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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

26. 1. 2011 - 20:18

Journal 2011. Eintrag 23.

Die Macht der Kronen-Zeitung im Jahr 1 nach Dichand: was sich geändert hat.

Das Jahr 2011 bietet wieder ein Journal, ein fast tägliches, wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009.
Dazu komplettieren etliche Einträge ins Fußball-Journal '11 die diesjährige Blumenau-Netz-Präsenz.

Meist wird es hier Geschichten/Analysen geben, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo gefunden habe; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.

Heute mit dem was eh schon im Titel drinsteht: einer Bestands-Aufnahme der aktuellen politischen Machtfülle der Kronen-Zeitung im Jahr 1 nach Hans Dichand, zwei Jahre nach Bei Faymann - auch im direkten Vergleich zur deutschen Bild-Zeitung.

Wenn sich ein österreichischer Minister dieser Tage zum Kasperl macht, weil er den imperativen Zurufen der Kronen-Zeitung gehorcht wie der Flocki dem Herrl, dann regt sich zurecht der Gedanke: nichts Neues, an sich.
Das mag sein - bloss ist die Qualität dieses Dialogs eine neue.

Denn die Art, wie sich die oft osmotische Beziehung zwischen Medien und öffentlichen Personen, vor allem Mächtigen, äußert, sagt viel über den Stand von Republik und Gesinnung aus.

In Deutschland etwa, hat die in dieser Hinsicht führende Bild-Zeitung, diese Einflussnahme über die Jahre hin perfektioniert.

Beispiel Lothar Mattäus: der war jahrelang IM bei Bayern München und Nationalmannschaft, und wurde dafür mit einem Experten-Vertrag für die Zeit danach belohnt. Als Trainer allerdings, also in einem Bereich, wo er nichts leistet und deshalb als Maulwurf uninteressant ist, treibt ihn das Medium gerne vor sich her, als wär sein Leben eine Dauerprüfung im Dschungelcamp - und ist so hauptschuld an der grotesken Lächerlichkeit der Medien-Figur Matthäus, die auf Kurz-Ehen mit Unter 20jährigen aus dem Osten reduziert wird und den Parodisten als jokerhafter Watschenmann dient.

Die Politische Macht des Boulveards:

Beispiel Gerhard Schröder: der Ex-Kanzler hatte ein simples Medien-Konzept. Regieren mit Bild, BamS und Glotze, Kooperation mit dem Boulevard, als IM Schröder in der Regierung, war angesagt. In entscheidenden Moment vor den vorletzten Wahlen genügte es Bild und den anderen nicht mehr, den süffigen Medien-Kanzler abzufeiern, um den politischen Willen der Wirtschaft zu kompensieren: die Folge war, dass Schröder von seinen Gestern-Noch-Hausmedien totgeschrieben wurde.

Aktuelles Beispiel Guttenberg: der clevere Freiherr hat einen Weg zwischen denen von Matthäus und Schröder gewählt, stellt sich, seine Frau und seine Marke als Bild-Minister exklusiv zur Verfügung, mit seiner Option auf die Kanzlerschaft ist er eine Aktie, die langfristig funktionieren soll.

Natürlich benützt Bild Guttenberg genauso wie die Kronen-Zeitung die SPÖ und Partei-Soldaten Darabos: indem man den politischen Akteuren Vorschreibungen macht (und auch bei den aktuelle Problemen des deutschen Heeres ist das so) und sie so zu einer gefälligen Aktion zwingt, demonstriert man immense Stärke vor 1) der Leserschaft (schau was wir können!) und 2) auch gegenüber jeglichem anderen politischen Akteur (schau was wir können würden!).
"Drohkulisse", nennt das der Presse-Chefredakteur.

Guttenberg hat Bild...

