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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

26. 1. 2011 - 16:57

Ein Mann sieht rot, der Liebe wegen

Mit "The Next Three Days - 72 Stunden" legt Paul Haggis einen dichten Thriller vor, dem viele Schwachstellen seiner bisherigen Streifen fehlen.

Erinnert sich noch wer an Clint Eastwoods "Million Dollar Baby"? Ein anfänglich berührendes Boxerdrama, das zum peinlichen Sozialmärchen mutiert und den Schreiber dieser Zeilen am Ende sehr zerrissen hinterlassen hat.

Oder die beiden Zweiter-Weltkriegs-Aufarbeitungen "Flags Of Our Fathers" und "Letters From Iwo Jima" vom selben, prinzipiell hochgeschätzten Regiemeister? Zwei Filme über eine Schlacht, zwei düstere Dekonstruktionen des Heldentums, wo aber ein rührseliger Tonfall vieles kaputtmacht.

Die Drehbücher zu all diesen Eastwood-Produktionen schrieb ein gebürtiger Kanadier, der zu den Liebkindern der Oscar-Jury gehört, auch als Regisseur. Kein Wunder, denn Paul Haggis steht für vieles, was die Academy-Awards-Mitglieder lieben. Er widmet sich ausschließlich brisanten Themen wie Krieg, Gewalt, Rassismus oder Unterdrückung - aber auf eine Weise, dass wirkliche Irritation nie aufkommt.

Dabei täuscht Haggis auch in seinen Regiearbeiten "L.A. Crash" und "In The Valley Of Elah" an der Oberfläche durchaus Komplexität vor. Aber hinter den pingelig konstruierten und mit gesellschaftlichen Minenfeldern gespickten Skripts lauern naive humanistische Befunde und simpelste Botschaften.

The Next Three Days - 72 Stunden

Lionsgate

Kein Wunder, dass ich unlängst mit großer Skepsis im Kino gesessen bin, als in den Credits der Name von Hollywoods engagiertestem Schnulzenpapst auftauchte.

Aber irgend etwas ist anders an "The Next Three Days". Anstatt die Struktur der Geschichte auf pseudoclevere Weise zu dekonstruieren, erzählt Haggis relativ gradlinig, auf einen philanthropen Zuckerguss verzichtet er diesmal.

"72 Stunden", wie der Film bei uns heißt, bewegt sich eindeutig auf Genreterrain. Ein schleichender, dichter, stellenweise extrem spannender Thriller ist dem Regisseur und Drehbuchautor Paul Haggis da gelungen, das muss ich trotz sämtlicher Vorurteile eingestehen.

Schon nach wenigen Filmminuten liegt eine amerikanische Familienidylle in Trümmern. An einem grauen Morgen stürmt die Polizei das Haus der Brennans in Pittsburgh, holt Ehefrau Lara (Elizabeth Banks) mit Handschellen ab, hinterlässt den fassungslosen Ehemann und einen verstörten kleinen Sohn.

John Brennan (Russell Crowe) will nicht glauben, dass seine geliebte Frau einen kaltblütigen Mord begangen haben soll, aber die Indizienbeweise überzeugen die Geschworenen. Als das Urteil lebenslänglich lautet, fasst der verschlurfte Collegeprofessor einen verrückten Entschluss. Im Alleingang will er Lara aus dem Gefängnis befreien.

The Next Three Days - 72 Stunden

L

Nach Logik oder Wahrscheinlichkeit sollte man bei dieser Ausbruchsstory nicht Ausschau halten. Obwohl sich der Film an der Oberfläche als realistisch und milieugetreu tarnt, versammelt er mehr Absurditäten als viele Folgen von "Prison Break" und "24" zusammen.

Aber das ist auch nicht der Punkt. "What if we choose to exist solely in a reality of our own making?" fragt John Brennan in einer Szene vielsagend seine Studenten. "The Next Three Days" erzählt die Geschichte einer Obsession.

Russell Crowe, dessen Figur anfangs noch zu sehr an all die schmuddeligen Durchschnittstypen erinnert, die er bereits in seinem Repertoire hat, gewinnt dem manischen Ehemann fesselnde Nuancen ab. Der Professor, der seine inhaftierte Frau mit allen Mitteln aus ihrer Zelle holen will, letztlich auch gegen deren Willen, steht für eine gewisse, vornehmlich männliche Sturheit, die auch schon mal über Leichen geht.

Den emotionalen Holzhammer holt Paul Haggis zwar immer wieder in seinem neuen Film hervor. Aber wenn es dabei um die unterschätzte Elizabeth Banks geht (hier zur Abwechslung in einer ernsten Rolle), lässt man(n) sich gerne weichklopfen. Erst ganz gegen Ende drückt "The Next Three Days" dann die üblichen ärgerlichen Knöpfe und bemüht sich um die Auflösung sämtlicher Konflikte, die ihn sehenswert machen.

Dennoch: eine positive Überraschung.

The Next Three Days - 72 Stunden

Lionsgate