Erstellt am: 24. 1. 2011 - 17:19 Uhr
„Kein Ruhmesblatt für die Justiz“
Heute wurde der TierschützerInnen-Prozess in Wiener Neustadt nach einem Monat Pause wieder aufgenommen. Die verdeckte Ermittlerin "Danielle Durand" wird als Zeugin einvernommen. 16 Monate lang hatte sie als Französischstudentin getarnt in der Tierschutz-Szene ermittelt. Einer der Angeklagten, Felix Hnat, erzählt: "Sie war bei Recherchen und bei Demonstrationen dabei; bei Internationalen Treffen, bei Jagdstörungen und bei Aktionen des zivilen Ungehorsams. Sie war überall integriert und weiß ganz genau, dass wir nichts zu verbergen haben. Umso mehr schockiert es mich, dass trotzdem ein Verfahren eingeleitet wurde."
Der Tierschutzprozess bisher bei FM4:
Tierschützer wieder in Freiheit
Connected-Interview mit Martin Balluch
Tierschützer vs. Polizei
Christoph Weiss zu den Verhaftungen der Tierschützer
Paragraf 278a
Arthur Einöder über den Paragraf 278a
Danielle Durand fand tatsächlich nichts strafrechtlich Relevantes heraus. Allerdings fanden weder ihre Ermittlungstätigkeit noch deren Ergebnisse Eingang in den Prozessakt. Dem Gericht war ihr Einsatz gar nicht bekannt, bis die Angeklagten über einen anonymen Hinweis darüber informiert wurden.
Entlastendes Material unterdrückt?
www.heinz-mayer.com
Heinz Mayer, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Wien, hält eine solche Vorgangsweise für bedenklich: "Die Strafprozessordnung sieht vor, dass der Staatsanwalt alles zu ermitteln hat, was für oder gegen den Angeklagten spricht. Das heißt auch, entlastendes Material muss selbstverständlich in den Strafakt genommen werden." Heinz Mayer verfolgt den Tierschutz Prozess via Medien, er kann daher den Ablauf des Prozesses nicht aus der Nähe beurteilen. Er hält aber fest: "Wenn das nicht passiert, ist der Verdacht einer einseitigen Ermittlung nicht von der Hand zu weisen und das ist jedenfalls rechtswidrig."
Petra Velten ist Strafrechtsexpertin an der Universität Linz, sie hat sich genauer mit Paragraf 278a, dem so genannten "Mafiaparagrafen" auseinandergesetzt. Im Zuge dessen hat sie im vergangenen Dezember einen Prozesstag besucht und darüber einen Artikel im Journal für Strafrecht veröffentlicht. Ihrer Meinung nach handelte die Richterin nicht neutral. "Ich hatte schon das Gefühl, dass die Richterin die Verteidigung als störendes Element empfunden hat und im Grunde die ganze Verhandlungsführung darauf ausgerichtet war, zu verhindern, dass die Verteidigung kritische Nachfragen stellt."
www.strafrecht.jku.at
Als Beispiel nennt Petra Velten die Befragung des Führers der Verdeckten Ermittlungen, wo kritische Fragen der Verteidigung von der Richterin zu Suggestivfragen umformuliert wurden. Die Verteidigung wollte etwa wissen, warum man bestimmte Sachen nicht zu den Akten genommen hatte. Zum Beispiel die Expertise, ob eine verdeckte Ermittlerin eingeführt werde oder nicht, ob das nicht ein kleines Gutachten sei, das somit im Akt sein müsste. „Da ist die Richterin eingesprungen und hat diese kritische Befragung unterbunden, indem sie sagte: ‚Kann es sein, dass ihre Expertise nur daraus bestand, dass sie erhoben haben, wer sich dafür eignet‘ und dann sagte der Zeuge nur noch ‚Ja‘. Sie halt also nicht nur die Fragen unterbunden, sondern dem Zeugen auch immer gleich einen Ausweg gezeigt, wenn es kritisch wurde“, erzählt Petra Velten.
Langsamer, chaotischer Prozess
Für Petra Velten sind diese Befragungsmethoden auch Grund dafür, dass der Prozess schon fast ein Jahr lang dauert. "Wenn die anderen Verhandlungstage in etwa so abgelaufen sind, wie das, was ich erlebt habe, dann hat die Verzögerung auch viel damit zu tun, dass die Verteidigung gezwungen ist, um ihre Rechte zu kämpfen. Um jede einzelne Frage muss ein Rechtsstreit geführt werden: ob die gestellt werden darf, in welcher Form die gestellt werden darf, was verlesen werden muss, damit die überhaupt gestellt werden darf." So wurden an dem Tag, den Petra Velten beobachtete, höchstens 30 Fragen gestellt. Das dauert normalerweise etwa eineinhalb Stunden, sagt sie, nicht einen ganzen Tag.
Auch Heinz Mayer hat vom bisherigen Prozess und wie er geführt wird, keine gute Meinung: "Es drängt sich doch der Eindruck auf, dass die Richterin maßlos überfordert ist. Sie scheint sich immer wieder in Geplänkel mit den Angeklagten zu verstricken, die Prozessführung dürfte ziemlich chaotisch und wenig strukturiert sein und das erklärt wohl die Länge des Verfahrens."
Auch dass es nach viereinhalb Jahren Ermittlungen und 63 Verhandlungstagen noch immer keine konkrete Straftat gibt, die einem der 13 Angeklagten zurechenbar ist, spricht nicht unbedingt für den Prozess und die Richterin. „Ich kann das Landesgericht Wiener Neustadt nicht beurteilen, ich kann nur diesen Prozess und den nur aus der Entfernung beurteilen. Und das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Justiz.“ sagt Heinz Mayer. Eine Einschätzung, die auch Petra Velten teilt: "Mal abgesehen davon, dass der Aufwand, der in dem Verfahren betrieben wird, gemessen an dem, was da anscheinend abgelaufen ist, unerklärlich ist."
Zwei Monate soll der Prozess jedenfalls noch dauern, ein Urteil wird spätestens Ende März erwartet. Man darf also gespannt sein, was sich am Wiener Neustädter Gericht noch tun wird. Derzeit sieht es so aus, als würde die verdeckte Ermittlerin nun zur größten Entlastungszeugin werden.