Dass im konkreten Fall der bislang blitzblanke Saubermann-Anzug von Guttenberg angepatzt wurde, ist Bild egal. Zum einen spekuliert man mit dem schnellen Vergessen beim mit Informationen überfütterten Mainstream-Publikum, zum anderen hat sich die Angst vor der Macht von Bild längst als fixe Kategorie etabliert.
Als ich etwa unlängst bei einem deutschen Qualitätsradio als Live-Gast in einen die Talksendung unterbrechenden News-Talk involviert wurde und genau das (das erstmalige mediale Anpatzen von Guttenberg, und den Beginn eines möglichen Turnarounds seines öffentlichen Images) ansprach, herrschte im davor recht munteren Gespräch plötzlich erschrockenes Schweigen; samt unauffälliger Überleitung zu etwas ganz Anderem. Das Verhältnis zwischen Mächtigen und Medien traute sich auch das Qualitäts-Medium nicht zu thematisieren, das wird an die Handvoll Medienmagazine ausgelagert; aber dieses Thema hatten wir ja erst unlängst.

... die Krone hat Darabos...

Das, was Guttenberg mit Bild hat, ist ein ausgetüftelter Deal, ein Nehmen und Geben - das, was in Österreich zwischen Regierung, vor allem SPÖ und der Faymann-Crew, und Kronen-Zeitung abläuft, hat eher das Format des Diktats, dem sich der Verteidigungsminister erstaunlich widerstandslos unterworfen hat. Wie groß die Furcht ist, lässt sich anhand dieses Klassikers (Auftritt Darabos ab 2:48) klar erkennen.

Ein Diktat, das sich in der aktuellen Wehrpflicht-Debatte dann entsprechend grotesk auswirkt und auf dem Level von persönlichen Beleidigungen und Kurzschluss-Handlungen von Typus 'Schreierei am Gang' stattfindet. Glücklicherweise betrifft es ein Feld, in dem außer ein paar Egos niemand verletzt wird.

Allerdings ist dieses ostentative an-der-Leine-ziehen bei Darabos auch ein Signal an die Chef-Ebene. Dort gab es nämlich eine Rochade, die der Kronen-Zeitung wohl nicht recht war. Die Ehefrau von Polit-Rambo und Web-TV-Star Claus Pandi wurde von ihrem Job als Kanzler-Pressechefin abgezogen - den neuen Spin (der hier schon zu erkennen war) erledigen jetzt Leute aus dem Laura Rudas-Umfeld. Für Angelika Feigl bleibt der "Obama"-Job, das "sich um die neuen Medien kümmern".

... und hat/hatte Faymann...

Damit ist der Krone-Kanzler ein wenig aus dem direkten Gänglband entschlüpft. Weshalb man in der Muthgasse jetzt eben andere vor sich her treibt.

Diese kleine Faymann-Entwicklung macht aber nicht den großen Unterschied zwischen der Krone-Machtpolitik von vor Hans Dichands Tod und jetzt aus.

Der liegt vielmehr in der öffentlichen Wahrnehmung des Krone-Einflusses.

Zu Dichands Lebzeiten herrschte ein Kommunikations-Verbot über diese Facette der heimischen Politik. Wer dagegen verstieß (wie arte mit seiner berühmten Klestil&Guglhupf-Doku) wurde schwer abgestraft. Öffentliche Analyse endete wie das von mir vorher beschriebene Liveradio-Szenario.

... aber es wird zumindest öffentlich diskutiert

Heute ist die Politik der Kronen-Zeitung Thema in der öffentlichen Debatte - es gibt dazu zwar (ganz alter Stil) keine Kommentare der aktuellen Führung; aber sowohl diejenigen, die am Nasenring hängen, als auch jene, die das kritisieren, sprechen öffentlich darüber. Was in weiterer Folge, irgendwann, zu einer Demontage der Angst führen könnte. Zumindest, was Attacken auf Personen betrifft: ein zweiter Fall Plassnik wäre heute schon schwieriger. Auch, dass man sich das Titelseiten-Kuscheltier Karl-Heinz so widerstandslos einreden hat lassen - wenig vorstellbar.

Schwieriger wird es bei Kampagnen-Journalismus, der nicht über Personen, sondern über Emotionen geführt wird: da liegt noch enormes Potential brach; was man auch am Sachthema Wehrpflicht schön nachvollziehen konnte.

Mehr als diese Neuerung im Jahr 1 nach Dichand, also die Tatsache dass die öffentlichere Debatte über die Funktion des politischen Einpeitschers Kronen-Zeitung demokratiepolitisch gesehen ein Fortschritt zu den dunklen Schweigezeiten von davor ist, bleibt aktuell aber nicht.