Erstellt am: 23. 1. 2011 - 22:47 Uhr
Journal 2011. Eintrag 20.
Das Jahr 2011 bietet wieder ein Journal, ein fast tägliches, wie schon 2003, 2005, 2007 und 2009.
300 Einträge werden zusammenkommen, vielleicht auch mehr. Dazu komplettieren 60 oder 70 Einträge ins Fußball-Journal '11 die diesjährige Blumenau-Show im Netz.
Meist wird es hier Geschichten/Analysen geben, die ich als passionierter Medien-Konsument selber gern gelesen/-sehen/-hört hätte, aber nirgendwo gefunden habe; und deshalb selber ausforschen und durchdenken muss.
Heute mit ein paar Gedanken über eine ganz gezielt servierte Kampagne zur Destabilisierung der Demokratie, bei der die Mainstream- und vor allem die Wirtschafts-Medien eine unrühmliche Rolle spielen.
Und über das moralisierende In-die-Pfanne-hauen von Politikern, die menschen-verachtenden Mist bauen - bei gleichzeitiger Belobigung derselben Untaten, wenn sie von Wirtschafts-Kapitänen verübt werden.
In einem Wochenblatt, das Armin Thurnher in seiner Dankesrede für den Toleranzpreis des österreichischen Buchhandels auch meint, wenn er von bestimmten Mustern innerhalb einer strukturell korrupten Medienlandschaft spricht, ist aktuell der "Super-Manager" Siegfried Wolf Coverstar. Wolf war bis vor kurzem im Vorstand von Stronachs Magna, saß in Aufsichtsräten von Siemens bis Strabag und ist Vizepräsident der ÖIAG. Sein aktueller Hauptjob ist aber ein anderer: er ist Aufsichtsratsvorsitzender einiger Unternehmen von Oleg Deripaska.
Oleg Vladimirovich Deripaska ist einer der Top-Oligarchen Russlands, einer der reichsten Männer der Welt. Betreffend der Vorwürfe seiner Beziehungen zum organisierten Verbrechen gilt die Unschuldsvermutung. Dass Deripaska mit anderen Oligarchen und dem System Putin Russland beherrscht, und dabei deutliche Züge einer Plutokratie trägt, ist unbestritten.
Für Deripaska zu arbeiten, bedeutet diese Herrschaft auszubauen, abzusichern und zu erweitern. Dass dabei keine Rücksichten auf soziale, arbeitsmarkttechnische oder gar demokratiepolitische Fragen genommen wird, ist so selbstverständlich, dass es fast ein wenig blöde erscheint, diese Fragen überhaupt aufzuwerfen.
Der Fall Wolf/Deripaska
Wolf ist also einer der zentralen Ausführer einer plutokratischen Politik eines globalen Players, dem an einer Ausweitung dieses Systems außerhalb Russlands durchaus gelegen ist - weil es nur um eines geht: Gewinn, Profit, Geschäft.
Außerdem: Achtung, eine Kniescheibe kostet in Moskau nur 500 Dollar!
Alfred Gusenbauer ist ein ehemaliger Bundeskanzler der Republik Österreich, ein - wie mir Menschen, die ihn privat kennen, bestätigen - ungemein klarer Analytiker, weiträumig gebildeter Mann, der in seiner Regierungszeit weit unter Wert geschlagen wurde (was auch seine eigene strategische Schuld war). Gusenbauer hat sich mit einem Brief an die Kronen-Zeitung aus der Politik verabschiedet und tingelt seitdem als Konsulent.
Gusenbauer wird, das berichtete das nämliche Magazin in seiner vorherigen Ausgabe, Berater des kasachischen Staatschefs Nasarbajev werden. So wie angeblich auch Gerhard Schröder, Romano Prodi oder Aleksander Kwasniewski.
Nasarbajev ist seit Anbeginn der Unabhängigkeit der De-facto-Diktator von Kasachstan, dem Land von Borat und Bartenstein. Kasachstan hatte 2010 den Vorsitz der OSZE über - selbst abgebrühte Experten schlugen ob der Zustände in Kasachstan die Hände über dem Kopf zusammen.
Der Fall Gusenbauer/Nasarbajev
Der Unterschied zwischen den politischen Kulturen von Kasachstan und Russland ist mit dem vom alten Web und der 2.0-Version zu vergleichen, spiegelt aber auch den Einfluss des Kapitalismus wider.
In Kasachstan setzt sich das gute alte Sowjet-Modell fort, Bürokraten und Machtpolitiker sind an Bewahrung des Erreichten interessiert: das Land wird in jeder Hinsicht diszipliniert und ausgebeutet - das Ziel ist die Machterhaltung.
