Erstellt am: 28. 1. 2011 - 18:22 Uhr
Vom Überleben in der Metropole
Vom Überleben in der Metropole
Als Vorbereitung zum Release von DMD KIU LIDT
I. Das Flanieren als Lebens-, Denk- und Liebesform
II. Das Gemeinsame und die Gemeinschaft. Möglichkeiten und Gefahren.
III. Verzweifeln, Liegenbleiben, Flennen. Manchmal: Resignieren.
IV. Das Mantra der Vernünftigen: Sinnlos, Sinnlos, Sinnlos.
V. Die Wahrheiten am Nachbartisch
VI. Der Tratsch und das Gelächter
VII. Verlass die Stadt.
VIII.Liebe und Anarchie
IX. Sich Erinnern.
X. Fenster einschlagen. oder F.I.R.E.I.N.C.A.I.R.O.
XI. Versuch über die Party.
XIII. Dinge zu Ende bringen. Alles offen lassen.
XIV. Die Manifestation des Kapitalismus in unseren Leben ist die Traurigkeit
Die Finnen sagen: Ohne uns gäb´s keinen Schinken!
Die Journalisten sagen: Ohne uns gäb´s keine Kultur!
Die Maden sagen: Ohne uns gäb´s keinen Leichnam!
Karl Kraus, Pro Domo et Mundo
Unser Held war die letzte Woche wiedermal viel in der Stadt unterwegs. Beim Einkehren in seine liebste Spelunke durfte er Zeuge eines Gesprächs werden, welches sich lohnt hier festgehalten zu werden. Es fand so oder so ähnlich zwischen einem jungen Mann namens Ja, Panik und einem älteren Herrn mit strengem Scheitel statt, dessen Namen er aber schon schnell wieder vergessen hatte. Man hat seine Berufsgruppe vor vielen Jahren als Mr. Jones bezeichnet. Die Aufzeichnungen beginnen etwas plötzlich, da das Gespräch schon in vollem Gange war, als er am Nebentisch Platz nahm.
Andreas Spechtl
"Was sudern Sie mich eigentlich so an? Was ich, ich der Ja, Panik, mache, das mache ich so, ganz einfach, weil's so gemacht g'hört und ned anders. Was fragen'S mich denn den ganzen Scheiß? Wollen'S sich leicht was abschauen? Sie san ja a genauso g'scheiterte Existenz wie alle andern Leut auf derer Welt! Und dann glauben, zu die Künstler kömma gehen, da is no was zum holen, ja, ja. Da könnt's eh hingehen, ihr Deppen vorm Herrgott, da g'hörts nämlich a hin, zu die Künstler, zu die allergrößten Scheiterer! Geht’s hin, aber lasst’s den Ja, Panik in Frieden!"
"Mir scheint Sie sind ein großer Verweigerer, ich sehe schon, ganz in der Tradition von….."
"Ach halten'S doch ihr dummes Maul! Sie san mir a so ein Verweigerer, was heißt ein Verweigerer, ein Verächter sind Sie, ein sich selbst Reduzierer, ein kleingeistiger Faschist san Sie, wie alle in dem Land! Und alles nur wegen die paar Schilling! Sowas wie Sie dürft's ja gar net geben wenns nach mir ging. Und was reden'S denn da von Tradition daher? Leut wie ich haben überhaupt keine Tradition, wir san doch viel zu selten und wollen meistens a gar nix voneinander wissen. Für mi gibt's nur zwei Traditionen, die Spatzerl und die Schilling Tradition, und das sind zwei scheußliche Traditionen wenn'S mich fragen, mit denen möcht ich nichts zu tun haben."
"Sie gefallen sich ja sehr in der Rolle des Männerhassers. Glauben Sie, dass diese Misandrie dem feministischen Projekt noch zuträglich ist, wäre es nicht an der Zeit für alle zu sprechen, keinen mehr auszugrenzen? Viele Seinsmodelle weisen ja mittlerweile weit über die Kategorien männlich/weiblich hinaus. Und, woher kommt eigentlich ihr Glaube an und ihre Sympathien für das andere Geschlecht?"
"Gehn'S bitte, von den Frauen halt ich ja auch nix. Die sind halt die besseren Trotteln, also, verstehen'S, so was wie das geringere Übel. Wenn'S das Sympathien nennen wollen, gut, machen'S das, aber unterstellen'S mir keine Herzensregung, ich bitt' Sie! Lieber als die ganzen zwangsgscheiten Impotenzler san's mir natürlich schon, die Damen. Die neigen halt einfach ned so konsequent zur ganz festen Trottelei. Vielleicht aber a nur weil ma's ned lasst. Leider muss man das sogar annehmen."
"Ja, Panik, Sie weichen meinen Fragen aus."
"Ja, was fragen'S mich denn auch? Lassen'S mich doch, fragen'S doch die andern warum's die alle ned so machen wie sich's g'hört. Da, fragen'S den da hinten, fragen'S den, warum er da rumhängt und so saudämlich schaut, fragen'S ihn warum er ned alles richtig macht, sondern nur saudämlich schaut und sich irgendwo die paar Schilling abholt."
"Sie sprechen immerfort von Schilling, wie kann man das verstehen? Reicht es den Schilling nicht aus seinem Sprachgebrauch zu streichen, um globalisierungkritisch zu sein? Und, um bei meiner vorherigen Frage anzuknüpfen, ist Verweigerung schon Kritik?"
"Sagen'S einmal, geht's Ihnen noch irgendwie? Was oder wem verweiger' ich mich denn? Wo und wann bitte? Sind Sie ned fähig Eins und Eins zusammen zu dividieren? Ich habs Ihnen schon einmal g'sagt, Sie san doch der Verweigerer! So wie'S da vor mir sitzen, sind'S a einzige Verneinung. Sie verneinen quasi alles irgendwie Relevante, alles woran mir was liegt und den Tag versauen'S ma noch dazu. Haben Sie eigentlich überhaupt kan Scheniera?"
"Ich muss Sie doch sehr bitten, werden Sie nicht ausfallend, ich versuche doch nur ein Gespräch mit ihnen zu führen."
"Aber das is ja das Problem! Wenn alle was machen täten über das' sich zu reden lohnt, bräucht ma den ganzen Zirkus nimma. Wenn Ihr endlich einmal die Goschen halten täts, wenns euch den Sauerstoff fürs Hirn aufheben täts, dann wär diese Sterbensgemeinschaft vielleicht ein bisserl erträglicher. Aber wenn ich mir Sie so anschau hab ich ehrlich g'sagt wenig Hoffnung."
"Ja, Panik, Sie sind ein humorloser und verbitterter Mensch, ich muss ihnen das leider so sagen."
"Humorlos? Ich bin der letzte Humorist in diesem Land! Sie sind ein geschmackloser Mensch, mein Lieber. Aber das ist halt eine durch und durch widerliche und geschmacklose Welt, deswegen merken'S selber nix von ihrer Dodelei und auffallen tun'S a ned sonderlich. Also, machen'S nicht so ein Tamtam und Ihnen keine Sorgen, auf Sie schaut schon wer. Ich, ich muss mir Sorgen machen. Aber dafür bin ich ja da, oder?"
Ja, Panik zahlt, steht auf und geht.
Unser Held tut es ihm gleich und folgt dem aufgebrachten jungen Mann in die eisige Berliner Nacht.
Andreas Spechtl
Der Fall wird immer klarer: noch 77 Tage bis DMD KIU LIDT