netzsperren gegen Aufstände üblich sind. Die Website von al-Hurra wird in den USA gehostet.

Als Hauptgrund, warum al-Jazeera die Lizenz entzogen wurde, nannten die Behörden "einseitige Berichterstattung": Al-Jazerra habe nur über die Demonstrationen nicht aber über die Plünderungen berichtet, hieß es. Letzteres besorgten dann die staatlich gelenkten Medien ausführlich - und noch ein Sender, der auch in Europa zu sehen ist, tat sich dabei hervor.

Al-Hurra filmte schon am Nachmittag fast auschließlich die Plünderer und hatte dabei wesentlich aktuellere Bilder vor Ort zu bieten, als die staatlichen Kanäle, bei denen es da gerade drunter und drüber ging. Die Aufnahmen von Mubarak wiederum waren außer bei den Offiziellen nur bei Al-Hurra zu sehen.

Der Grund für diese guten Beziehungen zum Regime: Al-Hurra gehört der Middle East Broadcasting Networks Inc. und die wird von der US-Regierung finanziert. Vorsitzender des Direktoren-Konsortiums ist Enders Wimbush, der davor für Booz Allen Hamilton, Science Applications International und die Rand Corporation tätig war. Diese drei Firmen gehören zu den Paradeunternehmen des militärisch-geheimdienstlichen Komplexes der USA.