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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

27. 1. 2011 - 19:21

Fußball-Journal '11-4.

Zu früh ins Ausland. Über das Doppelpaß-Spiel von Medien und Fußball-Akteuren, das den Sport verseucht. Ein Nachtrag zum Journal-Eintrag 23.

Meisterschaft und Cup, das europäische Geschäft, das Nationalteam, der Nachwuchs und die vielen Irrsinnigkeiten im Umfeld: Das Fußball-Journal '11 begleitet nach dem Jahr 2010 auch das neue Jahr wieder ungeschönt und ohne Rücksichtnahme auf die vielen dümmlichen Skandalisierungen und die diversen Stillhalte-Abkommen, die den heimischen Fußball-Journalismus so verhabert und zahnlos machen.

Heute mit einem Blick auf das manipulative Doppelpaß-Spiel zwischen Medien und Fußball-Akteuren, die getreu der Vermachtung im gesellschaftspolitischen Bereich funktioniert - wie hier gestern am Beispiel der Kronen-Zeitung dargelegt.

Heute kann ich es denen, die ihr nur das Fußball-Journal lesen, nicht ersparen: den Journal - Eintrag 23, quasi die basic info über die Methodik, derer sich der Boulevard (Bild drüben, die Krone hier) bedient um Macht auszuüben, um sich als Akteur, als Player zu profilieren anstatt sich um Berichterstattung und Analyse zu kümmern.
Diese machtpolitischen Campaigns und auch die kleinen Störfeuer dienen nicht der Aufklärung des Konsumenten, sondern der Verschleierung im Dienst der den jeweiligen Bereich beherrschenden Akteure.

Das sind im Fall des Sports vor allem die Verbände, die wiederum eng mit der Wirtschaft verflochten sind (Stichwort ÖSV). Dazu kommen im Fußball-Bereich machtvolle Einzelunternehmen wie die größeren Vereine.
Österreichischer Sport-, vor allem der Fußball-Journalismus, versteht sich fast flächendeckend als Partner. Das ist manchmal (Nationalmannschaften) irgendwie nachvollziehbar, wird aber umso absurder je stärker es in regionale und lokale Untiefen absinkt.

Genausowie beispielsweise Sturm Graz nicht an der Kleinen Zeitung, Altach oder Lustenau nicht an der VN vorbeikommen, stimmen die großen Player ihre Vorgangsweisen mit den Marktführern ab. Wenn wichtige, medienträchtige Positionen (nicht nur in ÖFB oder Liga, auch bei Rapid oder Austria), neu besetzt werden, dann pilgern die Schlauen unter den Bewerbern nicht nur zu ihren parteipolitischen Vertrauenspersonen, sondern auch zu den Mächtigen in den Medien; zum vormaligen Fernseh-Sportchef etwa, dem Bild-gestählten Österreich-Sportchef oder eben der Kronen Zeitung.

Am Beispiel Prohaska/Constantini

Auch der aktuelle ÖFB-Teamchef hat sich seine Pole-Position über diesen Weg gesichert; deshalb kann er es sich auch leisten mit dem Kurier auf die Matratzen zu gehen, ohne dabei gröberen Schaden zu nehmen: die anderen Medien werden ihn, in einer Mixtur aus Selbstzweck und Konkurrenzneid, beschützen.
In Momenten wie diesen wird Strategie zur ersten Medien-Pflicht - und die Wahrheit, wie immer, das erste Opfer des Krieges.

Diese Zusammenarbeit zwischen Medien-Mainstream (vorrangig dem Boulevard) und den Mächtigen bzw den Gallions-Figuren zeigt sich nicht nur in offensichtlichen Schlachten, sondern auch in den banalsten Untiefen des Alltags.
Praktisch jede Geschichte abseits der reinen Match-Reportage dient einem Zweck, oft der Imagebeförderung, manchmal auch als Drohgebärde - wie hier im Fall von Zellhofer.

Und vieles, was irgendwann einmal als gemeinsame Stoßrichtung definiert wurde, kommt solange unwidersprochen als nebenbei fallengelassenes Ceterum Censeo daher, bis der gemeine Konsument es als Selbstverständlichkeit hinnimmt.

Zum Beispiel das Diktum des "Zu früh zu jung ins Ausland gehen." Das reicht von Pucher bis Herzog, von Rinner bis Prohaska.

Am Beispiel Linden

Aktueller Hauptanwender ist der Teamchef, der mit diesem Genörgel, dass der Prozentsatz derer, die aus der österreichischen Liga raus in den richtigen Fußball wollen und es dort auch schaffen, seiner Meinung nach zu gering ist, Politik macht. Die Tatsache, dass er es sich mit über einem Drittel der Top 22 seiner Auslandslegionäre aus ganz anderen (großteils lächerlich-persönlichen) Gründen verscherzt hat, lässt er bei seinen Rechnungen geflissentlich aus.

