Erstellt am: 27. 1. 2011 - 16:17 Uhr
Die Freeride World Tour 2011
Wenn du Schnee liebst, wirst du irgendwann mal damit spielen wollen. Wenn dich Berge faszinieren, wirst du irgendwann mal die höchsten bezwingen.
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Und weil raufklettern zwar befriedigend ist, aber halt nur der halbe Spaß, haben wir Erdlinge eigentlich nur die Gleichung Berge + Schnee gebraucht. Aber da Spielen, Forschen, Sport - ja sogar Kunst ab einem gewissen Niveau zwingend den Wettkampfgedanken in uns weckt, ist es auch passiert, dass diese spektakuläre Sportart - die eigentlich der Inbegriff des individualistischen Spiels mit den Naturgewalten war - ihr weltumspannendes Wettkampfformat bekommen hat: Das Tiefschneefahren hat jetzt seine Formel 1 - die Freeride World Tour!
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Was vor ein paar Jahren noch ein Mikrotrend war – im Schatten der großen Snowboardevents und Slopestylecontests – scheint jetzt von Jahr zu Jahr mehr zu boomen. Immer mehr Menschen kaufen sich Freeride Ausrüstung und versuchen es selbst. Und immer mehr sehen sich fasziniert die Videos und Kurzfilme der besten Rider der Szene an.
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Winterspiele
In Chamonix, unter den Nordhängen des Mont Blanc (4810m) haben die ersten olympischen Winterspiele stattgefunden. Der Ort am Fuß des höchsten Bergs Europas übt seit jeher eine magische Anziehung auf Extrem-Skifahrer aus und wurde zum Mekka für Freerider. Es war also sehr passend, die heurige aus sechs Stops bestehende Welttournee hier zu starten. Nur war die Schneelage so schlecht, dass die Veranstaltung nach Courmayeur (=die italienische, also die Rückseite des Monte Bianco) verlegt wurde, auf das Nordface des Mont Fortin. Eine besondere Herausforderung, weil noch kein Rider je diese Bergwand befahren hat, wie mir der dreifache World Champion Xavier de le Rue versichert hat. Also kein Heimvorteil für die Franzosen.
Studieren vs. Probieren
Was die Weltelite der FreeriderInnen da leistet, wenn sie eine für uns fast senkrechte, mit Felsformationen unterschiedlicher Höhe gespickte Bergwand runterfetzen und über haushohe Cliffs springen ist schwer nachzuvollziehen – um das ansatzweise zu verstehen, habe ich die Riderinnen am Vorabend des Wettkampfs gefragt, wie sie sich darauf vorbereiten, einen Berg zu befahren, den sie selbst vor dem Contest nur von unten (!!) besichtigen dürfen. Mitch Tölderer, Doktor der Medizin und einer der besten österreichischen Snowboarder, sitzt knuddlig zerknautscht in sexy Hotelpatscherln vor seinem Laptop und "checkt seine Lines bzw. seine Optionen." Nachdem er sich vor Ort mit dem Feldstecher den Berg in natura angeschaut hat, werden jetzt hochauflösende Fotos studiert. Freeriden auf höchstem Niveau ist ein kreatives Lösen naturgegebener Problemstellungen. Um eine einzigartige Linie in den Schnee zu zaubern, braucht es jahrelange Erfahrung, denn nicht alles ist auf Fotos zu erkennen: Ob da wo man Schnee sieht auch wirklich viel Schnee ist, oder ob unter dem Weiß die Sharks lauern - das lernt der Bergfex erst aus jahrelanger, teils schmerzhafter Erfahrung.
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Kollegialität
Neben Mitch Tölderer wohnt die Freerideweltmeisterin (Snowboard) 2010, Aline Bock aus Deutschland. Sie teilt sich das Zimmer mit ihren härtesten Konkurrentinnen, also ist auch klar, dass sie mit ihnen über ihre Linie redet und man auch über die richtige Einschätzung der Cliffs diskutiert. Letztendlich ist es auch egal, wenn zwei die gleiche Linie wählen, weil es ja drauf ankommt, was man daraus macht. Der Kampf gegen die eigenen Ängste verbindet jedenfalls die Wettkämpferinnen, und die Erleichterung, wenn man gesund im Ziel angekommen ist, entlädt sich immer in ehrlichem, kollektiven Jubel für die Leistung der anderen.
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Gesundheit? Kalkuliertes Risiko?
Als Mediziner kennt Mitch Tölderer natürlich die physikalischen Belastungsgrenzen und möglichen Schäden des Körpers besser als alle anderen. Im Vergleich mit den Topläufern des alpinen Rennsports (Hermann Mayer hat sich mal als "Kapitän vom SC Voltaren" bezeichnet) sind die besten Freerider körperlich noch erstaunlich intakt. Mitch: "Natürlich weiß man über Risiken bescheid, aber es ist ja so: Wir tasten uns heran und versuchen keine Risiken bzw. nur kalkulierte Risiken einzugehen. Vielleicht schaut es oft für den Betrachter wilder aus, als es für uns wirklich ist."
"Beim Filmen sind die Rider meist weit größeren Gefahren ausgesetzt als bei Contests", erklärt Mitch, "weil die größte Bedrohung beim Offpistesport ja Lawinen sind, und bei der Freeride World Tour wird das Gelände von einem Haufen Bergführern vorher beobachtet, gesichert und dann erst freigegeben."
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Und wie isses ausgegangen!?
Bei den Freeskiern war es der Tag des Aurélien Ducroz aus Chamonix. Der FWT-Weltmeister 2009 fuhr eine unschlagbare, schnelle Linie und stand selbst die größten Sprünge fehlerfrei.
c.margot/freeride world tour
Bei den Damen (Snowboard) hat die Österreicherin Ursula Wohlschlager den sensationellen zweiten Platz gemacht: „ Ich hab versucht, sehr schnell und flüssig zu fahren und außer einigen kleineren Drops nur wenige Sprünge gemacht. Jetzt freue ich mich umso mehr auf das nächste Event der Women’s Freeride World Tour in Hochfügen!“
j.bernard/freeride world tour
Mathias "Hauni" Haunholder (Ski), der Sieger beim letztjährigen Big Mountain Contest in Fieberbrunn hat einen der schlimmsten Crashes des Tages geliefert, aber außer ein paar Prellungen, Quetschungen und einem leichten seelischen Knick nix abgekriegt.
d.daher/freeride world tour
Xavier de le Rue (Snowboard) war wieder eine Klasse für sich! Schaut euch seinen Siegeslauf im "best of Chamonix-Video" hier an!
Comin' at ya!!
Und weil ihr das wirklich mal selbst erleben solltet - der 5. Stop der Freeride World Tour ist heuer in Österreich! Also save the date: 12. März Big Mountain Fieberbrunn (heuer sogar mit FM4 Party)! Und wie ich letztes Jahr schon berichtet hab, ist die Location zum Zuschauen ideal.
c.margot/freeride worldtour