Den russischen Oligarchen um Putin (wer nicht zur Partie gehört wird chodorkowiert) gehen einen Schritt weiter: sie wollen die Herrschaft global ausweiten, nehmen die nationale Ausbeutung als Basis für weltweite Aktionen.
Weshalb sich dann auch ein Österreicher im Stab von Deripaska findet - man ist ja auch nicht ganz zufällig an der Strabag beteiligt.
Sowohl Gusenbauer als auch Wolf tragen also dazu bei, dass ihre Herren bzw Arbeitgeber sich mit ihrer Hilfe bereichern - gegen jede politische Moral, gegen jeden Ethos, gegen demokratiepolitische Grundrechte, Menschenrechten zuwiderlaufend, mit dem Geruch mafiöser Strukturen und dem Verdacht auf Strippenzieherei bei kriminellen Seilschaften.
Auf der Payroll des Bösen
Jetzt kommen wir aber zum interessanten Unterschied:
Der eine, Gusenbauer, wird - völlig zurecht - der Häme und der Kritik, die er durch diese Aktion verdient, ausgesetzt. Nicht nur vom Erstberichterstatter, sondern von allen die diese Nachricht weiterverbreiten.
Der andere, Wolf, wird vom selben Erstberichterstatter als cooler Hecht, der sich im wilden Ausland so prächtig durchsetzt abgefeiert - in einem ausführlichen, extra-unkritischen, an schiere PR gemahnenden Interview.
Mit dieser seltsamen, nicht nachvollziehbaren, ja verrückten Ungkleichbehandlung weiß man sich in den österreichischen Medien auf der sicheren Seite. Denn das geht immer so: (Ex-)Politiker, der sich, die Moral mit Füßen tretend, auf die Payroll des Bösen setzen lässt - böse und gemein!
Wirschaftsmann, der desgleichen tut - lässiger Bursch, zwinkerzwinker!
Nun ist Siegfried Wolf aber kein Privatmann, unterliegt jedoch - über seinen Job bei der ÖIAG ist er sehr zentral auch für die Republik tätig - denselben moralischen Kriterien wie ein Berufspolitiker.
Trotzdem wird man es in Österreich nicht erleben, dass ein Medium sich in dieser Hinsicht kritisch äußert oder zumindest die entsprechenden Fragen stellt. Die Besitz- und Machtstruktur der heimischen Medienlandschaft lässt das nicht zu - die Wirtschaft wird sich die eigenen Maximen nicht ideologisch anbohren lassen.
Die Schuldhaftigkeit der Medien
Die wenigen anderen Medien, die nicht völlig abhängig von Big Playern sind, werden die Ungleichbehandlung, die ihnen vom Mainstream, aber vor allem von den sogenannten Wirtschaft-Medien (die ja allesamt reine PR-Maschinerien ihrer Besitzerstrukturen sind) vorgegeben werden, nicht anrühren - zu gefährlich, wenn es um Inserate und die entsprechende Erpressbarkeit geht.
Also bleibt folgendes öffentliches Bild über - und das schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten: Der Politiker hat in jeder Faser, jeder Phase seines Lebens und Wirkens moralisch manngedeckt zu werden. Der Wirtschaftskapitän bekommt in derselben Situation automatisch einen Elfer zugesprochen, bei dem dem gegnerischen Tormann auch noch die Augen verbunden werden.
Das ist nicht nur perfid und, um noch einmal Thurnher zu zitieren, systemisch korrupt - das hat auch demokratiepolitisch verheerende Auwirkungen.
Während nämlich das politische Amt und die politische Karriere durch diese Strategie beschädigt und dauerdiffamiert wird, bekommt die Grasserei, das windige Herumlavieren um jede Moral, das Bestemm auf das lustige Abzockertum ohne Genierer den Okay-Stempel.
Was zu weiter schrumpfender politischer Partizipation, zu minderem Ansehen der heimischen Demokratie und massivem Desinteresse an eigener politischer Arbeit führt.
Angewandte Grasserei
Alles Dinge, die den Deripaskas dieser Welt zupass kommen, im Ausbau von postdemokratischen Modellen, mit denen sich ein erweiterter Turbo-Kapitalismus, der auf den alten erprobten kommunistischen Ausbeuter-Strukturen fußt und deshalb so effektiv daherkommt, exportieren lässt. Was sich durchaus auch mit den Interessen neoliberaler, reaktionären und nationaler Seilschaften, denen die partizipative Demokratie (aus unterschiedlichen Gründen) im Weg ist, treffen kann.
Aber das sind Dinge, die sich schwer oder kaum noch beeinflussen lassen.
Dass sich jedoch Medien und ihre Produzenten in diesem abgekarteten Spiel zum nützlichen Idioten machen lassen, ohne auf die Konsequenzen zu achten, das ist eine Entwicklung, die noch einen Turnaround erfahren könnte.