Erstellt am: 26. 1. 2011 - 14:13 Uhr
Small Screen Stories: Vorwärts/Rückwärts
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An guten, besprechenswerten Videos hat es nicht gemangelt während meiner viel-zu-langen Abwesenheit aus dieser (viel-zu-)unregelmäßigen Kolumne. Daran ist es echt nicht gelegen. Die Aufarbeitung des hohen To-Do-Stapels aus dieser Zeit muss aber ein anderes Mal erfolgen, denn es gibt "Neues" zu beschreiben. Zumindest ist der Impuls für diese Geschichte, "Rose Garden" vom kanadischen Rapper Shad, trotz Mai 2010-Release erst in den letzten Tages über mein Aufmerksamkeits-Radar geflogen - dafür aber gleich -ähem- vor und zurück.
Im besagten Video geht der sympathische Typ aus London/Ontario den selben, eigentlich unspektakulären, Weg zuerst rückwärts, bevor er dann genau in der Mitte Richtung wechselt. Dass über die ganze Strecke visuell auf den Text Bezug genommen bzw. teilweise auch mitgerappt wird, zeigt eine der Stärken der aktuellen, No- bis Low-Budget-Video Szene: Gute Einfälle und die Liebe zum Detail.
Für uns Sample-Nerds hat das empfehlenswerte Blog Soul Sides das Sample-Original ausgegraben
Dass das Konzept von Shads Clip ziemlich direkt auf Spike Jonzes Meilenstein-Video zu "Drop" von The Pharcyde zurückzuführen ist, geben uns die Macher HotDogGarbage sogar selbst zu verstehen, indem sie es ganz am Schluss kurz über den Fernseher flimmern lassen. Dieses kommt zwar aus einer Zeit, in der die Plattenindustrie und damit auch Videobudgets noch etwas satter waren, lebt aber auch von einer eigentlich simplen Idee, die sehr konsequent durchgezogen wurde. Die vier Mitglieder von The Pharcyde studierten dafür gar ihre kompletten Lyrics mit Hilfe eines Linguisten rückwärts ein. Der Mehr-Aufwand hat sich aber auf jeden Fall gelohnt:
Wenn wir schon bei der "Director's Series" sind, muss hier natürlich auch Michel Gondrys meisterhafte Visualierung des Songs "Sugar Water" von Cibo Matto erwähnt werden. Wie die Handlung da quer über den Splitscreen vorwärts und rückwärts fast parallel verläuft und die zwei Protagonistinnen teilweise sogar interagieren, ist immer wieder verblüffend.
- Kurzes Making Of
Sieben bzw. sechs Jahre nach Jonze bzw. Gondry setzten auch Coldplay für das "The Scientist" Video auf den Reverse-Effekt. Anfangs wirkt Chris Martins Rückwärtsgang durch Stadt und Land über lange Strecken eher unmotiviert, am Ende wird ihm durch einen überraschend spektakulär inszenierten Twist nachträglich zumindest etwas Sinn eingehaucht.
Für die Komplettisten: Das früheste mir bekannte Video mit großteils rückwärts abgespielten Bildern stammt aus Schottland. Die Band Danny Wilson ließ schon 1989 diverse Dinge aus dem Pool fliegen und die Buchstaben L, O, V und E wiederaufstehen. Ganz so ausgeklügelt wie einige der oberen Beispiele ist es natürlich nicht, aber das Video hat trotzdem seinen eigenen Charme.
Bonus Beat:
Im Video zu "Things Can Change" von Mirac & The Miracles läuft das Bild zwar nur selten rückwärts (z.B. während der Refrain-Scratches), aber Regisseur Simp wechselt da bemerkenswert nahtlos zwischen verschiedenen Geschwindigkeiten. Und ob Zeitraffer oder Slow Motion: Mirac rappt immer im richtigen Tempo. Was wieder mal beweist: Eine gut umgesetzte Idee bringt weit mehr als ein Riesen-Budget!