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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 1. 2011 - 19:47

Fußball-Journal '11-5.

Wie ein Defensiv-Wechsel mit Hirn gezielte Offensive bringen kann. Über das Asian Cup-Finale zwischen Australien und Japan; und was der österreichische Fußball draus lernen könnte.

Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf Skandalisierungen und die diversen Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so mutlos machen.

Heute mit einem Blick auf das Finalspiel eines Kontinental-Turniers: der Asian Cup ist nach der Europameisterschaft, der Copa America und der African Cup of Nations und vor dem Gold Cup sowas wie das Turnier für den Rest der Welt - vor allem, seit sich Australien aus dem Ozeanien-Verband gelöst hat.
Samt Österreich-Bezug.

Sowohl Japan als auch Australien stellen Fußball-Nationalmannschaften, die jedem Team weltweit wehtun können - dass diese beiden im Finale des Asian Cups (der durch die Teilnahme der Socceroos deutlich aufgewertet wurde) stehen, war logisch und folgerichtig - auch weil sich bei diesem Turnier mit Saudi-Arabien und China gleich zwei Mannschaften aus dem Fokus verabschiedet haben; vor allem von den Chinesen, die seit Jahren derart angestrengt an ihrer Performance arbeiten, musste man fast schon entsetzt sein.

Australien ging unter dem neuen Coach Holger Osieck (der kleine Kaiser war 90 Co-Trainer der deutschen Weltmeister und trainiert seither weltweit und durchaus erfolgreich) mit einem klaren 4-4-2 ins Match, mit starkem Flügelspiel und den bewährten Oldies Kewell und Cahill im Angriff. Die Flexibilität der WM-Truppe von Vim Verbeek (dort konnte man problemlos auf ein 4-2-3-1 switchen) wurde durch also ein unveränderliches, nur interpretativ flexibles System ersetzt.

Japan wurde von Alberto Zaccheroni, dem Ex-Milan-Coach, auch neu eingestellt. Aus dem WM-Fächer von Okada wurde wieder ein etwas konventionelleres 4-3-3. Der entscheidende Unterschied: wieder zwei zentrale defensive Mittelfeldspieler statt nur einem. Bei der WM agierten Kapitän Hasebe und Endo noch vor Yuki Abe, dem zentralen Mann. Durch seinen Wegfall rücken die beiden anderen nach hinten - dafür bleibt die Möglichkeit im Raum davor einen zentralen Spielmacher fast klassischen Stils zu implementieren. Zaccheroni entschied sich gegen Dortmund-Spielmacher Shinji Kagawa, den neuen Superstar und Hoffnungsträger (der sich vor dem Finale verletzt hat), sondern den blondierten schon bei der WM auffälligem Keisuke Honda.
Dazu zwei Flügelspieler (einer davon Kagawa) und eine echte Spitze.

Zaccheronis Umstellung entscheidet das Spiel

Hier die finale Spiel-Statistik.

Im Finalspiel hatte die etwas verjüngte australische Nationalmannschaft zunächst deutliche Vorteile: tolle Flügelangriffe, über Wilkshire und Holman rechts und Carney bzw vor allem Matt McKay, der (wie lange noch?) daheim bei Brisbane spielt.
Aus der dadurch entstandenen Umklammerung konnte sich Japan lange nicht befreien, und mühte sich ordentlich ab,.

Bis Zaccheroni dann kurz nach Beginn der 2. Halbzeit die letztlich spielentscheidende Umstellung vornahm. Es kam ein Innenverteidiger für den rechten Flügelspieler - und das ist der Moment, wo sich der Spreu vom Weizen, bzw derf internationale vom österreichischen Trainer trennt.

Nordkorea, die einzige Mannschaft, die Eddie Constantini bei der WM wirklich durchschaut hat - immerhin, Herbert Prohaska konnte bei deren Abwehr ja nie bis fünf zählen - hat sich bei Asian Cup eines 4-4-2 befleißigt, Südkorea und Uzbekistan, die Halbfinalisten, waren auch mit einem 4-2-3-1 zu sehen. Viele Mannschaften stellten während der Spiele um. Graphische Infos dazu sind hier im Fußball-Blog ballverliebt anzuschaun.

