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Pia Reiser

Filmflimmern

26. 1. 2011 - 13:12

Bernd Eichinger (1949-2011)

Der Blockbuster-Zampano des deutschen Films ist am 25. Jänner 2011 im Alter von nur 61 Jahren verstorben. Ein Blick auf das Werk eines Mannes, der Pathos und Spektakel liebte.

Als öffentliche Figur schien Bernd Eichinger oft wie aus einer anderen Zeit zu sein, die von ihm produzierten Filme hingegen wollten immer den Nerv ihrer Zeit treffen. Gerne mit Zigarre oder Zigarette im Mund trat der große Mann in die Öffentlichkeit, immer breit lächelnd, immer am Handschlag, immer den Arm um die Schulter von jemandem. Seidenschal und Turnschuhe tragend. Eichinger gemahnte im Auftreten beinahe an Studiobosse und Produzenten aus dem Studiosystem der goldenen Tage Hollywoods, einer Zeit, in der man eher die Namen der Produzenten, als die der Regisseure kannte. Eichinger hat es geschafft, sich als Marke zu etablieren, man sprach von Eichinger-Filmen, auch wenn er meistens nur als Produzent agierte.

Eichinger-Filme wurde zu einem Label, das für großes Spektakelkino und Literaturadaptionen stand. Mit genau so einer begann auch seine Karriere, 1978 entsteht "Die gläserne Zelle". Unter der Regie von Lindenstraßen-Schöpfer Hans W. Geißendörfer und lose basierend auf einem Roman von Patricia Highsmith, produziert Eichinger ein psychologisches Kriminaldrama mit Helmut Griem, Brigitte Fossey und Bernhard Wicki. Der Film wurde für den Oscar als "Bester ausländischer Film" nominiert (erst 2005 bekommt ein von ihm produzierter Film diesen Preis: "Nirgendwo in Afrika") und verkörpert damit schon, wofür Eichinger auch stand: Das Streben des deutschen Films über die Landesgrenzen hinaus ("Die Blechtrommel" hat da gute Vorarbeit geleistet), internationale Produktionen, das Wahrgenommenwerden-Wollen in Hollywood. Es folgen "Geschichten aus dem Wienerwald" unter der Regie von Maximilian Schell und 1981 "Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", mit dem Eichinger und Regisseur Uli Edel mit einer Riege an Laiendarstellern ein Stück Realität und Drogenmilieu auf die Leinwand brachten, das man bis dahin so noch nicht gesehen hatte.

Bernd EIchinger

APA/EPA

Bernd Eichinger (1949-2011)

Auch 1984 war es wieder ein Bestseller, den er auf die Leinwand brachte: Das Kinder-Fantasy-Spektakel "Die unendliche Geschichte" traumatisiert mit dem Tod des Ponys im Moor eine ganze Generation und ist zu dem Zeitpunkt die teuerste deutsche Filmproduktion. Der Film wird ein internationaler Erfolg, nur Autor Michael Ende lässt seinen Namen aus dem Vorspann streichen, will mit der Verfilmung seines (halben) Buches nichts mehr zu tun haben. Bernd Eichinger aber hat nun einen Fuß in Hollywood und wird endgültig zum Angelpunkt des deutschen Films. Sein Erfolgsrezept für die nächsten Jahre bleiben Leinwandadaptionen von erfolgreichen Romanen, deutsche Co-Produktionen mit Star-Aufgebot und Regisseure, die damit leben können, im Hintergrund zu stehen. "Der Name der Rose", "Letzte Ausfahrt Brooklyn", "Der Zementgarten" und "Das Geisterhaus". "Literaturverfilmungsweltmeister" nennt ihn die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Wenn Eichinger einen Film produziert, macht sich das Hirn keine Mühe, den Namen des Regisseurs zu merken. Wozu auch. Es ist ein Eichinger-Film.

Sean Connery und Christian Slater in "Der Name der Rose"

Constantin

Sean Connery und Christian Slater in "Der Name der Rose"

Als in den 1980 und 1990er Jahren der deutsche Film eine neue Art der Komödie für sich entdeckt, die Beziehungskomödie, mischt Eichinger mit. Doris Dörries Spielfilm "Ich und er" aus dem Jahr 1988 ist nur mäßiger Erfolg beschert; Dörrie und Eichinger streiten, zur Premiere erscheint sie gleich gar nicht. "Ich habe ihm gesagt, ich möchte nicht, dass er bei den Dreharbeiten ständig dabei ist. Ich bin vermutlich die einzige Regisseurin, die das gemacht hat." Doch die beiden arbeiten wieder zusammen. Mit mehr Erfolg als bei "Ich und Er" bringen sie in den folgenden Jahren "Bin ich schön?", "Nackt" und "Vom Fischer und seiner Frau" auf die Leinwand.

Szenenbild aus der bewegte Mann

Constantin

Der bewegte Mann

Komödien

Schließlich wird die Verfilmung von Ralf Königs Comic "Der bewegte Mann" unter der Regie von Sönke Wortmann zum Publikumshit und zur Neudefinition der deutschen Komödie. Macht Til Schweiger berühmt und bringt zahlreiche Angebote für ihn und Joachim Krol.