An dieser Ideologie hat sich in den letzten Jahren auch die davor polyglott ausgerichtete neue ÖFB-Jugendtrainer-Garde, allen voran Heraf und Herzog orientiert: Sündenböcke sind gerne die im Ausland bei diversen Großklubs untergekommenen Jung-Talente (Arnautovic, Knasmüllner, Büchel, Krisch...) oder auch Teamkicker wie zuletzt Korkmaz oder Hoffer. Sie sind meist lobbylos und deshalb einfach zu belangen - und in den Medien ist seit Arnautovic das Bild des jungen Großkotz, der erst einmal "was leisten soll" (also die Wiedereinführung eines klassischen prä-68er-Topos) sehr gefragt.

Die wie selbstverständlich reingestreuten Nebensätze sind leicht zu überlesen. Gestern schreibt Peter Linden, Kampagnen-Taktgeber in der Kronen-Zeitung-Sportredaktion über Robert Gucher, den noch 19jährigen Grazer, der nach zweieinhalb Jahren in Italien (beim Serie B-Ausbildungsverein Frosinone) von Werner Gregoritsch nach Kapfenberg geholt werden soll. Und zwar als "das zu früh nach Italien gewechselte Mittelfeldtalent Robert Gucher".

Am Beispiel Gucher

Abgesehen davon, dass man mit fast 20 und internationaler Erfahrung eigentlich ja kein Talent mehr ist, ist dieser Zusatz entlarvend. Und zwar für die Herangehensweise der Zweckgemeinschaft Medien/Fußball-Branche.

Wäre Gucher, ebenso wie der genau ein Jahr ältere Dieter Elsneg nämlich in Österreich, gottbehüte beim GAK geblieben, wie es die "zu früh ins Ausland"-Aufsager in ihrem voneinander abgemalten Diktum fordern, wäre er dort wo die Junioren seines Jahr- und Werdegangs praktisch allesamt sind: im Nirgendwo zwischen Bundesliga-Tribüne, Erste Liga-Ersatzbank und Regionalliga-Einsatz, verbildet und verloren.
So wird er vom KSV umworben, auch weil die bereits mit dem hervorragend ausgebildeten Elsneg ihre Freude haben.

Gucher und auch Elsneg haben (ebenso wie leider noch zu wenige andere) in Italien die dort auch in den zweit- und dritthöchsten Klassen übliche ausgefeilte taktische Schulung erhalten, sind körperlich topfit und erfahrungsreich - können also diesbezüglich deutlich mehr als ihre in Österreich verbliebenen Altersgenossen, die sich mit wenig kompetenten Nachwuchs-Coaches und Liga-Trainern herumschlagen müssen, die sich über ihre Verhaberung mit den Medien und nicht über ihre Fortbildung definieren.

Am Beispiel Knasmüllner

Genau das ist wohl auch das Problem.
Natürlich hat es ein Constantini nicht so gern, wenn ein György Garics eine bessere taktische Schulung einfordert, weil er internationale Standards gewohnt ist. Und jeder junge Spieler, der "draußen" ausgebildet wurde, kann, bei seiner Rückkehr, ein Steinchen im Fußball-Schuh der fortbildungsresistenten Ösi-Coaches darstellt.

Wer noch ein anschauliches Beispiel braucht: Alles, was aktuell am Beispiel von Christoph Knasmüllner durchdekliniert wird, entspricht diesen Usancen. Knasmüllner, der für die Bayern-Amateure zu gut und für die Bayern-Profis noch (wie auch Alaba) zu grün war und deshalb die Chance bei Inter Mailand sucht, wird nicht etwa für seinen Wagemut und seine offensive Riskionahme belobigt (zudem: welcher andere Österreicher hat Bayern und Inter-Pickerl auf seinem Reisekoffer?), sondern als zu forsch abgemahnt, der "erst einmal was leisten" soll bzw natürlich "zu früh ins Ausland" (wieder einmal wird da Prohaska, der immer mehr zum Niki Lauda seines Bereichs verkommt, zitiert) gegangen ist.

Am Beispiel Prosenik

Forsches Auftreten will, im Fußball-Nabelschauland Österreich, dessen Coaches im Ausland nur im Exotenbereich tätig sein dürfen, weil ihr Standing und vor allem ihr Aus- und Fortbildungswille so schlecht entwickelt ist, natürlich keiner.
Weils ja auch einfacher geht - man bespricht sich kurz mit einem kampagnisierungsfähigen Medien-verteiler seines Vertrauens, der als Gegenleistung exklusive Infos erhält: Problem gelöst.

Fußball ist, anno 2011, ein zutiefst globalisiertes Unternehmen. Die Jungen, vor allem die Intelligenten unter ihnen haben das kapiert und handeln danach.

Die alte Schule kämpft ihren verzweifelten, zunehmend nationalistisch geprägten Abwehrkampf - unter Mithilfe von Medien, die dasselbe auch auf politischer Ebene tagtäglich veranstalten. Dass dies ein Kampf ist, den sie in einer - im Gegensatz zur Politik - nicht hermetisch verschließbaren Sportwelt gar nicht gewinnen können, macht ihn umso lächerlicher.