Während ein solcher Wechsel in Österreich pures Betonanrühren bedeutet, ist hier das Gegenteil der Fall. Zaccheroni stellt auf eine verschliffen agierende Dreier-Abwehr um, und gibt seinen Außenverteidigern freie Fahrt nach vorne. Uchida rechts und vor allem Nagatomo links, laufen plötzlich verstärkt bis zur gegnerischen Grundlinie. Das hat zwei Effekte: zum einen endlich konkrete Offensive (weil der zuvor links agierende Okazaki mit in die Spitze geht), zum anderen ist das australische Flügelspiel eingebremst.

Das Bewußtsein des Schwächeren

Sowas kann nur jemand inszenieren, der sich über die Bedeutung eines Außenverteidigers bewußt ist - und da fiele mir in Österreich (bis auf Gludovatz) genaugenommen gar niemand ein; hierzulande wird diese Position einfach nur besetzt, meist ohne jegliche Überlegung, von offensivem Mitdenken ist gar nie die Rede.

Osieck kann nicht viel dagegensetzen - weder vom System noch vom Personal. Er hat nur Grünzeug oder Überreifes der Marke Emerton auf der Bank - und verlegt sich so aufs Reagieren, während die in der 1. Halbzeit unsicheren Japaner plötzlich das Spiel gestalten.

Yuto Nagatomo, der bei Cesena in Italien spielt, wird nur enige Stunden später von Inter Mailand unter Vertrag genommen werden...

Der Rest ist dann Finale pur: keine Hochklassigkeit, aber Spannung im Bewußtsein, dass (schon ab der 75. Minute) jede Aktion die Entscheidung bringen kann. Das passiert dann in der 109. Minute durch den Einwechselspieler Tadanari Lee nach grandiosem Assist von Nagatomo, dem von Zaccheroni bewußt vorgezogenen Linksverteidiger.

Was wieder einmal bestätigt: ein funktionierendes System allein ist die Basis, auf der sich dann taktische Besonderheiten und strategische Umstellungen aufbauen lassen wie einen Lego-Stein auf den anderen. Und der, der einen Plan B oder C oder D in der Hinterhand hat, ist auch als Schwächerer (und das war Japan über lange Zeit) im Vorteil.
Und auch bei kleineren Teams wie Syrien oder Jordanien, den interessanten Entdeckungen des Turniers ist genau dieses Bewußtsein die Quelle des Erfolgs.

Welche Schule braucht Österreich?

Und noch eine Nuss zum Durchüberlegen: wenn sich Nationen wie Australien (Weltrangliste 26) und Japan (WRL 29) für ausländische Trainer entscheiden, dann wählen sie die nicht nach dubiosen Empfehlungen, sondern vor allem nach den mitgebrachten Philosophien aus. Osieck, der Deutsche etwa, der mit Kanada (!) den Gold-Cup gewann, steht dem australischen Stil gut zu Gesicht. Zaccheroni, der vorsichtige Italiener, der es gewohnt ist auf Technik und Taktik zu setzen, ist in Japan am rechten Ort.
Wer also würde nach Österreich passen, als Nachhilfelehrer? Welche Schule wäre für unser Nationalteam die richtige, wo fehlt es und wer könnte da internationale Aspekte einbringen? Deutsche und Italiener sind es wohl eher nicht - die setzen zuviel voraus, wer dann? Skandinavier? Holländer? Türken? Russen?

Mir ist klar, dass sich die Veranwortlichen gern und absichtsvoll im Provinzialismus suhlen - aber wenn man jemals der Mittelklasse, in der sich die beiden Asian Cup-Finalisten bewegen, angehören will, wird man nicht an Input von außen vorbeikommen.