Selbst auf den Regiesessel begibt sich Eichinger nur wenige Male und nie sind diese Unterfangen mit großem Erfolg gesegnet. 1999 verfilmt er Helmut Kraussers grandiosen Roman "Der große Bagarozy". Das muss ein Herzensprojekt gewesen sein, denn Kraussers Buch fällt nicht in die Beststellerkategorie, die er sonst fürs Kino adaptierte und Buch und Films sind außerdem etwas, wovor das deutsche Kino so eine Heidenangst hat, ein Genre-Bastard. Krimi, Fantasy, ein bisschen Komödie. Ein Teufel, der keiner mehr sein will, Callas und ihre Pudel. Corinna Harfourch, mit der Eichinger auch eine Weile liiert war, spielt die Hauptrolle, wie in so vielen seiner Filmen. Auch in der Beziehung echote Eichinger den Studiosystem-Hollywood-Produzenten, war mit einigen seiner Darstellerinnen liiert: Hannelore Elsner, Barbara Rudnik, Katja Flint.

Er arbeitet am laufenden Band, der Misserfolg von "Bagarozy" wirft ihn nicht zurück: "Wenn ein Film ein Misserfolg wird, vergesse ich das sofort. Da wird bei uns nicht mehr drüber geredet, das ist eine eiserne Regel. Dann wird einfach der nächste Film angegangen. Du lernst nix aus einem Misserfolg", so Eichinger im Interview mit "Der Spiegel".

Mit der Callas-Thematik von "Der große Bagarozy" rückt Eichinger zumindest thematisch in die Nähe der Oper, deren Dramatik er liebt. Er braucht den Pathos, die große Geste, das große Kino, das Spektakel, das seine Filme definiert. Er liebt den Pathos von Fellini und Visconti, betonte er oft. Deren oft träumerische, abgehobene, visuell verspieltere Visionen hat er nie nachzubauen versucht. Eichinger, der Tycoon, war erdverbunden. "Film ist Krieg", hat er mal gesagt und auch "Ein Film, den niemand sieht, ist kein Film."

Constantin

Der Untergang

Hitler und RAF

Keine kleinen Brötchen will er backen, sondern große Kuchen. Ensemblefilme mit großen Namen und noch größeren Themen. 2004 kehrt er zu einem Thema zurück, das er bereits in den 1970er Jahren mit "Hitler - ein Film aus Deutschland" eher unkonventionell angepackt hat: Adolf Hitler. "Der Untergang", Regie führt Oliver Hirschbiegel, erzählt von den letzten Tagen Führerbunker und wurde nominiert für einen Academy Award in der Kategorie "Best Picture in a Foreign Language". Das konventionell bis fast bieder inszenierte Drama brach hitzige Diskussionen auf, ob man Hitler so menschlich darstellen dürfe. Wim Wenders, dessen frühe Filme ebenfalls Eichinger produziert hat, schreibt in der Zeit ein fast zorniges Pamphlet gegen die Verharmlosung. Eichingernkokettierte mit politischen Themen , er griff sie auf, wenn er um ihre Aufmerksamkeitsmacht wusste. Auf Hitler folgt "Der Baader-Meinhof-Komplex", RAF goes endgültig Pop, spektakelhafte Geschichtsanekdotisierung, Actionkino als Annäherung an jüngere deutsche Geschichte. Eichinger war kein Polit-Provokateur, aber er wusste eben, was wann thematisch anzupacken sei. Er war es auch, der die Rechte für die Geschichte der Natascha Kampusch erworben hat. 2012 sollte der Film in die Kinos kommen.

Eichinger war Filmliebhaber und Geschäftsmann, machte die in den 1970er Jahren bankrotte Constantin zu einem Weltkonzern, wird zum Antriebsmotor des deutschen Films. Alles, was die deutschen Kinokassen füllt, hat irgendwo im Nachspann seinen Namen stehen. Vom "Schuh des Manitu" bis zu "Das Parfum", aber auch bei "Resident Evil" und den "Fantastic Four"-Filmen ist Eichinger als Produzent dabei.

Lauterbach als Eichinger

Über 15 Jahre hat es gedauert bis Patrick Süskind der Verfilmung seines Romans zugestimmt hat ("Irgendwann fällt jeder Baum", kommentiert Eichinger). Da Tom Tykwer Regie geführt hat, hatte ich fast schon wieder vergessen, dass es ein Eichinger-Film war, nicht. Eine andere Zusammenarbeit mit Süskind wird zur Hommage an Bernd Eichinger: Süskind schreibt das Drehbuch für Helmut Dietls "Rossini oder Die mörderische Frage, wer mit wem schlief". In dem satirischen Zerrbild, einer illustrischen Schnittmenge der Münchner Schickeria und der Filmwelt, gibt Heiner Lauterbach als Oskar Reiter eine Eichinger-Impersonisation. Ein Seidenschal-tragender, die Gesellschaft liebender Filmproduzent, der den schüchternen Autor - Joachim Król als Patrick Süskind-Variante -, zur Verfilmung seines Buches überreden will. So wurde der Filmsüchtige, wie er sich selbst bezeichnete, auf der Leinwand verewigt. Eine schönere Hommage konnte sich einer, der sein Leben dem Film verschrieben hat, ohnehin nicht wünschen.

Filmstill aus "Rossini"

Constantin

"Rossini oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief"

Bernd Eichinger ist am 25. Jänner 2011 im Alter von 61 Jahren nach einem Herzinfarkt verstorben.